Diese fünf Fehler könnten Koller den Job kosten

Koller steht unter Druck
© GEPA

Marcel Koller steht nach dem 1:1 gegen Irland unter Druck. Vor gar nicht allzu langer Zeit hat der Teamchef in Österreich noch eine Welle der Fußball-Euphorie ausgelöst, doch diese ist längst verflogen. Seit der erfolgreichen Qualifikation für die Europameisterschaft konnte der Schweizer seine Mannschaft nicht mehr weiterentwickeln. Koller hat fünf große Fehler begangen.

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Nach seinem Amtsantritt 2011 beförderte Marcel Koller das österreichische Nationalteam aus der Fußball-Steinzeit in die Moderne. Seinen Platz in den Geschichtsbüchern hat der Schweizer aufgrund der ersten sportlichen Qualifikation für eine EM-Endrunde jetzt schon sicher. Aufgrund der verpatzten EURO und der schwindenden Chance auf eine WM-Teilnahme 2018 gerät der Teamchef aber immer mehr unter Druck. Einige Fans fordern in den sozialen Medien sogar schon seinen Abschied. Diese fünf Kardinalfehler könnten Koller den Job kosten:

1. Keine Lösung für das Alaba-Dilemma

Diese Frage hängt nicht nur den Fans, sondern auch den Beteiligten selbst schon beim Hals heraus: Auf welcher Position soll David Alaba im Nationalteam eingesetzt werden? Koller hat darauf keine Antwort mehr. Denn die Leistungen des Bayern-Verteidigers als zentraler Mittelfeldspieler im ÖFB-Team haben stark nachgelassen. Avancierte er während der EM-Qualifikation noch zum unumstrittenen Fixpunkt in der Zentrale, scheint er mit dieser Rolle nun nicht mehr zurechtzukommen.

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Selbstkritik sucht man bei Alaba jedoch vergeblich. Stattdessen verstrickt er sich in persönlichen Eitelkeiten. Beim Heimspiel gegen Irland soll er sich nach der Einwechslung von Stefan Ilsanker geweigert haben auf die Linksverteidiger-Position zu wechseln. Immerhin lieferte er in der darauffolgenden Qualifikationspartie gegen Moldawien als linker Außenbahnspieler eine staubtrockene Partie ab. Seine jüngste Leistung gegen Irland gab der Debatte neuen Zündstoff. Koller muss für seinen Star-Spieler endlich wieder eine passende Rolle finden.

2. Keine Variabilität

Ein klarer, taktischer Plan führte Österreich zu neun Siegen in zehn EM-Qualifikationsspielen. Die Gegner stellten sich darauf jedoch ein, bei der EURO wurde Kollers Konzept endgültig entzaubert. Der Teamchef verpasste es, seine Mannschaft in den Testspielen vor der Endrunde taktisch weiter zu entwickeln. Das kritisierte sogar Julian Baumgartlinger, der Kapitän höchstpersönlich, in einem Interview mit dem Standard: "Im Moment des Erfolgs wurde verpasst, den nächsten Schritt zu setzen."

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Dieser Fehler rächt sich bis heute. Gegen Irland wäre es sinnvoll gewesen, in der zweiten Hälfte auf eine Dreierkette umzustellen. Dann hätte das ÖFB-Team der irischen Umstellung auf zwei Sturmspitzen etwas entgegen setzen können. Diese Option war für Koller jedoch keine. Seine Mannschaft beherrscht den Plan B noch nicht perfekt, weil die Dreierkette erst viel zu spät einstudiert wurde. So musste der Teamchef tatenlos zuschauen, wie die irischen Angreifer Österreichs Innenverteidiger-Duo schwer unter Druck setzten.

3. Keine Selbstkritik

Es begann schon vor der Europameisterschaft. Kritik an den schlechten Leistungen in den Testspielen wurde schnell abgewürgt. Davon wolle man sich die Vorbereitung auf die EURO nicht schlechtmachen lassen. Als die Kacke zu dampfen beging, mussten schließlich die Spieler ihren Kopf hinhalten. Anstatt öffentlich einzugestehen, im letzten Gruppenspiel gegen Island mit der überstürzten Systemumstellung einen Fehler gemacht zu haben, suchte Koller die Schuld bei anderen: "Ich glaube nicht, dass es daran gelegen ist, sondern an der Hektik, weil wir nicht kombiniert haben. Das hat nichts mit dem System zu tun."

Auch in den Monaten nach der EURO mussten zumeist mangelnde Laufbereitschaft und fehlende Passgenauigkeit als Ursachen für schlechte Ergebnisse herhalten. Gut möglich, dass der Teamchef intern eine andere Kommunikationslinie fuhr, in der Öffentlichkeit gab er jedoch kaum Fehler zu. Dabei hätte eine offene Aufarbeitung des EURO-Traumas der Mannschaft helfen können.

4. Kein Umbruch

Koller hat die richtige Zeit für den personellen Umbruch verpasst. Anstatt nach der verpatzten EM einen klaren Schnitt zu machen, vertraute er weiterhin auf 18 der 23 EURO-Teilnehmer. Gegen Irland waren nur noch zehn Frankreich-Fahrer mit dabei, vornehmlich aufgrund von Verletzungen, Sperren und Rücktritten. Das Nationalteam traf diese erzwungene Personal-Revolution relativ unvorbereitet. Spieler wie Stefan Lainer oder Florian Kainz wurden nicht langsam an die erste Elf herangeführt, sondern mussten bei einem Entscheidungsspiel ins kalte Wasser springen.

Auf manchen Positionen (Torwart, Linksverteidigung) verpasste es Koller schon vor der EURO im Hinblick auf mögliche Rücktritte Alternativen zu testen. Dabei nutzen andere Nationaltrainer Freundschaftsspiele recht erfolgreich als Probegalopp für Team-Kandidaten. Dass es sich bezahlt macht, auf frische Gesichter zu setzen, zeigt Florian Grillitsch. Der Neo-Hoffenheimer rutschte vor dem Freundschaftsspiel gegen Finnland relativ zufällig in Kollers Kader, brachte aber gleich bei seinen ersten beiden Einsätzen viel Schwung in die Partie.

5. Keine Wohlfühloase

Vorbei sind die Zeiten, als die Spieler bei jeder Gelegenheit von der Wohlfühloase Nationalteam schwärmten. Stattdessen beschwerte sich diesmal sogar ein Kicker über die lange Vorbereitungszeit auf das letzte Spiel der Saison. Seit der gemeinsamen Dienstreise nach Frankreich vor einem Jahr wirkt die Stimmung gedrückt. Die überraschenden Rücktritte von Ramazan Özcan und Markus Suttner sollen damit zwar nicht im Zusammenhang stehen, passen aber genauso ins Gesamtbild wie der Streit mit Andreas Ulmer.

Innerhalb von zwölf Monaten hat sich die Atmosphäre rund um das Nationalteam zumindest nach außen hin deutlich verschlechtert. Wie konnte das nur passieren? Freilich trägt auch der sportliche Misserfolg zum Stimmungstief bei, doch Kollers Wutrede bei der letzten Kaderbekanntgabe goss zusätzliches Öl ins Feuer. Der Teamchef muss versuchen, aus dem Nationalteam wieder eine geschützte Werkstätte mit Wohlfühlfaktor zu machen.

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