Basketball - Denis Wucherer im Interview: "Bruce Willis stand noch, während ich halb unter der Theke lag"

Thomas Lehmitz-Artmann
17. Juni 202212:00
Denis Wucherer ist derzeit Experte bei Magenta Sport.getty
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Deutschland, Italien, Belgien - Denis Wucherer hat als Basketball-Profi viel erlebt. Als Trainer coachte er unter anderem die Gießen 46ers und die S. Oliver Baskets Würzburg. Im Interview mit SPOX verrät der MagentaSport-Experte warum er trotzdem nie Heimweh, aber dafür Angst vor Star-Coach Ettore Messina hatte.

Wucherer spricht über verschiedene Coaching-Stile im Basketball, er verrät, warum er ein Fan von Alba Berlin ist und wie das BBL-Finale (Alba vs. Bayern heute live um 19 Uhr bei Magenta Sport ) weitergehen könnte.

Außerdem erzählt der 49-Jährige von einer schmerzhaften Niederlage gegen Bruce Willis.

Herr Wucherer, Sie haben in der Saison 2003/2004 in zwei Spielen hintereinander ein Triple Double erzielt. Einmal gegen die BG Iceline Karlsruhe (37 Punkte, 13 Rebounds und 10 Assist) und einmal gegen Alba Berlin (19,10,10). Rekord. Der ehemalige Oldenburger Rasid Mahalbasic hat diesen mittlerweile mit fünf Triple Doubles gebrochen. Ist es heutzutage einfacher, solche Statistiken zu erzielen?

Denis Wucherer: Aus meinem Mund klingt das natürlich wie: "Früher war alles besser". Da muss man aufpassen, aber die FIBA hat sich an die NBA angepasst. Heutzutage werden die Assists schon großzügiger verteilt. Damals hatte der Mitspieler höchstens drei Sekunden Zeit, zum Dunking oder Korbleger anzusetzen. Für einen Dreipunktewurf bekam man äußerst selten einen Assist gutgeschrieben. Ich kann mich zumindest an keinen erinnern. Heute ist das schon anders und das ist auch gut so.

Am Anfang Ihrer Karriere haben Sie bei Ihrem Trainer Dirk Bauermann gewohnt, richtig?

Wucherer: Genau, ganz am Anfang meiner Karriere. Die Spieler von Leverkusen mussten sich damals selbst um die Wohnungssuche kümmern, aber ich habe noch mein Abitur absolvieren müssen. Dirk Bauermann hat mich dann vier Wochen bei sich in Köln aufgenommen.

Spricht man da dann viel über Basketball?

Wucherer: Meine Tage waren damals vollgepackt. Nach der Schule musste ich Kraft- und Konditionstraining nachholen, später kam dann die Trainingseinheit. Abends hat Kerstin Bauermann, Dirks Frau, noch etwas für uns gekocht und ich war immer recht schnell im Bett. Über Basketball haben wir da eigentlich nicht viel gesprochen.

Da traut man sich dann ja gar nicht, mal feiern zu gehen.

Wucherer: Dafür war sowieso keine Zeit. Ich musste Abitur und Profikarriere und einen Hut bringen. Da ist man ständig unterwegs. Meine Zeit mit Ausgehen, das Leben eines Profis zu genießen und über die Stränge zu schlagen, das kam erst später. Selbst meine große Abi-Sause lief ohne mich. Da waren wir mitten in den Playoffs und haben um die Meisterschaft gespielt.

Das haben Sie dann in Mailand nachgeholt. Mit einem Promi, oder?

Wucherer: Das war Bruce Willis. Unser Team war in Mailand bekannt und beliebt. Während der Fashion-Week war Bruce in der Stadt und im selben Club wie wir. Er hat erkannt, dass da ein paar große Jungs sind, die viel Englisch reden und hat sich mit seinem Bodyguard zu uns gesellt.

Und dann?

Wucherer: Naja. Er hat alle Drinks bestellt, gefeiert und wir haben versucht, mitzuhalten. In meinem Fall war das ein Fehler. Ich konnte da nicht mithalten und habe kläglich verloren. Bruce Willis stand noch, während ich halb unter der Theke lag. Es war eine sehr lustige Nacht mit starken Kopfschmerzen am nächsten Morgen. Das waren meine zwei Stunden mit Bruce Willis. Danach habe ich ihn nicht mehr gesehen.

Denis Wucherer bezeichnet Dirk Bauermann als seinen Lieblingstrainer.imago images

Wucherer: Meine Art des Umzugs ist ein "absolutes Novum"

Mailand, Varese, Treviso. Sie haben in Ihrer Zeit als Spieler viele Vereine gesehen. Hat man da manchmal Heimweh?

Wucherer: Ich war nie der Spieler, der ein Zuhause hatte. Schon ab dem Zeitpunkt, als ich vom TV Langen bei Mainz nach Leverkusen gewechselt bin, war ich da zuhause, wo ich gespielt habe. 1998 habe ich in Mailand unterschrieben und wollte eine Wohnung, wie jeder andere Spieler auch. Als ich denen gesagt habe, dass ich die ohne Möbel will, haben die mich erstmal angeschaut.

Wie haben Sie die Wohnung dann ausgestattet?

Wucherer: Ich habe einen 7,5-Tonner vollgepackt und mein Zeug aus Leverkusen mitgebracht. Ab da bin ich immer mit meinen Sachen und Möbeln umgezogen und habe dort richtig gelebt, wo ich gespielt habe. In jeder Stadt. Ich hatte auch ein Angebot aus dem fernen Russland, kurz vor Sibirien. Da wäre ich mit meinem Tonner wohl nicht hingekommen. Das habe ich dann natürlich nicht gemacht.

Das gibt es im Profi-Basketball nicht oft.

Wucherer: Ich würde sogar sagen: Das ist ein absolutes Novum. Fast alle haben irgendwo in ein Haus oder eine Wohnung investiert. Dieses Umziehen mit dem Lastwagen, das war irgendwie mein Ding. Der nächste Umzug steht schon an.

Wohin geht es?

Wucherer: Ich bleibe in Würzburg. Doch meine Wohnung wird für den neuen Trainer (Sasa Filipovski, Anm.d.Red.) freigemacht. Es gibt aber derzeit keinen Grund für mich, die Stadt zu verlassen. Als Trainer oder Spieler muss man eben viel umziehen.

Ist so ein Umzug als Spieler oder als Trainer einfacher?

Wucherer: Im Regelfall wirst du als Spieler nicht so häufig entlassen und man kommt relativ schnell irgendwo unter. Als Trainer ist das deutlich schwieriger. Der Markt ist viel kleiner. Man muss viel geduldiger sein, bis man wieder angreifen darf.

Denis Wucherer wurde im Dezember 2021 bei den S. Oliver Baskets aus Würzburg nach drei Jahren entlassen.getty

"Es macht mir am meisten Spaß, Spieler zu entdecken"

Wann wussten Sie, dass Sie gerne Trainer werden wollten?

Wucherer: Ich bin generell immer ein Spieler gewesen, der mitgedacht hat, die Entscheidungen hinterfragt und analysiert hat. Als Spieler war ich also eine Art Möchtegern-Coach. Gleichzeitig habe ich mich auf meine Zeit nach dem Basketball gefreut. Da wollte ich etwas "Normales" arbeiten. Montag bis Freitag 9 bis 17 Uhr und am Wochenende frei.

Bauermann hat Sie aber nach der Karriere als Co-Trainer in die Nationalmannschaft berufen. Sie haben dann die U20 und die A2 Nationalmannschaft gecoacht.

Wucherer: Ja, irgendwie kam es dann anders, als ich mir das vorgestellt hatte. Aber ich hatte Spaß dabei und habe auch schnell gemerkt, dass mir der Job liegt. Ich habe ja auch nichts anderes gelernt und konnte eben nur das eine.

Was macht Ihnen daran besonders Spaß?

Wucherer: Spieler zu entdecken. Sei es aus der ProA, ProB oder frisch vom College. Mich macht es einfach stolz, zu sehen, wenn so ein Spieler eine tolle Karriere hinlegt. Da hatten ich und mein Team eigentlich immer ein gutes Händchen.

Zum Beispiel?

Wucherer: Mir fällt da Braydon Hobbs ein. Den haben wir in Nürnberg gesehen und dann nach Gießen geholt. Von uns ging es dann nach Ulm, Bayern und Oldenburg. Mittlerweile spielt er in der spanischen Liga. Andi Obst ist auch so einer. Den haben wir aus Bamberg geholt und dann ging es nach Spanien. Mittlerweile ist er bei den Bayern ein wichtiger Spieler. Darauf bin ich stolz.

Sie sind Experte bei MagentaSport. Bei der Euroleague-Serie Bayern gegen Barcelona (3-2 für Barcelona) ist die litauische Legende Sarunas Jasikevicius sehr hart und lautstark mit seinen Spielern umgegangen.

Wucherer: Ich habe mir die verschiedensten Arten von Coaching genau angeschaut. Manche Trainer fordern ihre Spieler körperlich und manche auf mentaler Ebene. Oft ist es schwerer, die mentale Herausforderung zu meistern. Rund um die Uhr den Schuldigen zu suchen und pausenlos wie unter Strom die Spieler zu kritisieren.

Wie bei Jasikevicius.

Wucherer: Bei Jasikevicius ist mir aufgefallen, dass das zu viel ist. Die Frage muss gestellt werden, ob dieser Stil die Spieler nicht mental satt und aufgebraucht werden lässt. Bei jedem Fehler wird ausgewechselt und in den Senkel gestellt wird. Jeder in der Halle weiß, dass du gerade den Fehler gemacht hast. Dann ist es gerade spät in der Saison schwer, noch einmal alles aus seinem Körper herauszuholen, wenn der Kopf das einfach nicht will. Ich finde, das ist ein falscher Stil, weil die Spieler selber genau wissen, wenn sie einen Fehler gemacht haben. Irgendwo passiert immer ein Fehler.

Trotzdem hat Barcelona den FC Bayern besiegt.

Wucherer: In Spiel fünf hatte ich dann den Eindruck, dass er nicht mehr so häufig gewechselt hat und seine gut bezahlten Spieler einfach machen ließ. Das hat sich dann ausgezahlt.

Hatten Sie als Spieler auch mal diese mentale Herausforderung?

Wucherer: Bei Ettore Messina in Treviso. Es war für mich zwar ein kurze Zeit, aber ich habe mich so auf einen der größten Trainer Europas gefreut. Aber er hat die Spieler mental extrem herausgefordert. Wir hatten Angst, Fehler zu machen. Selbst im Training. Als wir dann gegen Mailand verloren haben, kam es mir so vor, als ob alle froh waren, dass die Saison und die mentale Belastung endlich vorbei war. Die Erleichterung war größer als die Enttäuschung.

Lernt man daraus?

Wucherer: Ich reflektiere immer auch meine eigene Arbeit. Letzte Saison habe ich festgestellt, dass ich ein Fan vom Alba-Berlin-Spiel bin. Nicht nur der Basketball, sondern auch das Coaching von der Seite. Ruhig und besonnen mit Grundvertrauen in die Spieler. Aber auch die Art von Jasikevicius oder Bayern-Trainer Andrea Trinchieri hat Vorteile. Vielleicht braucht mein eigener Stil ein bisschen mehr davon.

Sarunas Jasikevicius ist für seine oft lautstarke Art des Coachings bekannt.getty

Wucherer: "Alba war in allen Belangen besser"

Der Coaching-Stil in der NBA wirkt ruhiger als der europäische.

Wucherer: Absolut. Bei 82 Spielen und dem ständigen Reisen, wenn du dich da so aufführen würdest, wie ein Jasikevicius oder Trinchieri oftmals, dann wäre der Job schnell vorbei. Gesundheitlich würde man das nicht durchstehen. Der Druck auf europäischen Coaches ist nicht ohne, das würde in der NBA nicht gehen. Verbale Aussetzer wie von Obradovic gegen Gigi Datome und diese Art, das passt nicht nach Amerika.

Ist das nicht auch Show?

Wucherer: Vielleicht manchmal eine eigene Agenda. Nach dem Motto: Es ist nicht meine Schuld. Wenn der Spieler getan hätte, was ich gesagt habe, hätten wir gewonnen.

Alba führt momentan im BBL-Finale mit 2-0 gegen den FC Bayern. Ist die Serie nach Spiel 3 schon vorbei?

Wucherer: Es deutet vieles darauf hin. Bayern war zeitweise einfach deutlich unterlegen und Berlin war die bessere Mannschaft in allen Belangen. In der Offensive mit schneller Entscheidungsfindung und flüssigem Spiel sowieso.

Und Defensiv?

Wucherer: Die Verteidigung von Alba findet nicht genug Beachtung. Es gab kaum gute Abschlüsse für die Münchner. Trotzdem traue ich den Bayern eine Reaktion zu. Zwar bin ich Fan vom Alba-Spiel, aber der Schachmeister Trinchieri kann mit seiner Mismatch-Jagd auch erfolgreich sein.