Mario Tokic im Interview: GAK? „Viele Trainings fanden nur im Spazieren statt“

Mario Tokic gegen Red Bull Salzburg.
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Nach drei Jahren verabschiedeten Sie sich vom GAK. Wenige Jahre später ritt der Verein in Insolvenz. Bemerkten Sie schon während Ihrer Zeit in Graz die finanziellen Probleme?

Tokic: Überhaupt nicht. Sechs Monate vor meinem Transfer zur Austria hatte ich ein Angebot aus Japan. Ivica Osim wollte mich nach Asien holen. Das Geld dürfte damals kein Problem gewesen sein, denn Rudi Roth (damaliger GAK-Präsident, Anm.) lehnte die beträchtliche Ablösesumme sofort ab. Ich verließ den GAK, weil ich merkte, dass wir den Zenit allmählich überschritten hatten. Die Formkurve zeigte nach unten, die Transfers waren nicht mehr so hochkarätig. Das Angebot der Austria war gut und wurde sehr korrekt von allen Parteien abgewickelt. Eineinhalb Jahre nach meinem Abgang kam es dann zur ersten GAK-Insolvenz.

In zwei Jahren bei der Austria holten Sie einen Meistertitel und zwei Cupsiege. Wie blicken Sie auf diese Zeit zurück?

Tokic: Das war die schönste Zeit meiner gesamten Karriere. Wir waren wirklich ein starkes Team. Die Leute im Austria-Umfeld waren großartig, ich fühlte mich sehr wohl. Meine Mitspieler hatten eine hohe Qualität. Ich lernte viel von Peter Stöger und Frenkie Schinkels, mit dem ich noch heute in Kontakt stehe.

Mario Tokic im Gespräch mit Austria-Trainer Frenkie Schinkels.
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Mario Tokic im Gespräch mit Austria-Trainer Frenkie Schinkels.

Nach zwei Saisonen wechselten Sie zum Erzrivalen Rapid. Was waren die Gründe für den Transfer?

Tokic: Ich hatte mit der Austria eine mündliche Vereinbarung, meinen Vertrag um drei Jahre zu verlängern. Mein Gehalt wäre auch deutlich angestiegen. Plötzlich war aber die Rede von zwei Jahren Vertragslaufzeit und Einbußen im Verdienst. Für mich haben solche Abmachungen einen hohen Stellenwert. Ernst Neumann führte die Verhandlungen, es kam zum Wortbruch. Damals klopfte Rapid zum richtigen Zeitpunkt an. Wir einigten uns recht schnell und ich freute mich, auch dort einen Meistertitel zu holen.

Wie verlief Ihre Zeit bei Rapid unter Peter Pacult?

Tokic: Er hat einen sehr speziellen Stil. Für mich ist es verwunderlich, dass er kein gutes Angebot aus Österreich hat, denn seine Erfolge sprechen eigentlich für ihn. Er ist ein Trainer, der sehr viel Zeit mit der Mannschaft verbringt. Seine Teams sind konditionell in ausgezeichneter Verfassung. Pacult hat den Fußball im kleinen Finger. Er ist immer geradeaus, sehr ehrlich zu den Spielern, sagt immer, was er denkt. Aus meiner Sicht ist er ein guter Trainer für jeden Spieler. Leider hatte ich während meiner Zeit bei Rapid zwei große Verletzungen. Daher konnte ich nicht mehr dazu beitragen, den Meistertitel von 2008 möglicherweise zu wiederholen.

Sie spielten unter einer großen Zahl an österreichischen Trainern. Welcher stach besonders hevor?

Tokic: Ich hatte in meiner Karriere 21 Vereins- und vier Nationalteam-Trainer. Ich hatte Glück, dass 99 Prozent davon gut waren. Hin und wieder tausche ich mich mit Peter Pacult aus. Auch Georg Zellhofer und Werner Gregoritsch hatten einen positiven Einfluss auf meine Karriere. Ich hatte Glück, in Österreich mit keinem einzigen schlechten Trainer zusammengearbeitet zu haben.

Mario Tokic: Leistungsdaten bei GAK, Rapid, Austria & Co.

VereinSpieleToreAssistsGelbe Karten
GAK1736126
Austria752112
Rapid52149
HNK Rijeka1345--
NK Zagreb64114
Dinamo Zagreb15--2

Mario Tokic: "Ich hatte schon ein paar Angebote aus Österreich"

Sie verfolgten den österreichischen Fußball in den letzten Jahren als TV-Analyst und Trainer. Was sagen Sie zur Leistung von Red Bull Salzburg?

Tokic: Das ist ein Zucker-Projekt, das von Beginn an auf gesunden Beinen stand. Jeder Österreicher muss glücklich sein, dass es solch einen Verein in der Bundesliga gibt. Sie spielen attraktiv, das gefällt mir sehr gut. Ich freue mich, dass sie den Sprung in die Champions League schafften. Da war über einige Jahre viel Pech dabei. Ich denke, das wird ein gutes Jahr für Salzburg im Europacup. Speziell dieser erste Sieg war ein Feuerwerk.

In der Liga reihte sich ein Kantersieg an den anderen, zuletzt gab es auch in der Champions League ein 6:2. Ist diese Salzburger Mannschaft die beste, die Österreich je gesehen hat?

Tokic: Das kann ich so nicht unterschreiben. Salzburg spielt zum aktuellen Zeitpunkt einen modernen Fußball. Sie wird viel erreichen, weil die Spielweise sehr vertikal ausgelegt ist, das passt zum aktuellen Puls der Zeit. Aber es gab andere Mannschaften, die zu ihrer Zeit noch besser waren.

Welche?

Tokic: Mir fällt sofort die Mannschaft der Austria von 2005 ein. Das Team von damals könnte auch heute problemlos im Europacup mitspielen. Dann denke ich an Salzburg mit Linke, Kovac und Zickler. Die Salzburger Mannschaft vor zwei Jahren war auch sehr gut. Sie hatten nicht genug Glück gegen Roter Stern Belgrad. Der Unterschied ist aber: Die aktuelle Salzburger Mannschaft steht in der Champions League und kann für den österreichischen Koeffizienten noch viel erreichen. Jetzt sind eben nicht nur Meister und Vizemeister in der Champions League, auch die Dritten und Vierten aus den Top-Ligen sind dabei. Zu meiner Zeit war es unmöglich, gegen eine italienische Mannschaft 4:0 zu gewinnen. Plötzlich zerlegt Dinamo Zagreb Atalanta.

Wie bewerten Sie die aktuelle Situation bei den Wiener Großklubs?

Tokic: Es macht mich traurig, denn die Probleme bestehen schon seit ein paar Jahren. Ich bin zuversichtlich, dass es bei beiden Vereinen bald aufwärts geht. Ich traue es Zoki Barisic zu, dass er mit Dietmar Kühbauer bei Rapid ein gutes Duo abgibt. Bei der Austria bringt Peter Stöger viel Erfahrung mit. Er wird eine gute Mannschaft formen. Leider ist die letzte Transferperiode vor allem für die Austria in die Hose gegangen.

Inwiefern?

Tokic: Zu meiner Zeit hatten die Legionäre mehr Qualität. Sie müssen wissen, wie man unter Druck spielt. Bei allem Respekt: Es ist eine andere Hausnummer, ob ich etwa beim LASK oder bei der Austria spiele. Das Austria-Dress hat eben schon ein paar Kilo mehr. Es kamen zuletzt viele neue Spieler, die der Aufgabe nicht gewachsen waren. Sie waren zuvor noch nie Meister, sollen aber der Austria plötzlich zum Titel verhelfen. Das geht nicht. In dieser Hinsicht werden Stöger und Barisic eine gute Arbeit leisten, davon bin ich zu 100 Prozent überzeugt. Beide Mannschaften verdienen es, an der Spitze zu sein. Es wäre auch für den österreichischen Fußball wichtig, wenn die beiden oben sind. Auch für Salzburg, um die Konkurrenz in der heimischen Liga zu beleben.

Können Sie sich ein Engagement bei Rapid oder Austria vorstellen?

Tokic: Auf jeden Fall. Ich hatte schon ein paar Angebote aus Österreich. Ich bin zu 100 Prozent überzeugt, dass ich in nächster Zeit zurückkommen werde. Ich fühle mich in dem Land sehr wohl, es ist meine zweite Heimat. Ich möchte aber nicht zu einem Projekt hinzugezogen werden, das keinen guten Plan verfolgt.

Der GAK spielt in diesem Jahr wieder in der 2. Liga. Was trauen Sie den Grazern zu?

Tokic: Ich habe diese vielen Jahre im Unterhaus verfolgt und freue mich sehr, dass wieder Profifußball gespielt wird. Mit ein paar Leuten in den Führungspositionen stehe ich in Kontakt. Ich bin sicher, dass alle sehr seriös arbeiten. Sie bleiben auf dem Boden, werden sich mit der Zeit in der Spitze der 2. Liga etablieren und dann in den nächsten zwei, drei Jahren in die Bundesliga aufsteigen. Für Österreich ist solch ein Verein mit einer großen Geschichte eine gute Sache.

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