Dort steigt am Samstag das Spiel um Platz fünf - aller Voraussicht nach gegen Portugal oder Ungarn. Für Österreich wäre es ein historisches Match. Geschichte würde Rot-Weiß-Rot schon mit Platz acht schreiben, der neunte Rang von der Heim-EM 2010 ist das bisher beste Endrundenresultat. Gelingt der Sprung zum Finalwochenende, darf man auch noch mit der Qualifikation für Tokio 2020 spekulieren. Die Qualifikation für die WM 2021 wäre dann ebenfalls leichter zu bewerkstelligen.
Es geht am Montag also nicht nur um das Duell mit den "Lieblingsnachbarn", sondern auch um Historisches. Dass die Deutschen nach mühsamer Vorrunde und einer Leistungssteigerung zum Beginn der Hauptrunde gegen Weißrussland am Samstag ihre letzte Halbfinalchance vergeigten, darf Österreich zusätzlich beflügeln.
Gegen Kroatien lag Deutschland lange in Führung, ging im Finish aber noch mit 24:25 k.o. "Sie waren sicher angepisst. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie das bis zum Montag durchtragen und sagen, 'ok, das Turnier ist gelaufen'", meinte Kreisläufer Fabian Posch.
Handball-EM: Deutsche wollen für Fans spielen
"Wir sind den Fans auch einiges schuldig. Wir wollen für uns und sie ein glimpfliches Ende der EM", betonte Deutschlands Kreisläufer Jannik Kohlbacher. DHB-Trainer Christian Prokop, der nach dem neunten Platz bei der EM 2018 vor seiner nächsten Enttäuschung steht, gab sich kämpferisch: "Österreich wird zu Hause alles dransetzten, das ist für die das Spiel des Jahres gegen Deutschland. Aber das wollen wir uns nicht gefallen lassen, da wollen wir uns auch zeigen."
Einer, der die Deutschen besonders gut kennt, ist Robert Weber. Der Flügelroutinier, der seit 2008 in der wohl stärksten Liga der Welt agiert, zeigte sich überzeugt, dass die Gegner die Enttäuschung gegen Kroatien "nicht auf sich ruhen lassen" werden. "Natürlich ist das ein Dämpfer, aber die Deutschen wollen mehr. Vor allem gegen Österreich. Wir werden sehen, wie schnell sie da rauskommen", gab der 34-Jährige zu Protokoll.
Für Österreichs Teamchef Ales Pajovic liegt der sportliche Schlüssel zu einem Sieg in der Dynamik. "Sie spielen eine starke 6:0-Abwehr. Wir müssen die großen Leute im Mittelblock bewegen. Nur Eins-gegen-Eins-Situationen und Würfe über den Mittelblock werden nicht reichen. Sie kommen dann auch oft aggressiv raus, da ist dann Platz auf sechs Metern", analysierte der Slowene. "Und wir müssen Geduld haben und die Würfe nicht zu früh nehmen."
Viktor Szilagi: "Deutschland fehlt Weltklasse-Spielmacher"
Ein Kenner der Szene und des deutschen Handballs im Speziellen ist Österreichs Jahrhundertspieler Viktor Szilagi. "Zur absoluten Weltspitze fehlt den Deutschen ein echter Spielmacher", sagte der aktuelle Sportdirektor des THW Kiel angesichts der jüngsten deutschen Enttäuschung.
"Vielleicht muss man manchmal auch die eigenen Ansprüche korrigieren", meinte Szilagyi. Tatsache ist, dass die Deutschen mit Ausnahme des EM-Titels 2016 in den vergangenen Jahren keine einzige EM- oder WM-Medaille geholt haben.
"In der Vorrunde war man gegen Spanien (26:33, Anm.) weit weg vom eigenen Anspruch. Das war äußerst enttäuschend. Ich hatte aber gegen Weißrussland (zum Hauptrundenauftakt, Anm.) das Gefühl, dass man den mentalen Neustart geschafft hat", betonte Szilagyi. Die knappe Niederlage gegen die Kroaten sei sicher bitter, aber kein Beinbruch. "Das absolut hochklassige Spiel gegen einen Titelanwärter kann man auch verlieren. Die Weltspitze liegt inzwischen so eng beisammen. Aber die Enttäuschung ist natürlich riesengroß", erklärte der 41-Jährige.
Deutschland hadert mit Verletzungen
Das Scheitern sei freilich auch den zahlreichen Ausfällen u.a. auf der Mitte-Position geschuldet. "Deutschland hat viele Ausfälle. Aber was aktuell sicher zur Weltspitze fehlt, ist, dass man keinen echten Weltklasse-Spielmacher hat. Den gibt's auch nicht, den kannst du dir nicht schnitzen", befand Szilagyi. "Man sieht besonders in Spielen gegen eine offensive Abwehr wie gegen Spanien und Kroatien, dass es dann an Spielsteuerung fehlt."
In seiner Funktion als Kiel-Sportdirektor hofft Szilagyi nicht zuletzt auf eine EM ohne Verletzungen - im Montagsschlager beobachtet er das Kiel-Trio Hendrik Pekeler, Patrick Wiencek (Deutschland) und ÖHB-Kapitän Nikola Bilyk. "Dass wir hier so viele dabei haben, zeigt wie stark unser Kader ist. Aber die Belastung für die Schlüsselspieler ist natürlich schon hoch." Und sie lässt auch mit EM-Ende nicht nach: "Sechs Tage nach dem Finale haben wir schon wieder ein schweres Spiel in der Bundesliga."
Handball-EM: Tabelle aus Gruppe I
Nach drei Spieltagen sieht die Konstellation in Gruppe I wie folgt aus:
Platz | Team | Spiele | S | U | N | T/GT | TD | P |
1. | Spanien | 3 | 3 | 0 | 0 | 94:77 | 17 | 6 |
2. | Kroatien | 3 | 3 | 0 | 0 | 83:70 | 13 | 6 |
3. | Deutschland | 3 | 1 | 0 | 2 | 81:81 | 0 | 2 |
4. | Österreich | 3 | 1 | 0 | 2 | 81:86 | -5 | 2 |
5. | Weißrussland | 3 | 1 | 0 | 2 | 74:87 | -13 | 2 |
6. | Tschechien | 3 | 0 | 0 | 3 | 79:91 | -12 | 0 |