"Sie stellten mich als Idioten hin"

Haruka Gruber
17. Oktober 201206:42
Daniel Theis bei der Rückkehr in Braunschweig. Links Dennis Schröder, in der Mitte Nils MittmannImago
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Um Ulms neues Toptalent Daniel Theis entbrannte im Sommer ein beispielloser Streit. Jetzt spricht der 20-Jährige erstmals über die brisanten Hintergründe beim Ex-Klub Braunschweig. Der Power Forward exklusiv über Unrecht, Unwahrheiten und die süße Rache in der alten Heimat.

SPOX: Sie standen im Sommer im Mittelpunkt eines im deutschen Basketball beispiellosen Streits: Ihr alter Verein Braunschweig versuchte mit allen Mitteln, Ihren Wechsel nach Ulm zu verhindern. Die "Südwest Presse" schrieb von einem "Präzedenzfall". Ist es Ihnen schwer gefallen, in den letzten Wochen zu schweigen?

Daniel Theis: Es fiel mir schwer und es nervte mich gewaltig, weil in der Öffentlichkeit ein völlig falsches Bild von mir gezeichnet wurde. Die Braunschweiger sagten, dass sie mir ein neues Angebot vorgelegt hätten und ich den Vertrag unterschrieben hätte. Beides war nie der Fall. Trotzdem wurde das behauptet, um sich selbst besser darzustellen.

SPOX: Braunschweigs Sportdirektor Oliver Braun sagte, dass der Vertrag von Rich Melzer wegen Ihnen aufgelöst wurde und Ihnen ein marktgerechtes Angebot unterbreitet worden wäre.

Theis: Um es klarzustellen: Es gab kein Angebot und es gab keine Unterschrift. Wir, beziehungsweise mein Agent Ademola Okulaja, haben seit Anfang letzter Saison ständig den Kontakt zu Braunschweig aufgenommen, um weitere Schritte für mich zu planen und einen neuen Vertrag zu besprechen, aber Braunschweig wollte nie über einen Vertrag reden. Es gab sogar Optionen, dass ich ausgeliehen werde, um Praxis bei einem anderen Klub zu bekommen und zurückzukommen. Stattdessen wurde alles geblockt oder ignoriert, wenn es um meine Zukunft ging.

SPOX: Wie kam es dann, dass Braunschweig sogar mit juristischen Konsequenzen gedroht hat?

Theis: Ich reichte zwei Tage nach dem Playoff-Aus gegen Ulm die Kündigung ein. Weil diese nicht direkt von mir, sondern vom Anwalt kam, hat sich Oliver Braun offenbar persönlich angegriffen gefühlt. Daher die Behauptung, dass die Kündigung nicht wirksam sei, obwohl alles fristgerecht ablief. Sonst hätte der DBB mir nicht die Freigabe erteilt. Braunschweig ging es vor allem darum, sich gut aus der Affäre zu ziehen. Sie wollten so tun, als ob sie alles richtig gemacht hätten. Das Traurige: Sie waren bei den eigenen Fans damit sogar erfolgreich.

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SPOX: Wie meinen Sie das?

Theis: Oliver Braun suchte nie den Kontakt zu mir. Stattdessen stellte er mich in der Öffentlichkeit hin als den Idioten. Als den verhätschelten und undisziplinierten Jungstar, der den Weggang erzwungen und den Klub erpresst hätte. So gelang es ihm, die Fans auf seine Seite zu ziehen. Das konnte Braunschweig schon immer gut: Sich nach außen gut präsentieren, obwohl intern alle wissen, was schief läuft. Warum wurde denn nie berichtet, dass Braunschweig mich letztes Jahr aus dem Vertrag schmeißen wollte, weil ich es so oder so zu nichts bringen werde und nur Kopfschmerzen bereiten würde? Und plötzlich bin ich der Böse, weil sie schon immer die ganze Mannschaft um mich und Dennis Schröder bauen wollten. Da stimmt was nicht!

SPOX: Sie traten zum BBL-Auftakt mit UIm ausgerechnet in Braunschweig an. Was erlebten Sie?

Theis: Es war extrem. Ich musste damit rechnen, dass ich ausgepfiffen werde. Was tatsächlich vor sich ging, war dennoch krass. Nach dem Abpfiff wurde ich von Fans am Spielfeldrand aufs Übelste beleidigt. Ein älterer Mann kam zu mir und sagte: "Verpiss dich! Und komm niemals wieder!" Das Schlimmste: Die Kinder schauten sich das von den Erwachsenen ab und verhielten sich genauso. Einige warfen mit Gegenständen auf mich. Es war nicht einfach - vor allem, weil ich aus der Region komme und seit der Jugend in Braunschweig gespielt habe.

SPOX: Zumindest gewann Ulm mit 92:91 nach Verlängerung - und Sie zeigten mit 18 Punkten und 10 Rebounds eine starke Leistung.

Theis: Deswegen hat mich der Sieg so gefreut. Ich merkte, wie sehr sich die Braunschweiger Fans darüber ärgerten, dass ausgerechnet ich, der Idiot, so eine Leistung bringe. Die Pfiffe haben mich motiviert, noch besser zu spielen. Ich wollte den Fans und den Verantwortlichen in Braunschweig beweisen, was für ein Fehler es war, mich letztes Jahr so selten einzusetzen.

SPOX: In Ulm stehen Sie in der Starting Five und legten in den ersten beiden Spielen jeweils ein Double-Double auf. Wie fällt Ihr erstes Fazit aus?

Theis: Sehr positiv. Mir ist eigentlich egal, ob ich Teil der Starting Five bin oder nicht. Je nach Gegner kann sie anders aussehen, weil andere Spielertypen gefragt sind. Das Entscheidende: Ich spüre das Vertrauen des Trainers. Thorsten Leibenath spricht sehr viel mit mir und gibt mir so die nötige Sicherheit. Daher weiß ich, dass es kein Problem ist, wenn ich wie in den letzten beiden Spielen nicht so oft score. Ich soll hart verteidigen und rebounden.

SPOX: Welche Unterschiede gibt es abgesehen vom Trainer?

Theis: Die Qualität in der Mannschaft ist viel höher. Eigentlich muss man nur den Ball hochwerfen und John Bryant macht etwas Gutes daraus. Oder Allan Ray übernimmt mit seiner NBA-Erfahrung die Verantwortung und traut sich die kritischen Würfe zu. Von solchen Leuten lerne ich unglaublich viel. Was mich am meisten beeindruckt: Trotz der Stars sind wir in Ulm ein echtes Team. Diesen besonderen Mannschaftsgeist hat man schon in der Vorsaison als Außenstehender gespürt. Das ist der größte Unterschied zu Braunschweig, wo die Amerikaner immer für sich waren. Wir waren nie eine Gemeinschaft.

SPOX: Gibt es Beispiele?

Theis: Es gibt einige Beispiele, doch es gilt die Regel: Was in der Kabine passiert, bleibt in der Kabine. Das Einzige, was ich dazu sagen werde, ist, dass ich so etwas noch nie gesehen habe. Die Verantwortlichen wussten von allem und unternahmen nichts, das ist das Erschreckende! Bestraft wurde nur halbherzig. Aber wehe, ein junger Spieler kommt zwei Minuten zu spät, dann ist es sofort ein Weltuntergang.

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SPOX: Braunschweigs Ex-Trainer Sebastian Machowski, mittlerweile in Oldenburg tätig, schritt nicht ein?

Theis: Bitte fragen Sie die Verantwortlichen selbst.

SPOX: Aus Braunschweig heißt es, dass Sie und Ihr Kumpel Dennis Schröder undiszipliniert gewesen seien und sich nicht eingefügt hätten. Zum Beispiel sollen Sie sich nach Silvester eine Verfehlung geleistet haben.

Theis: Wenn ein Amerikaner zu spät zum Training kam, hieß es nur: "Ist okay, passt schon." Ich hingegen wurde nach Silvester suspendiert, obwohl es von Braunschweig einfach nur falsch kommuniziert wurde. Ich fuhr mit Zustimmung von Sebastian am 31. Dezember nach Hamburg und kehrte am 1. Januar zurück zum Training. Mir wurde 18 Uhr gesagt, daher war ich ein paar Minuten nach 17.30 Uhr bereits in der Halle. Allerdinge setzte der Verein, ohne mir Bescheid zu geben, um 17.30 Uhr eine Videoanalyse an. Daraufhin schmiss mich Braunschweig raus und teilte es sofort den Medien mit, dass es "aus disziplinarischen Gründen" passiert sei. Plötzlich stand ich da wie ein Bad Boy. Es ist schon seit sehr langer Zeit bekannt, dass die Kommunikation dort extrem schlecht ist.

SPOX: Machten Sie selbst Fehler?

Theis: Dennis Schröder und ich mussten als Nachwuchsspieler vor einem Spiel immer 45 Minuten vor allen anderen auf dem Feld stehen und uns aufwärmen. Einmal kam ich für zwei, drei Minuten zu spät. Ich entschuldigte mich sofort dafür und wurde zum Aufwärmen geschickt. Kurz vor dem Tipoff sagte mir dann Sebastian Machowski vor allen anderen: "Zieh dich um und geh' nach Hause!" So behandelte man uns. Dennis wurde ebenfalls für Vorfälle suspendiert, für die die Amerikaner nie Ärger bekommen hätten. Natürlich sind wir nicht unschuldig. Wir waren jung und unausgelastet, da macht man Fehler. Unausgelastet, weil wir auch kein extra Training machen durften. Wir haben oft darum gebeten, aber wurden nie beachtet.

SPOX: Schröder, das größte Point-Guard-Talent Deutschlands und zugleich bekannt für seine schwierige Art, ist nur ein Opfer der Umstände?

Theis: Natürlich ist jeder bis zum gewissen Teil selbst Schuld am eigenen Ruf. Trotzdem finde ich, dass der Verein einen jungen Spieler mehr unterstützen sollte. Statt zu schützen, wurden alle Vorfälle gleich den Zeitungen gesteckt. Außerdem muss ich dazu sagen, daß Dennis ein super Typ ist. Hört man diese Saison etwas Negatives von ihm? Nein, warum bloß? Ich kenne ihn gut genug, er ist ein echter Profi.

SPOX: Schröder blieb in Braunschweig und darf unter dem neuen Trainer Kostas Flevarakis fast 20 Minuten im Schnitt spielen. Sie hätten unter Flevarakis vermutlich ähnlich viel Einsatzzeit bekommen.

Theis: Ich hatte mit dem neuen Trainer ein Gespräch, das war jedoch gar nichts. Ich wurde in sein Büro eingeladen, wo am Fließband Gespräche mit möglichen Co-Trainern angesetzt waren. Ich kam mir vor wie in einer Massenabfertigung, weil der Trainer gar kein richtiges Interesse an mir hatte. Zwei Minuten im Gespräch sagte er sofort, dass er Nils Mittman noch mehr auf der Power-Forward-Position spielen lassen will. Das hörte sich nicht danach an, als ob er mir eine faire Chance geben wollte. Deswegen wundert es mich nicht, dass es Braunschweig nicht gelingt, deutsche Talente zu verpflichten. Es spricht sich herum, dass das Umfeld dort nicht stimmt. Ulm im Vergleich bekam mit Till-Joscha Jönke und Kay Gausa zwei tolle Nachwuchsspieler, das ist kein Zufall. Wobei Liviu Calin, der Trainer der Braunschweiger Pro-B-Mannschaft, eine hervorragende Arbeit leistet. Ihm habe ich viel zu verdanken.

SPOX: Sie konnten sich Ihren neuen Verein aussuchen: Neben Ulm waren Bamberg, Berlin und Bayern interessiert. Warum Ulm?

Theis: Es waren alle dabei, das stimmt. Berlin zum Beispiel kam allerdings erst 72 Stunden vor meiner Unterschrift in Ulm mit einem Vertragsangebot, da hatte ich schon eine sehr gute Beziehung zu Coach Leibenath aufgebaut.

SPOX: Und Bamberg?

Theis: Für mich ist der Unterschied zwischen Ulm und Bamberg nicht so groß. Die letzten Finals gingen schon knapp aus und dieses Jahr schauen wir mal, wie weit wir sind. Auf jeden Fall können wir Bamberg Paroli bieten. Daher habe ich nach den ersten Gesprächen mit Ulm und Coach Leibenath nicht mehr über Bamberg nachgedacht.

SPOX: Gaben Sie auch den Zuschlag, weil Sie wissen, dass die NBA auf Ulm achtet? Wegen Robin Benzing saßen häufig Scouts auf der Tribüne, aktuell werden Bryants Leistungen aufmerksam verfolgt.

Theis: Natürlich ist die NBA ein großer Traum. Letztes Jahr hatte ich bereits eine Art Probetraining in Braunschweig mit den Detroit Pistons. Dennoch ist die NBA sehr, sehr weit weg. Ich beschäftige mich null damit. Mal sehen, was in zwei, drei Jahren ist. Das europäische Ausland könnte genauso eine Alternative sein. Mein Nahziel ist erst einmal die Euroleague, vielleicht schaffen wir das schon nächstes Jahr mit Ulm.

SPOX: Wie sieht es mit Ihren Ambitionen in der Nationalmannschaft aus?

Theis: Wenn ich mich bei der U-20-EM nicht verletzt hätte, wäre ich womöglich schon dieses Jahr bei der EM-Quali dabei gewesen. Daher möchte ich nächstes Jahr in den erweiterten Kader und vielleicht sogar in den endgültigen Kader für die EM berufen werden. Es gibt nicht so viele große Power Forwards in Deutschland.

SPOX: Für das DBB-Team bildeten in der Vergangenheit Ihr Berater Ademola Okulaja und Dirk Nowitzki eines der besten europäischen Forward-Duos. Von der Spielanlage gibt es Parallelen zwischen Ihnen und Okulaja sowie zwischen dem ebenfalls 20-jährigen Maxi Kleber und Nowitzki. Ist Ihnen das aufgefallen?

Theis: Davon höre ich zum ersten Mal - aber es stimmt. Maxi kommt wie Dirk aus Würzburg und ist ein verdammt talentierter Spieler mit einem extrem guten Wurf. Es ist sehr schade, dass er so oft verletzt war. Wenn er fit bleibt, können wir uns sehr gut ergänzen: Er ist der super Werfer, ich beiße mich am Korb durch, wobei wir jeweils die Rolle des anderen mit übernehmen können. Für mich sind wir beide die Zukunft als Power Forwards - und Dennis Schröder übernimmt die Point-Guard-Position!

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