Die vier Wege zur deutschen Sensation

Haruka Gruber
11. September 201119:29
Der DBB muss den Zwischenrunden-Abschluss gegen Litauen in einem Hexenkessel bestreitenGetty
Werbung

Willkommen in der grünen Hölle! Dirk Nowitzki und das DBB-Team gehen als krasse Außenseiter ins Endspiel ums EM-Viertelfinale (So., 19.45 Uhr im LIVE-TICKER). Doch die Litauer haben ihre Schwächen - wenn auch nur wenige.

SPOX

Die Ausgangslage: Deutschland muss Litauen besiegen, um eine Chance auf das Viertelfinale zu wahren. Sollte die Türkei zuvor die Serben bezwingen, würde dem DBB-Team ein Sieg reichen, egal wie hoch er ausfällt. Im Falle eines serbischen Erfolgs wäre Deutschland zu einem Sieg mit 11 Punkten Vorsprung verdammt.

SPOX fragte bei den gegen die Gastgeber siegreichen Franzosen nach Ratschlägen für das DBB-Team.

Das Rezept gegen den Höllenlärm von Vilnius

Ungeachtet dessen, ob NBA-Superstars wie der Deutsche Dirk Nowitzki und der Spanier Pau Gasol aufeinandertreffen oder Georgien und Mazedonien - die 11.000 Zuschauer fassende Arena in Vilnius ist nicht einmal zu einem Drittel besetzt.

Wenn jedoch die Sonne untergeht und die Litauer ihr Abendspiel bestreiten, verwandelt sich die Spielstätte in eine "Hölle", wie es Bundestrainer Dirk Bauermann bezeichnet. Mehr als zwanzig Mal pro Partie überschreitet der Lärmpegel die Dezibelstärke von 100.

VOTING Die Top-3-Plays des Tages

Selbst ohne physische Betätigung fällt das Nachdenken ob dieses Radaus schwer.

Wie soll die unerfahrene, deutsche Mannschaft mit diesen Umständen umgehen? Serbien beispielsweise hielt eine Halbzeit gut dagegen und kapitulierte dann doch vor der litauischen Dreier-Flut und der litauischen Lärm-Wut. Mental und körperlich erschöpft, ging Serbien im Spiel darauf gegen Spanien mit 59:84 unter.

Frankreich hingegen bezwang Litauen in deren Halle. Zwar drohte die Partie immer wieder zugunsten der Gastgeber zu kippen, doch die Equipe behielt jederzeit die Contenance und kam letztlich zu einem souveränen 73:67-Erfolg - auch weil sie nervlich auf den extremen Akustik-Stress vorbereitet war, wie NBA-Profi Boris Diaw gegenüber SPOX verrät.

"Man kann sich durchaus einstellen. Wir wussten, dass die Litauer einen unglaublichen Krawall veranstalten, aber der Vorteil ist, dass sich die Lautstärke an sich kaum verändert. Es ist wie ein Grundrauschen, mit dem man sich abfinden kann", sagt Diaw.

"Daher sollten sich die Deutschen nicht verrückt machen lassen und mit einer positiven Grundeinstellung reingehen. Am Ende ist es nur Lärm, und Lärm kann keine Punkte machen."

Heiko Schaffartzik glaubt daran, dass das DBB-Team der grünen Hölle gewachsen ist: "Entweder man hat es in sich oder nicht. Wir haben es in uns!"

Das Rezept gegen den Höllenlärm von Vilnius

Das Rezept gegen das Pick'n'Roll

Das Rezept gegen die litauischen Guards

Das Rezept "Dirk Nowitzki"

SPOX

Das Rezept gegen das Pick'n'Roll

Kein Spielzug wird im Basketball so häufig aufgerufen wie das Pick'n'Roll. Die Litauer vervollkommneten diesen fast zur Perfektion und nutzen ihn bei jeder sich ergebenden Gelegenheit. Aus deutscher Sicht eine schlechte Kunde, gehört die Verteidigung des Pick'n'Rolls doch zu den größten Schwächen des DBB-Teams.

Die Franzosen machten es aber vor, wie das Pick'n'Roll wirksam gestört werden kann. "Das Entscheidende ist Pressure, Druck. Wenn Litauen im Angriff war, sind wir Risiko gegangen und haben wenn möglich mit drei Spielern Druck auf den ballführenden Litauer und den blockstellenden Litauer aufgebaut", sagt Frankreichs Nationaltrainer Vincent Collet auf SPOX-Nachfrage.

Dies würde jedoch eine Sache bedingen: "Voraussetzung ist eine gute Rotation in der Defensive. Zwei, drei Mal haben wir nicht aufgepasst und dann stand ein dritter Gegenspieler frei und traf seinen Wurf."

Genau das darf den Deutschen nicht allzu oft passieren. "Litauen ist eine sehr stark offensivorientierte Mannschaft, die über ihre Feuerkraft kommt", weiß Bauermann. Aber: "Wenn sie nicht treffen, wirken sie verunsichert."

Immerhin: Der deutschen Mannschaft geht im Gegensatz zu Frankreich zwar die Athletik ab, um über 40 Minuten die Intensität hochzuhalten, aber gegen die Türkei und zuvor gegen Spanien verteidigte sie das Pick'n'Roll wesentlich effektiver als in der Vorbereitung und EM-Vorrunde. Hier und da brechen noch immer große Löcher auf, doch mittlerweile scheinen sich die Spieler beim Switchen des Gegenspielers besser zu verständigen.

Das Rezept gegen den Höllenlärm von Vilnius

Das Rezept gegen das Pick'n'Roll

Das Rezept gegen die litauischen Guards

Das Rezept "Dirk Nowitzki"

SPOX

Das Rezept gegen die litauischen Guards

Ein Schlüssel wird das Matchup auf den Guard-Positionen sein. Sarunas Jasikevicius (35 Jahre) und Rimantas Kaukenas (34) verfügen noch immer über eine herausragenden Wurf und einen außergewöhnlichen Basketball-IQ - doch mit dem Alter schwindet der Antritt.

Entsprechend attackierte Frankreich mit seinen Guards Tony Parker und Nando de Colo diese beiden gezielt, was zur Folge hatte, dass Jasikevicius wie auch Kaukenas ihre schlechtesten Leistungen der EM zeigten.

Jasikevicius beging 5 Turnover und 3 Fouls, Kaukenas traf nur 28,6 Prozent seiner Würfe (2/7), obwohl die Quote in den sechs Spielen zuvor immer bei 66,7 Prozent oder höher gelegen hatte. Gleichzeitig gelang es den beiden nie, Parker (19 Punkte, 9/16) und de Colo (21 Punkte, 8/14) vom Scoren abzuhalten.

Wie gut kennst Du Dich mit der Basketball-EM aus? Teste Dein Wissen und mach' mit bei unserem Facebook-Quiz!

"Es geht darum, das Tempo zu kontrollieren", sagt Frankreichs Trainer Vincent Collet. Diaw ergänzt: "Wenn man das Pick'n'Roll gut verteidigt und dann die Passwege zumacht, um einfache Anspiele zu verhindern, müssen die Guards zwangsläufig werfen oder eine andere überhastete Entscheidung treffen."

Imwiefern die deutschen Guards zu einer ähnlichen Leistung in Stande sind, wird eine der wichtigsten Fragen gegen Litauen sein. Zumindest ist Schaffartzik eine Vorstellung wie jene von de Colo zuzutrauen.

Das Rezept gegen den Höllenlärm von Vilnius

Das Rezept gegen das Pick'n'Roll

Das Rezept gegen die litauischen Guards

Das Rezept "Dirk Nowitzki"

SPOX

Das Rezept "Dirk Nowitzki"

Es scheint offensichtlich, dass der Dirk Nowitzki der EM nicht der Gleiche ist wie der Dirk Nowitzki aus den NBA-Playoffs. Ihm mangelt es an körperlicher Regeneration und mentaler Frische, entsprechend sind die Leistungen. Beileibe nicht schlecht, aber auch nicht zu vergleichen mit jenen Heldentaten von der EM 2005 oder der Olympia-Qualifikation 2008.

Für das Gelingen einer Sensation ist ein Nowitzki in Glanzform gegen Litauen jedoch unabdingbar - und die Vorzeichen stehen nicht einmal allzu schlecht. Die Litauer verfügen über einen tiefen und flexiblen Frontcourt, ihnen fehlt aber ein kompletter Spielertypus, der es mit Nowitzki aufnehmen könnte.

Entweder sind sie bei aller Klasse zu klein (Darius Songaila, Paulius Jankunas) oder zu behäbig (Ksistof Lavrinovic, Robertas Javtokas). NBA-Draft-Pick Jonas Valanciunas (Toronto Raptors) bietet sich mit seiner Kombination aus Größe (2,11 Meter), Athletik und emsiger Verteidigung als ein möglicher Nowitzki-Stopper an. Ob er mit seinen 19 Jahren gegen den ausgebufften Nowitzki mithalten kann, bleibt fraglich.

Eine Randnotiz für Nowitzki, eine Statistik mit historischem Ausmaß für den europäischen Basketball: Der 33-Jährige schert sich zwar wenig um individuelle Auszeichnungen und dürfte daraus keine Motivation ziehen. Sollten ihm dennoch gegen Litauen 37 Punkte gelingen, würde er den EM-Scoring-Rekord von Griechenlands Basketball-Legende Nikos Galis (1004 Zähler) einstellen.

Das Rezept gegen den Höllenlärm von Vilnius

Das Rezept gegen das Pick'n'Roll

Das Rezept gegen die litauischen Guards

Das Rezept "Dirk Nowitzki"