Das Leben ohne Dirk Nowitzki beginnt jetzt: Der DBB muss die Lehren aus der EM ziehen und die zahlreichen Talente heranführen. Die positivste Nachricht: Mit Heiko Schaffartzik gibt es einen neuen Go-to-Guy. Die fünf wichtigsten Fragen nach dem Aus in der Zwischenrunde.
Was lehrt das Ausscheiden in der Zwischenrunde?
Im deutschen Basketball herrscht ein eklatanter Mangel an Guards, die athletisch, schnell oder ausreichend groß sind, um zum Korb zu ziehen und dort hochprozentig abzuschließen. Der DBB-Kader quoll über an Spielern mit einem ordentlichen bis guten Dreier-Wurf (Schaffartzik, Schwethelm, Herber, Staiger) - doch nur in Ausnahmen Schaffartzik und Hamann sahen sich befähigt, hier und da zu penetrieren.
Ein Beleg dessen ist eine bittere Statistik: Mit dem Ziel nach Litauen gereist, die meisten Freiwürfe aller Teams zu bekommen, ist Deutschland unter den 24 Teilnehmern nicht einmal unter den Top 20 zu finden.
Aus diesem Grund wurde Hamann trotz teils massiver Anfeindungen aus Deutschland am fünfthäufigsten eingesetzt (24,3 Minuten). Zwar ist sein Wurf eine Schmach, aber gänzlich ohne Drives zum Korb wäre das DBB-Team noch berechenbarer gewesen.
Das Überangebot an Shootern hatte eine zweite, äußert negative Folge: Weil drei der fünf Spieler in der Regel an der Dreierlinie kleben blieben und Nowitzki ohnehin bei jeder Aktion behindert wurde, zeichnete fast ausschließlich Kaman für die Arbeit am gegnerischen Brett verantwortlich.
Entsprechend desolat die Zahlen: Während Deutschland die meisten Defensiv-Rebounds verbuchte, rangiert es bei den Offensiv-Rebounds nicht unter den ersten 20 - weswegen es kaum Zweitwurf-Chancen gab. Mit 57,8 genommenen Würfen pro Spiel belegt das DBB-Team nur Platz 19.
Bleibt die Hoffnung, dass Elias Harris' Rückkehr im kommenden Sommer eine neue Dimension in das deutsche Offensivspiel bringt: Mit seiner amerikanisch-physischen Spielweise und dem Drang in die Zone könnte der Small Forward den gegnerischen Big Man an sich binden, so dass Pleiß/Jagla/Ohlbrecht aus der Mitteldistanz oder die Guards von der Dreierlinie zu offeneren Würfen kommen.
Nowitzkis letztes Länderspiel: Eine Liebeserklärung zum Schluss
Wie sehr ein ziehender Swingman der Mannschaft hilft, zeigte das Litauen-Spiel: Benzing kombinierte fabelhaft sein Inside- und Outside-Game, so dass sich der Gegner kaum auf ihn einzustellen vermochte und daher auch kaum dazukam, Chris Kaman zu doppeln, ohne Dirk Nowitzki zu vernachlässigen.
Am eigenen Korb jedoch offenbarte sich nicht nur gegen Litauen ein weiterer Malus: Die fehlende Größe/Athletik der Guards schmerzt nicht nur im Angriff, sondern auch in der Verteidigung. Erst recht, wenn das Timing zum richtigen Switchen so wenig miteinander abgestimmt ist.
Die Litauer, zuvor aber auch Serbien und Frankreich, spielten immer wieder die gleichen Pick'N'Roll-Züge. Doch das DBB-Team sah sich nicht in der Lage einzuschreiten - was mit den für FIBA-Verhältnisse zu schwerfälligen Nowitzki und Kaman genauso zusammenhängt wie mit der fehlenden Qualität und Übersicht einiger Mitspieler.
2. Frage: Wie geht es weiter mit Dirk Nowitzki?
3. Frage: Verschwindet der Basketball in der Versenkung?
4. Frage: Wer wird das Gesicht der neuen Nationalmannschaft?
5. Frage: Wer wird neuer Bundestrainer?
Wie geht es weiter mit Dirk Nowitzki?
So recht wusste Nowitzki noch nicht, was er mit der einen Woche Freizeit mehr anzufangen hat. "Ich werde erst einmal überlegen müssen, wie es weitergeht", sagte der 33-Jährige.
Anfang nächster Woche steht ein großes TV-Interview an, in dem er zusammen mit Kommentator Frank Buschmann auf seine 14 Jahre in der Nationalmannschaft und 140 Länderspiele zurückblickt. Daraufhin fliegt er in den Urlaub, wohin und für wie lange, wollte er nicht verraten.
Je nachdem, wie sich die Lockout-Situation in der NBA darstellt, "steige ich dann wieder ins Training ein. Zuletzt haben sich beide Parteien wohl angenähert. Auf jeden Fall will ich nicht wieder bei Null beginnen wie in diesem Sommer", sagt Nowitzki.
Zunächst besteht Bedarf nach Regeneration: In der NBA spielte er trotz seiner 33 Jahre den besten Basketball seines Lebens, bei der EM hingegen fehlten die Kraft und die Inspiration. Weil die europäischen Schiedsrichter wesentlich mehr Härte zuließen, konnte er sich nicht bis zum Korb durchtanken und Freiwürfe provozieren, um so in eine Partie zu finden.
Obwohl zahlreiche übertrieben forsche Angriffe nicht geahndet wurden, kam Nowitzki am Ende des Turniers auf 53 Fouls gegen ihn. Macht alle 4,5 Spielminuten eine Regelwidrigkeit. Dass ihm dennoch ein aus statistischer Sicht ordentliches Turnier gelang, ehrt ihn: 19,5 Punkte, 42,1 Prozent Dreier-Quote, 93,3 Prozent Freiwurf-Quote, 6,6 Rebounds.
Mit insgesamt 21 Zählern mehr hätte er sogar den EM-Allzeit-Punkte-Rekord der griechischen Basketball-Legende Nikos Galis eingestellt. Die Gelegenheit, dies nachzuholen, bietet sich womöglich bei der EM 2015, wofür sich Deutschland mitbewirbt. Die EM 2013 und WM 2014 wird Nowitzki jedoch so gut wie sicher auslassen.
1. Frage: Was lehrt das Ausscheiden in der Zwischenrunde?
3. Frage: Verschwindet der Basketball in der Versenkung?
4. Frage: Wer wird das Gesicht der neuen Nationalmannschaft?
5. Frage: Wer wird neuer Bundestrainer?
Verschwindet der Basketball in der Versenkung?
Bei aller Betrübtheit wegen Nowitzkis vorerst letzten Länderspiels - die Antwort lautet: nein. Einschaltquoten wie etwa im Italien-Spiel, als in der Spitze 1,6 Millionen Zuschauer am Fernseher mitfieberten, sind ohne den NBA-Superstar kaum denkbar.
Und es bleibt fraglich, ob "ARD" und "ZDF" ausgerechnet jetzt neugieriger auf die Sportart sein werden, nachdem sie sich selbst zu Nowitzki-Zeiten als nicht besonders Basketball-interessiert zeigten. Ein Einsteigen eines der großen Privatsender wie "RTL" oder "Sat.1" war mit Nowitzki als Testimonial nicht völlig abwegig, nun ist Basketball ohne die entsprechende Star-Power für die großen Sender aber nicht vermittelbar.
Die Sportart bleibt in der Nische, in der Versenkung verschwindet sie jedoch nicht.
So enttäuschend das frühzeitige Ausscheiden bei der EM 2011, WM 2010 und EM 2009 auch gewesen sein mag: Die Mannschaft hat durchaus das Potenzial, zukünftig zwar nicht sofort zu den führenden Nationen zu zählen, aber sich in der Verfolgergruppe dahinter zu etablieren.
"Ich bin mir sicher, dass einige von unseren Talenten bald zu Europas Spitze zählen werden. Ich mache mir keine Sorgen", sagt Heiko Schaffartzik. Bundestrainer Dirk Bauermann sieht es genauso: "Diese EM war ein großer Schritt in die Richtung europäisches Top-Niveau."
1. Frage: Was lehrt das Ausscheiden in der Zwischenrunde?
2. Frage: Wie geht es weiter mit Dirk Nowitzki?
4. Frage: Wer wird das Gesicht der neuen Nationalmannschaft?
5. Frage: Wer wird neuer Bundestrainer?
Wer wird das Gesicht der neuen Nationalmannschaft?
Es war womöglich die positivste Erkenntnis der EM: Bei aller Nowitzki-Kaman-Zentrierung auf dem Court wie auch in der Außendarstellung zeichnete sich bereits in Litauen klar eine neue Mannschaft ab.
Der zukünftige Anführer wird Heiko Schaffartzik sein, dessen Größe ihn nicht zur absoluten europäischen Elite befähigt, der dafür aber mit Herz und Hirn spielt und dazu einen fantastischen Dreier und Nervenstärke einbringt. Er war eine Konstante des DBB-Teams, sportlich (in 7 von 8 Spielen eine zweistellige Punkteausbeute) und als geduldiger Interview-Partner für die Medien.
Erstaunlich, wie es dem 27-Jährigen gelang, jederzeit Leistung zu erbringen (10,6 Punkte, 3,9 Assists, 3,3 Rebounds), obwohl er zwischen der Shooting-Guard- und Point-Guard-Position wechseln musste und mal als Starter oder als Energiebringer von der Bank gefragt war.
Hervor tat sich auch der 22-jährige Robin Benzing. Ihm gelang bei der EM genau dieser eine entscheidende Schritt, der aus einem Talent einen gestandenen Basketball-Profi macht. Während bei Ohlbrecht, Schwethelm, Staiger und Pleiß nach wie vor die typischen Unbeständigkeiten eines Nachwuchsspielers zu beobachten waren, wirkte Benzing körperlich, aber vor allem mental wesentlich stabiler als ein Jahr zuvor.
Seine 18 Punkte gegen Litauen und 14 Punkte gegen Italien fielen besonders auf, doch am bezeichnendsten war es, wie er sich regelrecht in ein Spiel zu kämpfen versuchte, wenn der Wurf nicht fiel. Statt zu verzagen und wie in der Vergangenheit Turnover oder unsinnige Fouls zu begehen, blieb der zukünftige Bayern-Spieler fokussiert und versuchte, sich gute Wurfpositionen zu erarbeiten. Eine Dreierquote von 52,6 Prozent kommt nicht von ungefähr.
Neben Schaffartzik und Benzing werden zum Kern der neuen Mannschaft Center Tibor Pleiß, Tim Ohlbrecht, Philipp Schwethelm, Lucca Staiger sowie die beiden erfahrenen Jan Jagla und Johannes Herber gehören, ebenso der in diesem Sommer pausierende Überathlet Harris.
Inwiefern es von Nowitzki, Kaman und Trainer Bauermann abgesehen zu weiteren Rücktritten oder Ausmusterungen kommt, hängt vermutlich vom neuen Coach ab. Sven Schultze könnte aufhören, auch bei Hamann stellt sich die Frage, ob er mit seinen 30 Jahren noch gewillt ist für einen Neuaufbau, ähnlich ergeht es Demond Greene.
Erfreulich: Anders als in den Jahren zuvor drängt aus dem Nachwuchsbereich eine Schar an neuen Spielern nach. College-Champion Niels Giffey (Small Forward/Shooting Guard) gehört ebenso zu den Kandidaten wie die U-20-Kollegen Daniel Theis (Power Forward) und Mathis Mönninghoff (Small Forward/Shooting Guard). Außerdem erwähnte Bauermann während der EM explizit den Namen seines Bayern-Schützlings Bogdan Radosavljevic. Der 2,12 Meter große Center wurde zuletzt ins All-Star-Team der U-18-EM berufen und wird von NBA-Scouts beobachtet.
1. Frage: Was lehrt das Ausscheiden in der Zwischenrunde?
2. Frage: Wie geht es weiter mit Dirk Nowitzki?
3. Frage: Verschwindet der Basketball in der Versenkung?
5. Frage: Wer wird neuer Bundestrainer?
Wer wird neuer Bundestrainer?
Bauermann fügte sich nicht polternd, aber vernehmbar verärgert der Direktive der BBL und beschränkt sich auf den Job bei Aufsteiger FC Bayern. Wer folgt ihm jedoch als Bundestrainer?
Als Favorit galt gemeinhin Franz Menz, erfolgreicher Trainer der A 2 (Universiade-Platz 6) und U 20 (EM-Platz 5) des DBB. Ebenso ein interner Kandidat: Kay Blümel, der die U 18 vor einem Jahr ins Finale beim prestigereichen Albert-Schweitzer-Turnier führte. Genannt werden ebenso Hansi Gnad und Stephan Baeck, die in diesem Sommer Bauermann assistierten.
Große Namen des europäischen Basketballs schließt Präsident Ingo Weiss zwar nicht aus - doch sie dürften gemeinhin zu teuer sein. Ein Ettore Messina oder ein Svetislav Pesic werden anders als Bauermann auf ein Gehalt im siebenstelligen Bereich oder nicht viel darunter bestehen.
Coaches aus der BBL, ob nun die Koch-Brüder, Bambergs Chris Fleming, Albas Gordon Herbert, werden eher kleine Chancen eingeräumt. Anders als NBA-Executive Tony DiLeo, der sein Interesse am Amt des Bundestrainers bereits bestätigte.
1. Frage: Was lehrt das Ausscheiden in der Zwischenrunde?
2. Frage: Wie geht es weiter mit Dirk Nowitzki?
3. Frage: Verschwindet der Basketball in der Versenkung?
4. Frage: Wer wird das Gesicht der neuen Nationalmannschaft?