Bereits zum Auftakt des alpinen Ski-Weltcups ist der Klimawandel präsent. Der deutsche Alpinchef mahnt dringende Reformen an.
Felix Neureuther macht sich schon seit langem Sorgen um den Sport, den er so liebt. Der Skisport, mahnte er, "hat die große Aufgabe, seine Glaubwürdigkeit zu bewahren", es dürfe "nicht mehr erlaubt sein, im Sommer zwischen Juni und September auf den Gletschern zu trainieren" und dort dann auch Rennen zu fahren "zu einer Zeit, wo die Gletscher schmelzen". Damit "macht man sich angreifbar". Die Worte von Neureuther sind ein Jahr alt - aber aktueller denn je.
In diesem Sommer musste der Gletscher in Saas-Fee, wo zahlreiche Nationen ihr Trainingslager absolvieren, wegen Schneemangels zeitweise geschlossen werden. Die Piste auf dem längst nicht mehr so ewigen Eis hoch über Sölden, wo am Samstag und Sonntag der Weltcup wie üblich mit Riesenslalom-Rennen für Frauen und Männer beginnt, ist in der Tat ein weißes Band - daneben aber sind graue Geröllfelder zu sehen. Wie Neureuther sagt der deutsche Alpinchef Wolfgang Maier: "Es reicht, wenn wir dort im November fahren."
Nirgendwo aber gerät das in Zeiten des Klimawandels zunehmend aberwitzige Vorhaben, möglichst früh schöne Bilder vom alpinen Ski-Rennsport zu liefern, so zur Absurdität wie in Zermatt. In der kommenden Woche sollen am Fuße des Matterhorns zwei Abfahrten der Männer stattfinden, eine Woche später die Frauen fahren. Der ehemalige österreichische Rennläufer und heutige TV-Experte Hans Knauss bezeichnete dies als "Schwachsinn" - er spricht nur aus, was alle denken.
Tatsächlich hätten die Männerrennen längst abgesagt gehört, die Piste ist nicht rennfertig: Auf dem Gletscher, der nicht künstlich beschneit werden darf, liegt zu wenig Schnee; mit dem, was da ist, werden Gletscherspalten zugeschoben - mit einem in Zeiten der Energiekrise höchst fragwürdigen Aufwand.
Der untere Abschnitt der Strecke von Zermatt ins italienische Cervinia ist praktisch nicht existent. Die "Schneekontrolle" ist nun für Samstag geplant - bis dahin müsste es aber kalt werden, um noch ausreichend Kunstschnee produzieren zu können.
Ski Alpin: Weltcup Mitte November bis Mitte März?
Wolfgang Maier kann bei all diesen Entwicklungen nur den Kopf schütteln. Sein Vorschlag: "Die Rahmenbedingungen müssen geändert werden." Heißt: "Wir fangen erst Anfang, Mitte November mit dem Weltcup an und fahren dann nur bis Mitte März." Also zu Zeiten, wenn noch halbwegs verlässlich Schnee liegt. "Wir müssen das einfach akzeptieren", betont er. Doch dem Internationalen Ski- und Snowboardverband FIS um seinen umstrittenen Präsidenten Johan Eliasch scheint es wenig um Glaubwürdigkeit zu gehen.
Eliasch redete sich ins Amt mit dem Versprechen, dass alles besser werde, und dass selbstverständlich auch auf Nachhaltigkeit geachtet werden solle. Stattdessen bleibt das Rennprogramm zum Wohle der steten Gewinnmaximierung aufgebläht: 42 Rennen bei den Frauen, 43 bei den Männern, dazu noch die WM im Februar (6. bis 19.) in den beiden französischen Wintersportorten Courchevel und Meribel. Der Weltcup scheint nicht davon abzuhalten zu sein, sich sein eigenes Grab zu schaufeln.
Es ginge auch anders. "Mehr Rennen bedeutet ja nicht mehr Qualität", sagt Maier im Gespräch mit dem SID. Mehr Qualität, das heißt für ihn: weniger Rennen - an den besten Standorten. "Dadurch werten wir die Events auf, und wir ziehen sie dann groß auf, wie sie das etwa in Kitzbühel oder Wengen machen." Durch den Klimawandel sind aber auch die Rennen an diesen Orten längst nicht mehr sicher.
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