Andi Obst hatte mit seinem heißen Händchen von Downtown einen großen Anteil am Erfolg des DBB-Teams bei der EuroBasket. Im Interview mit SPOX erklärt er, warum er dennoch auch mit einem weinenden Auge auf die EM zurückblickt. Und: eine Kampfansage an die Currys und Thompsons dieser Welt.
Der beste Dreierschütze der EuroBasket, Bronzemedaille an der Seite von Dennis Schröder und Co. und nun will Obst mit dem FC Bayern Basketball die Alba-Dominanz in der Bundesliga brechen. Der 26 Jahre alte Guard blickt auf seinen Sommer zurück und voraus auf die neue Saison.
Außerdem verrät Obst das Geheimnis seines "Bilderbuch-Wurfes", spricht über einen potenziellen Sprung in die NBA, den Basketball-Hype und schwärmt von Schröder als Leader der Nationalmannschaft.
Herr Obst, in einem Interview kurz nach der EuroBasket haben Sie zugegeben, noch hunderte unbeantwortete Nachrichten auf Ihrem Handy zu haben. Haben Sie die in Ihrem Urlaub mittlerweile abgearbeitet?
Andi Obst: Ein paar, aber ehrlich gesagt sind immer noch einige Nachrichten offen. Ich bin relativ faul, was sowas angeht.
Wie haben Sie denn abseits Ihres explodierenden Handys den Hype in Deutschland rund um die EuroBasket und nach dem Gewinn der Bronzemedaille erlebt?
Obst: Im Team haben wir davon einiges mitbekommen, auf den verschiedenen Plattformen sah man die Begeisterung immer mal wieder. Generell war die Stimmung einfach sehr positiv, auf der Straße haben mir fremde Leute zum Erfolg gratuliert. Auch in der Bundesliga haben wir von den Fans gutes Feedback bekommen. Unser Auftritt hat scheinbar gut die Runde gemacht.
Auch Sie persönlich wurden mit Ihrem heißen Händchen teilweise zum Helden, die Twitter-Gemeinde hat Sie im Internet regelmäßig abgefeiert. Haben Sie das während des Turniers mitbekommen oder versuchen Sie, das Drumherum möglichst auszublenden?
Obst: Man bekommt das schon mit, auch wenn ich natürlich nicht stur auf Twitter und Co. starre. Einerseits denke ich mir nicht viel dabei, witzig ist es aber schon. Wie kreativ die Fans manchmal werden, ist sehr unterhaltsam.
Andi Obst: "Ein weinendes Auge ist bei jedem mit dabei"
Für Sie war es auch individuell eine sehr erfolgreiche EuroBasket: Die meisten Dreier des Turniers verwandelt, insgesamt 48,1 Prozent Dreierquote, zwei Spiele mit jeweils 5 erfolgreichen Triples, dazu natürlich die Medaille - aber auch eine etwas bittere 91:96-Niederlage im Halbfinale gegen Spanien. Wie fällt Ihr persönliches Fazit aus?
Obst: Insgesamt natürlich positiv. Aber: Wir wissen, dass wir noch mehr hätten reißen können. Wir haben das Halbfinale durch eigene Fehler verloren, es ist nicht so, dass wir eine 30-Punkte-Klatsche kassiert und keine Chance gehabt hätten. Das macht es zu einer bitteren Pille.
Es bleibt also ein kleiner Haken bei der Bronzemedaille?
Obst: Ein weinendes Auge ist, glaube ich, bei jedem dabei. Wie gesagt, wir wissen, dass mehr drin war. Trotzdem können wir stolz sein.
Auf jeden Fall! Kommen wir nochmal zu Ihrer größten Stärke zurück, dem Shooting. Über Sie hört und liest man Dinge wie: "Bilderbuch-Wurf", "einer der schönsten Würfe Deutschlands". Wie haben Sie das geschafft?
Obst: Schon als ich mit Basketball angefangen habe, wurden mir sehr gut die Grundlagen beigebracht. Darauf habe ich aufgebaut. Vor dem Fernseher oder über Highlight-Clips habe ich später dann die Shooter studiert und mir ein paar Dinge für einen sauberen Wurf abgeschaut. Über die Zeit findet man immer wieder neue Details.
Dreier-Contest vs. Steph & Co.? "Würde mich nicht verstecken"
Hatten Sie dabei bestimmte Vorbilder?
Obst: Damals war es für mich natürlich Dirk (Nowitzki, Anm. d. Red.) und Kobe (Bryant, Anm. d. Red.). Aber auch ein Stephen Curry, ein Ray Allen oder ein Jaycee Carroll in der EuroLeague ... da gibt es einige Spieler für mich.
Glauben Sie, Sie hätten eine Chance in einem hypothetischen Dreier-Contest gegen die Currys, die Thompsons oder die Lillards dieser Welt?
Obst: Jup, ich denke schon. (lacht) Klar ist das nochmal eine andere Geschichte, auch eine andere Distanz als in Europa. Entscheidend ist dabei aber immer die Tagesform. Ehrlich gesagt würde ich mich vor denen nicht verstecken wollen.
Die andere große Story dieser EM war das starke Turnier von Dennis Schröder. Wie haben Sie ihn als Kapitän des DBB-Teams und insgesamt während der EuroBasket wahrgenommen? In Deutschland wurde er ja lange kritisch beäugt.
Obst: Er war unangefochten unser Leader, der den Ton angegeben hat - auf dem Feld und abseits des Feldes. Um ihn herum gab es etwas mehr Trubel, aber er selbst hat jedem einzelnen bewiesen, dass er der klare Anführer dieser Mannschaft ist. Er hat das überragend gemacht. Nicht nur hat er selbst super gespielt, sondern er hat auch für seine Teamkollegen alles gemacht, sie in Szene gesetzt und sie unterstützt.
Waren Sie überrascht, dass Schröder so lange auf einen neuen NBA-Vertrag warten musste?
Obst: Ein bisschen überrascht war ich schon. Aber am Ende weiß ich auch nicht, was im Hintergrund alles abgeht, wie die Verhandlungen laufen. Thema in der Kabine war das nicht, das ist seine private Angelegenheit.
Was trauen Sie ihm nun bei den Lakers zu? Die Situation des Teams ist ja nicht ganz so einfach ...
Obst: Ehrlich gesagt weiß ich nicht genau, wie der Kader der Lakers im Detail aussieht. Aber ich denke, dass er der Mannschaft eine Menge geben kann mit seinem Willen und seinem Biss. Sein erster Schritt ist unglaublich schnell, er kann am Korb finishen, seine Mitspieler in Szene setzen. Defensiv kann er eine ziemliche Klette sein.
Ist die NBA eigentlich auch für Sie ein Thema? Ist das ein Traum von Ihnen, den Sie sich gerne erfüllen würden?
Obst: Aktuell schaue ich da nicht drauf. Wenn es klappen sollte, schön. Aber mein großes Ziel ist es erst einmal, mich in der EuroLeague zu etablieren. Das Thema NBA gehe ich ziemlich entspannt an.
Andi Obst: "Albas Meisterserie schmeckt uns überhaupt nicht"
Apropos EuroLeague. Wie sehen denn da in dieser Saison die Ziele des FC Bayern aus?
Obst: Ich war ja anfangs nicht dabei, als wir über unsere Zielsetzung gesprochen haben. (lacht) Wir wollen uns aber auf jeden Fall in jedem Spiel die Chance erarbeiten, die Partie zu gewinnen. Dafür müssen wir hauptsächlich auf uns schauen und als Mannschaft zusammenfinden. Im ersten Spiel gegen Fenerbahce haben wir gemerkt, dass dies noch etwas Zeit braucht nach einer Vorbereitung, in der eben viele Spieler gefehlt haben.
Die Ziele in der BBL dürften klar sein, endlich mal wieder Alba Berlin nach drei Meistertiteln in Folge vom Thron stoßen. Was macht Sie zuversichtlich, dass das 2022/23 gelingen kann?
Obst: Die Meisterserie von Alba schmeckt uns natürlich überhaupt nicht. Wir haben junge, hungrige Spieler, die bereit sind, alles zu geben und den nächsten Schritt zu gehen. Der Kader wird mit erfahrenen Spielern abgerundet, die nochmal angreifen wollen. Wir haben eine sehr gute Mannschaft beisammen.
Sie gehen in Ihr zweites Jahr beim FC Bayern Basketball, die erste Saison wurde von einigen Höhen und Tiefen begleitet. Wie blicken Sie auf Ihre Premierensaison in München zurück?
Obst: Trotz einiger Rückschläge ganz positiv. Ich hatte zwei Corona-Infektionen, das war ein bisschen bitter. Aber ich habe mich, so gut es ging, da rausgekämpft. Jetzt bin ich sehr gespannt auf meine zweite Saison.
Unter Head Coach Andrea Trinchieri reduzierten sich Ihre Einsatzzeiten in der EuroLeague im Vergleich zur BBL. Als Außenstehender kennt man ihn als sehr aufbrausenden Trainer, wie ist es als Spieler, unter ihm zu spielen? Sie kennen sich schon aus gemeinsamen Bamberger Zeiten.
Obst: Grundsätzlich ist er genauso so, wie er nach außen hin wirkt. Aufbrausend trifft es ganz gut. Er scheut nicht davor zurück, Emotionen zu zeigen. Er hat sehr viel Temperament, bringt dadurch sehr viel Feuer ins Spiel. Er ist ein fordernder und harter Trainer, aber hat auch ein sehr gutes Basketballverständnis, das uns alle weiterbringt.
Andi Obst: "Hoffentlich hält der Boom noch eine Weile an"
Wie sah denn Ihre Vorbereitung auf die neue BBL-Saison aus? Viel Zeit war nicht zwischen EuroBasket und Saisonstart, für Sie tatsächlich nur knapp zwei Wochen.
Obst: Knapp eine Woche hatte ich noch frei, damit sich mein Körper etwas erholen konnte. Anschließend bin ich wieder zur Mannschaft ins Training zurückgekehrt - das war wirklich eine sehr kurze Vorbereitung.
Haben Sie trotzdem jeden Tag drölfhundert Dreier genommen, um Ihr heißes Händchen nicht zu verlieren oder wie darf man sich die Vorbereitung vorstellen?
Obst: Das gehe ich ganz locker an. Ich muss noch schauen, dass ich Kräfte sammle und meinen Körper wieder richtig in Fahrt bekomme. Aber meine Routinen habe ich natürlich fortgesetzt.
Ist es für Sie schwierig, nach der EM-Euphorie in den "BBL-Alltag" zurückzuwechseln?
Obst: Das ist kein Problem. Klar, so ein Turnier ist was ganz Anderes, du spielst jeden zweiten Tag, bist die ganze Zeit im Hotel. Jetzt sind wir aber auch mal Zuhause und können die Freizeit nutzen und genießen. Das erleichtert das Ganze.
Drei Spiele hat der FC Bayern in der Bundesliga bereits absolviert. Nehmen Sie noch die Überbleibsel des EM-Hypes wahr? Oder ist er schon wieder verflogen?
Obst: Man spürt schon noch den Hype. Wie gesagt, viele Fans kommen immer noch mit Glückwünschen auf uns zu. Der Verein hat beispielsweise Nick (Weiler-Babb, Anm. d. Red.) und mich geehrt. Das ist ein Zeichen, dass der Boom noch etwas nachhallt. Hoffentlich hält das noch eine Weile an.
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