Der rote Baron hat gerade Pause, was seine Kommentatoren-Tätigkeit im deutschsprachigen Raum anbelangt. Boris Becker hat dennoch auf den Punkt gebracht, was sich viele Zuschauer in der vollen O2 Arena am Dienstagabend gedacht haben: Was war los mit Dominic Thiem?
Natürlich: Der Niederösterreicher war als Außenseiter in das Match mit Federer gegangen, auch weil die Unterlage beim Saisonfinale eher dem Spiel des Schweizers entgegenkommt als jenem Thiems. Die ATP hat vor ein paar Tagen sogar eine Graphik veröffentlicht, nach der der Belag in London noch schneller sei als jener in Shanghai. Ob das nun stimmt oder nicht: Die Anzahl der Mishits war nicht nur im Vergleich zwischen Federer und Thiem erstaunlich hoch. Da aber vor allem auf Seiten des Lichtenwörthers.
Dominic Thiem muss gegen Kei Nishikori hoch gewinnen
Am Donnerstag gibt es für Dominic Thiem zwar noch die minimale Chance, sich für das Halbfinale zu qualifizieren. Allerdings nur dann, wenn er selbst gegen Kei Nishikori einen Kantersieg einfährt, und Roger Federer gleichzeitig gegen Kevin Anderson in zwei Sätzen verliert. Die Wahrscheinlichkeit, dass beide Dinge eintreten, ist allerdings nicht besonders groß.
Ebenso gering wie die Aussicht, dass der Ausrüster Thiem eine Hose zur Verfügung stellt, die ihn nicht bei jedem Schritt zu stören scheint. Andererseits: "Das ist dieselbe Hose, mit der ich bei den US Open gespielt habe, an der liegt es nicht", erklärte Thiem in der Pressekonferenz nach dem Match.
Thiem hat bei seinen letzten drei Turnieren drei empfindliche Niederlagen einstecken müssen: in Wien gegen Nishikori, in Paris-Bercy gegen den späteren Turniersieger Karen Khachanov, nun in London gegen einen Roger Federer, der auch bei weitem nicht sein höchstes Niveau erreichte. Aber eben gut genug servierte, um während der gesamten Spielzeit keinen Breakball zuzulassen. Und als Rückschläger den Ball lange genug im Spiel hielt, bis ihm Thiem unter die Arme griff.
Roger Federer wirkt in London fahrig
34 Fehler in 67 Spielminuten, nur sechs Punkte als Rückschläger - das sind die Zahlen, mit denen sich Thiem am Dienstag verabschiedet hat. Nicht in der Lage, mit eigenem Aufschlag das Spiel so zu gestalten, dass er Federer unter Druck setzen, wenigstens länger beschäftigen konnte. Einen Roger Federer übrigens, der gegen Nishikori teilweise unkonzentriert und fahrig wirkte, auch in den Trainingseinheiten mit Borna Coric keine Spielfreude ausstrahlte. Ob das am Donnerstag gegen einen bestens aufgelegten Kevin Anderson reicht, wird sich weisen.
Exakt die Hälfte seiner ersten Aufschläge hat Thiem ins Feld geschlagen, aber eben nur 56 Prozent dieser Punkte gewonnen. Federer wies in dieser Rubrik einen um 30 Punkte höheren Prozentwert auf. Die gute Nachricht für die Fans des Österreichers: So eine Leistung kann und will Thiem nicht akzeptieren. "Teilweise inferior" sei der Vortrag ausgefallen, warum, das wusste der 25-Jährige auch nicht.
Das Tennis wiederfinden
Gegen Anderson hatte Thiem im zweiten Satz Anpassungen bei seiner Return-Position vorgenommen, gegen Federer war davon nichts zu bemerken. Der Plan, den Ball früh zu nehmen, ging nicht auf, zu viele Returns landeten im Netz oder im Aus. Zwei Matches bei den ATP Finals, zwei Matches ohne einen einzigen Breakball: Vor allem für das Returnspiel von Dominic Thiem ist guter Rat nun teuer.
Er werde am Mittwoch ganz sicher trainieren, so Thiem, im Gegensatz zum Schweizer, der sich wieder einen komplett freien Tag gönnt. Den Kopf freizubekommen sei manchmal wichtig, für ihn, Thiem, gehe es aber jetzt einmal darum, sein Tennis wieder zu finden. Und das funktioniert nur auf dem Traininsplatz.