Viel Understatement also. Und auch wenn Sturm gegen türkische Vereine eine weiße Weste vorweisen kann (vier Spiele gegen Galatasaray, zwei Siege, zwei Unentschieden), sind die Gegensätze beider Klubs augenscheinlich.
Während sich bei Sturm längst solide Bescheidenheit eingestellt hat, ist in Istanbul noch immer die Großmannssucht vergangener Tage spürbar. Nicht durch innovative Spielkonzepte oder Jugendarbeit findet "Fener" Bekanntheit, vielmehr durch Transfers von ehemals sehr guten, sicher noch immer fähigen aber auf jeden Fall teuren Spielern. Dabei verletzte der Verein das dehnbare Regulativ des Financial Fair Plays und wurde von der UEFA abgestraft. Bis Ende der Saison 2017/2018 wurde der türkische Renommierklub mit Transfereinschränkungen und einer empfindlichen Geldstrafe von 7,5 Millionen Euro belegt. Eine Summe, mit der sich alle Sturm-Transfers der letzten 15 Jahre zweimal bezahlen ließen.
Fenerbahce: Umtriebig trotz Einschränkung
Das hielt die Blau-Gelben aber nicht davon ab, zu dem Luxuskader die Nationalspieler Mathieu Valbuena, Mauricio Isla und Carlos Kameni zu addieren. Transfers, die ein schiefes Licht auf den Verein werfen. Hinter vorgehaltener Hand munkeln Experten, dass der Klub gegen die vermeintlich straffen UEFA-Auflagen verstößt. Um Valbuena und Nabil Dirar einsetzen zu können, musste der Klub Spieler abgeben, damit Einnahmen auch Ausgaben decken. Und so verkaufte der Klub den dritten Tormann Ertugrul Taskiran und Jugendspieler Melih Okutan für eine kolportierte Million Euro zum Zweitligisten Boluspor. Ein Verein, der in seiner Klubgeschichte bisher schmale 76.000 Euro für Ablösesummen bereitstellte. Ob die UEFA den Fall prüft, ist noch unklar.
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Während Fenerbahces Finanzgebaren in Nyon für hochgezogene Augenbrauen sorgt - Stadtrivale Galatasaray wurde übrigens wegen Verstöße gegen das FFP im Vorjahr aus dem Europacup ausgeschlossen - ist die Qualität der Einzelspieler über die meisten Zweifel erhaben. Das sieht auch der ehemalige Sturm-Kicker Jakob Jantscher im Gespräch mit SPOX so. Der Feintechniker steht (noch - hier geht's zur Story) bei Caykur Rizespor unter Vertrag und stand im November gegen Fener, als es eine 1:5-Klatsche setzte, auf dem Platz.
Jantscher: "Fener qualitativ klar stärker"
Der 28-Jährige, mit Rizespor aktuell im Trainingslager in Amstetten, verweist vor allem auf die kantige Innenverteidigung der Türken, die zwar ohne Simon Kjaer auskommen muss, dafür aber Martin Skrtel (1,91 Meter) und Roman Neustädter (1,88 Meter) vorweisen kann. Kopfballstark, harte Gangart, alte Schule. Gefährlich bei Standardsituationen, insbesondere wenn bei Sturm die vergleichsweise kleineren Charalampos Lykogiannis und Dario Maresic das Abwehrzentrum bilden. "Die Fener-Abwehr ist auf einem hohen Niveau", sagt Jantscher. "Dazu haben sie mit Mauricio Isla einen weiteren Top-Außenverteidiger verpflichtet."
Kicker wie Van Persie (33, fehlt ebenfalls verletzt) oder Valbuena (32) seien zudem "Qualitätsspieler, keine Auslaufmodelle": "Die Spieler von Fener sind qualitativ um einiges Stärker." Jantscher, der sich das Spiel im Stadion anschauen wird, sieht in Fenerbahce einen klaren Favoriten. Besonders in Istanbul, wo "die Stimmung gewaltig ist". Einen Vorteil erkennt er trotzdem bei seinem Ex-Klub: Sturm hat bereits Pflichtspiele in den Beinen, die Türken befinden sich in der Vorbereitung. "Ich würde den Match-Plan so anlegen: Mit einem guten Tempo ins Spiel starten, den Gegner überraschen. Fener hatte bisher nur Freundschaftsspiele und das ist schon etwas ganz anderes."
Ein Umstand, der auch Galatasaray zum Verhängnis wurde. Der türkische Rekordmeister rasselte in der zweiten Qualifikationsrunde gegen Schwedens Cupsieger Östersund aus dem Bewerb. Eine Blamage, die in der Türkei für Gelächter sorgte. "Das zeigt uns: Alles ist möglich", will Jantscher Mut machen und bremst mit dem nächsten Satz: "Die Chancen sind schwierig einzuschätzen, da so viele Faktoren mitspielen. Ich schwanke zwischen 60:40 und 70:30 für Fenerbahce. Für Sturm spricht auf dem Papier nur der Rhythmus."
Edomwonyi ist optimistischer
Deutlich optimistischer ist Bright Edomwonyi, der im letzten Winter ebenfalls zu Jantschers Klub übersiedelte und auch in der kommenden Saison in Rize spielen wird. "Fenerbahce hat eine gute Mannschaft, keine Frage. Aber ich habe ein gutes Gefühl. Ich glaube Sturm gewinnt am Donnerstag und kommt weiter", sagt der 23-Jährige, der aus persönlichen Gründen nicht im Stadion sein kann. "Sturms Taktik liegt Fenerbahce nicht. Sie haben keine laufstarke Mannschaft, Sturm ist in diesem Bereich sicher deutlich stärker. In Europa wird diese Schwäche eher offengelegt. Zudem ist Fener noch mitten in der Vorbereitung, das werden sie spüren."