UFC-Präsident Dana White im Interview über seinen verrückten Aufstieg, Conor McGregor und "Maschine" Francis Ngannou

Carl Neidhardt
13. April 202115:02
Dana White ist sich nicht sicher, ob Conor McGregor noch einmal Champion werden kann.getty
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Seit 2001 leitet Dana White die Ultimate Fighting Championship. Im Interview mit DAZN und SPOX spricht der 51-Jährige über seine Anfänge als Page in einem Bostoner Hotel und verrät, warum er in der Vergangenheit oft in Deutschland war.

Außerdem erklärt er, warum es UFC-Star Conor McGregor in Zukunft schwer haben wird und weshalb die UFC bald ein großes Event in London austragen könnte.

Dana White, Sie sind der Inbegriff des American Dreams. Sie haben als Page in einem Bostoner Hotel angefangen und nun die UFC zu einer der größten Sportorganisationen der Welt geführt. Müssen Sie sich manchmal kneifen, ob das alles wahr ist?

Dana White: Ohne Zweifel, mein Leben könnte nicht besser sein. Ich kann alles machen, was ich machen will. Ich bin froh, dass es in meinem Leben nicht schlagartig nach oben ging, sondern dass es eine stetige Entwicklung war. Mein Erfolg kam nicht über Nacht, sodass ich hätte verrückt werden können. Daher musste ich mich bislang auch nicht kneifen. (lacht) Es ist perfekt, wie es gelaufen ist. Ich bin nun seit 20 Jahren im Geschäft und in jedem Jahr haben wir Rekorde gebrochen.

In der Vergangenheit haben Sie nicht oft mit deutschen Medien gesprochen. Wie sehen generell Ihre Erfahrungen mit Deutschland aus?

White: In der Vorbereitung habe ich mir schon einige Gedanken dazu gemacht. Ich glaube, wir waren anfangs mal in Köln, aber das ist schon einige Jahre her. In der Vergangenheit war ich oft in Düsseldorf, um mich an meinen Ohren behandeln zu lassen.

Sie sprechen das Event in Deutschland an. Am 13. Juni 2009 fand UFC 99 in Köln statt. Damals jubelten 13.000 Fans den MMA-Legenden Rich Franklin und Wanderlei Silva zu.

White: Es war überwältigend! Rund um das Hotel und die Arena waren tausende Fans, das war schon ziemlich cool und hat echt Spaß gemacht.

Immer mehr Fans gehen hierzulande in die Gyms, um MMA zu trainieren. Nehmen Sie so eine Entwicklung wahr?

White: Das höre ich natürlich gerne. Lorenzo Feritta (ehemaliger Investor der UFC, d. Red.) und ich haben immer davon geträumt, dass wir nicht nur Events veranstalten, sondern dass langfristig mehr Leute MMA trainieren als beispielsweise Karate. Mittlerweile haben wir Kämpfer aus so vielen Ländern, das ist echt verrückt.

"Unsere Kämpfer hatten immer eine verrückte Geschichte"

Stellenweise hat die UFC bereits das Boxen überholt. Wie sehen Sie das?

White: Das stimmt, das sehe ich auch so. Als wir in der UFC mit unseren Events angefangen haben, fanden die immer freitags statt, da Samstag der große Box-Tag war. In den letzten Jahren sind wir auf den Samstag gewandert und nun ist es sogar so, dass sich Box-Veranstaltungen nach uns richten.

Für das Videospiel UFC 4 haben Sie Anthony Joshua und Tyson Fury mit aufgenommen. Nun treffen die beiden bekanntermaßen demnächst aufeinander. Wen sehen Sie vorne?

White: Es ist schon eine Weile her, seitdem beide gekämpft haben. Nichtsdestotrotz wird es ein großartiger Kampf werden. Direkt nach dem Fury-Wilder-Fight dachte ich, dass Fury gewinnen wird. Mittlerweile bin ich mir nicht mehr so sicher.

Vom Schwergewicht im Boxen kommen wir mal zum Schwergewicht in der UFC. Francis Ngannou hat sich bei UFC 260 gegen Stipe Miocic zum Champion gekürt. Aus marketingtechnischer Sicht war der Sieg für Sie sicherlich hilfreich. Ngannous Weg in die UFC begann in einer Sandmine in Kamerun.

White: Das sind die Dinge, die wir natürlich lieben. Unsere Kämpfer hatten eigentlich immer eine verrückte, außergewöhnliche Geschichte. Solche Geschichten erzeugen immer einen größeren Hype rund um den Kampf, das ist klar.

Wie planen Sie mit ihm? Einem möglichen Superfight mit Jon Jones schoben Sie bislang aus finanziellen Gründen den Riegel vor.

White: Realistisch gesehen wird Francis als Nächstes auf Derrick Lewis treffen. Wenn jemand kämpfen will, kämpft er. Wenn nicht, dann eben nicht. Francis will weitermachen, Derrick ist ebenfalls bereit. Das ist der Kampf, den wir anstreben werden. Es wird nicht Jon Jones werden.

Dana White ist sich nicht sicher, ob Conor McGregor noch einmal Champion werden kann.getty

"Schauen Sie sich das bloß nicht noch einmal an"

Das Duell Ngannou-Lewis gab es bereits schon einmal. Der Kampf wurde auch sehr gehypt und war am Ende mit der schlechteste der UFC-Geschichte.

White: Das stimmt, es war wirklich einer der schlechtesten Kämpfe überhaupt. (lacht) Schauen Sie sich das bloß nicht noch einmal an, Sie werden enttäuscht sein. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass es dieses Mal ein komplett anderer Kampf werden wird.

Ngannou wird aufgrund seiner Power immer wieder mit Mike Tyson verglichen. Haben Sie nun wieder einen "richtigen" Schwergewichtschampion, der Highlights produziert?

White: Stipe Miocic ist vielleicht der beste Schwergewichtler der Geschichte. Nun wurde er von dieser Maschine besiegt, die Leute einfach zerstört. Ich bin gespannt, wie sich das Ganze entwickelt.

Mit Aleksandar Rakic, Jiri Prochazka, Marvin Vettori und Darren Till gibt es viele interessante europäische Kämpfer, die in die Weltspitze vorgedrungen sind. Gibt es jemanden, der Ihnen besonders imponiert hat?

White: Im letzten Jahr haben mich einige der Genannten beeindruckt. Kämpfer sind anders als alle anderen Sportler. Deshalb wusste ich, dass wir 2020 schaffen werden. Manche von ihnen haben sogar fünfmal gekämpft - und das in leeren Hallen!

Und wenn Sie einen auswählen müssten?

White: Kamaru Usman! Er beeindruckt mich immer, wenn er kämpft. Bei ihm ist es sogar der Fall, dass er von Kampf zu Kampf immer noch stärker wird. Aus europäischer Sicht muss ich sagen, dass Vettori in seinen letzten Kämpfen herausragend war.

Der Österreicher Aleksandar Rakic hat bei UFC 259 gegen Thiago Santos gewonnen und ist nun die Nummer zwei der Halbschwergewichtswelt. Wie planen Sie mit ihm? Den Titel wird Champion Jan Blachowicz wohl gegen Glover Teixeira verteidigen.

White: Man weiß nie, was passiert. Es kann sich immer jemand verletzen oder andere Dinge können passieren. Falls der Kampf mit Teixeira nicht zustandekommen sollte, wäre Rakic dran.

Am 9. Mai 2020 kehrte die UFC als erste große Sportorganisation aus der Coronapause zurück. Danach machten Sie mit "Fight Island" in Abu Dhabi auf sich aufmerksam. Wäre dieses Modell auch in Europa denkbar? Spanien und Italien haben auch schöne Inseln ...

White: (lacht) Ich liebe Italien, aber wir sind gerade dabei, "Fight Island" in Abu Dhabi neu zu kreieren. Seien Sie gespannt, was wir in den nächsten Wochen bekanntgeben werden. Wir arbeiten mit den Verantwortlichen schon seit einigen Jahren zusammen, die Partnerschaft ist überragend. Daher werde ich mit ihnen weiterarbeiten, womöglich sogar für den Rest meiner Karriere.

Wenn sich die ganze Coronasituation in Europa entspannt hat, wäre dann mal wieder ein großes UFC-Event in Europa möglich?

White: Wie ich gehört habe, sollen in London volle Arenen ab September wieder möglich sein. Ich bin mir da nicht so sicher. Sollte das aber stimmen, sind wir die Ersten, die dort ein Event veranstalten werden.

Bei UFC 261 (in der Nacht vom 24. auf den 25. April live auf DAZN) füllen Sie in Jacksonville, Florida, wieder die Hallen. 15.000 Fans werden in der VyStar Vererans Memorial Arena dabei sein. Sind Sie schon ein bisschen aufgeregt?

White: Ich freue mich jede Woche wahnsinnig auf bestimmte Kämpfe. Hinsichtlich UFC 261 kann ich es gar nicht mehr abwarten. Ich freue mich total auf die ganze Atmosphäre, wenn wir in Jacksonville gelandet sind. Endlich finden wieder richtige Weigh-ins statt, dazu die Kämpfe.

"Usman kann der Beste der Geschichte werden"

Sie sprachen vorhin bereits Kamaru Usman an, der bei UFC 261 im Main Event gegen Jorge Masvidal antreten wird. Wie nah ist Usman dran, den Status von Georges St.-Pierre als größter Weltergewichtskämpfer der Geschichte zu erreichen?

White: Usman hat alle besiegt, die momentan ganz oben in der Division sind. Colby Covington, Gilbert Burns, Leon Edwards und Jorge Masvidal. Nun muss er sogar gegen alle ein zweites Mal antreten, weil er sonst keine Gegner hat. Wenn er so weitermacht, kann er natürlich der Beste der Geschichte werden.

Bei UFC 251 sprang Masvidal sechs Tage vor dem Kampf für den an Corona-erkrankten Gilbert Burns ein. Was muss er nun anders machen als beim letzten Kampf?

White: Masvidal muss versuchen, nicht wieder den gesamten Kampf am Boden zu verbringen. Ich glaube, er muss Usman finishen. Das ist natürlich wahnsinnig schwierig, da Usman ein Kinn aus Stahl hat.

Nate Diaz kehrt bei UFC 262 ins Octagon zurück. Er tritt gegen Leon Edwards an. Bei UFC 263 kämpft zudem Gilbert Burns gegen Stephen Thompson. Welcher Sieger wird auf Usman treffen?

White: Egal, wie diese Kämpfe ausgehen: Colby Covington wird wohl als Nächster den Titelkampf erhalten. Das Duell Usman vs. Covington war bei UFC 245 vielleicht der beste Kampf, den ich je gesehen habe.

"Ist McGregor bereit, sich ins Gesicht schlagen zu lassen?"

Bei UFC 261 gibt es zudem mit Valentina Shevchenko vs. Jessica Andrade und Zhang Weili vs. Rose Namajunas zwei Titelkämpfe bei den Frauen. Wie beurteilen Sie die Entwicklung im Frauen-MMA?

White: Was jetzt kommt, ist nicht irgendein Promoter-Gelaber: Die beiden Frauen-Kämpfe sind für mich wirklich mit die interessantesten des Jahres. Champion gegen die Nummer eins der Welt? Es gibt keine besseren Ansetzungen. Ich bekomme Gänsehaut, wenn ich an das Event denke.

Conor McGregor tritt bei UFC 264 (in der Nacht vom 10. auf den 11. Juli) zum dritten Mal gegen Dustin Poirier an. Beide haben je einen Kampf gewonnen. Was steht für McGregor auf dem Spiel?

White: Für Conor geht es darum, zu zeigen, dass er noch das Feuer hat, um nochmal Weltmeister zu werden. Ihm geht es schon lange nicht mehr ums Geld. Die Frage ist, ob er seinen inneren Schweinehund überwinden kann. Das werden wir im Juli sehen.

War McGregors Niederlage bei UFC 257 eher gut oder schlecht für ihn? Vielleicht hat er somit seine Boxpläne ad acta gelegt und konzentriert sich nun mehr auf die UFC.

White: Das weiß ich nicht, das kann nur er beantworten. Nur er kann sagen, was bei UFC 257 los war. Dachte er, er könnte Poirier locker besiegen und war mit den Gedanken bereits bei einem Kampf gegen Manny Pacquiao? Das weiß ich nicht. Conor weiß, was zu tun ist. Die Frage ist: Ist er bereit, aus seinem Bett mit Satin-Bettwäsche aufzustehen und sich im Training ins Gesicht schlagen zu lassen? Wenn du reich wirst, bist du automatisch nicht mehr das Tier, das du einmal warst. Das passiert ganz automatisch.

Glauben Sie, dass McGregor bei einem Sieg noch einmal die Chance auf den Titel erhält?

White: Wir haben mit Chandler vs. Oliveira bei UFC 262 den Titelkampf im Leichtgewicht. Die Division ist voller Killer. Es ist wie ein kleines Turnier. Es gibt viele Kämpfe und am Ende des Jahres werden wir sehen, wer der Beste von allen ist.

UFC: Die nächsten Kämpfe im Überblick

Datum (deutscher Zeit)BezeichnungMain Event
17. AprilFight NightRobert Whittaker - Kevin Gastelum
24, AprilUFC 261Kamaru Usman - Jorge Masvidal
1. MaiFight NightDominick Reyes - Jiri Prochazka
8. MaiFight NightCory Sandhagen - TJ Dillashaw
15. MaiUFC 262Charles Oliveira - Michael Chandler
22. MaiFight NightCody Garbrandt - Roby Fond
12. JuniUFC 263Deiveson Figueiredo - Brandon Moreno
19. JuniFight Night"Korean Zombie" - Dan Ige
26. JuniFight NightCiryl Gane - Alexander Volkov
10. JuliUFC 264Conor McGregor - Dustin Poirier