"Dann legt ein Oligarch zwei Mio. auf den Tisch"

Haruka Gruber
08. September 201308:32
DBB-Präsident Ingo Weiss (l.) mit seinem Coach Frank Menzimago
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Mit der bevorstehenden Ernennung von Thomas Bach zum IOC-Präsidenten gilt Ingo Weiss als Kandidat auf das höchste Sport-Amt in Deutschland. Doch der 49-Jährige will beim DBB bleiben - und plant offenbar einen Coup. Die EM 2017 soll nach Deutschland. Oder sogar schon 2015? Außerdem spricht der Verbandspräsident vor dem Auftakt gegen Frankreich (Mittwoch, 21 Uhr im Live-Stream bei SPOX) über seine Erwartungen bei der EM (Jeden Tag ein Spiel im LIVE-STREAM FOR FREE bei SPOX).

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SPOX: Die deutsche Öffentlichkeit rätselt, wie stark oder wie schwach das DBB-Team ist. Wie lautet die Meinung des Verbands-Präsidenten vor dem EM-Auftakt gegen Frankreich?

Ingo Weiss: Der Spielplan ist prickelnd. Zum Start Frankreich, dann folgen vier weitere Spiele, die man alle verlieren, aber auch alle gewinnen kann. Es kann alles passieren: Wir sehen die Mannschaft am Ende unter den besten sechs Teams oder die Mannschaft fährt schon nach der Vorrunde nach Hause. Ohne ein konkretes Ziel nennen zu wollen: Ich würde mir die Zwischenrunde wünschen.

SPOX: Der bisherige Verzicht von Ihnen auf eine Zielsetzung wurde als Jobgarantie für Bundestrainer Frank Menz uminterpretiert, sollte die EM enttäuschend verlaufen. Stimmt die Annahme?

Weiss: Jobgarantie... wir sind nicht im Fußball, der Basketball tickt anders. Wenn Frank Menz 6 Spiele in Serie verliert, schmeißen wir ihn nicht gleich raus. Wir wollen in Ruhe und ordentlich etwas aufbauen und wir wollen mit Franz Menz zu den Olympischen Spielen fahren. Daher ist es mir egal, ob man es als Jobgarantie oder eine konzeptionelle Zusammenarbeit bezeichnet. Das Entscheidende in Slowenien: Ich möchte, dass die Nationalmannschaft zeigt, dass sie gar nicht so schlecht ist, wie sie von einigen dargestellt wird. Und dass man einen klaren Weg erkennt Richtung 2016. Wenn wir ehrlich sind: Die FIBA hört es zwar nicht gerne, aber für mich ist die EM 2013 nicht so wichtig. Man kann sich einzig für die WM 2014 qualifizieren, was ebebfalls nicht das allerwichtigste ist. Für Deutschland als Sport-Nation zählen vor allem die Olympischen Spiele. Daher ist alles auf die EM 2015 ausgerichtet, wo die junge Mannschaft zeigen muss, was sie draufhat, um 2016 nach Rio zu kommen.

SPOX: Sie nehmen Ihrer Mannschaft für diese EM also komplett den Druck?

Weiss: Es soll nicht falsch rüberkommen: Es wäre nicht gut, nach Slowenien zu fahren und jedes Spiel zu verlieren. Alleine schon wegen der Signalwirkung. Die BBL entwickelt sich prächtig und gewinnt an Qualität und Fans. Um den Basketball weiter populärer zu machen, benötigt man jedoch die Nationalmannschaft als vernünftiges Zugpferd. Daher wagen wir den Umbruch, um spätestens 2015 oben anzugreifen. Die Voraussetzungen dafür sind gegeben. Der Kern ist jung und entwicklungsfähig, alleine wenn ich Tibor Pleiß sehe. Er ist erst 23 Jahre alt und kann noch 10 Jahre auf höchstem Niveau spielen. Das gilt für viele andere. Alleine am US-College sind gerade über 20 deutsche Spieler. Und wer mich vor 5 Jahren gefragt hätte, wie viele NBA-Spieler aus Deutschland wir 2013 haben werden, wäre meine Antwort wohl gewesen: "Nur einen, Dirk." Stattdessen haben wir plötzlich fünf NBA-Profis. Meine Traumstrecke nach Rio lautet: Mit dem einen oder anderen Sieg bei der EM überraschen, sich wenn möglich für die WM 2014 qualifizieren und bei der EM 2015 die Olympischen Spiele 2016 perfekt machen.

Das DBB-Team in der Kaderanalyse

SPOX: Ist das Zweckoptimismus?

Weiss: Nein, wir müssen uns keine zu großen Sorgen machen. Vor einigen Jahren unkten einige, dass der Basketball in Deutschland zusammenbricht, wenn Nowitzki aufhört. Stattdessen hat sich der deutsche Basketball in der Breite deutlich verbessert. Das wird sich auszahlen.

SPOX: Nur die TV-Bosse scheinen davon nicht viel mitzubekommen.

Weiss: Ich finde es sehr schade, dass die Fernsehsender in der Vorbereitung nichts annahmen und nichts machten. Wenn ich als ARD Quoten haben wollen würde für die 3 deutschen Vorrunden-Spiele, die SPOX nicht zeigt, muss ich die Zuschauer anfüttern.Man muss sein Produkt verkaufen. Alleine die EM-Generalprobe gegen Schweden wäre spannend gewesen. Daher bin ich schon traurig. Mein Lieblingsbeispiel: Als vor einigen Jahren der Fernsehfilm "Das Wunder von Lengede" aufgestrahlt wurde, hingen mehrere Wochen lang an allen Litfaßsäulen Plakate. Dass bei so einer Werbung Wahnsinnsquoten erzielt werden, ist klar. Zur Basketball-EM hingegen finde ich nicht einmal in der Fernsehzeitschrift einen Hinweis darauf, dass die EM neben SPOX bei ARD läuft. Und dann heißt es hinterher dennoch wieder, dass sich keiner für Basketball interessiert und die Quoten das beweisen würden.

SPOX: Wie wird die Übertragungssituation in einer möglichen Zwischenrunde aussehen? Die ARD will erst kurzfristig entscheiden.

Weiss: Ja, es könnte so kommen, dass es eine Hängepartie gibt. Die ARD muss schauen, wo sie Plätze freiräumen kann.

SPOX-Chefredakteur Haruka Gruber und DBB-Präsident Ingo Weiss im Interview

SPOX: Basketball konkurriert mit Handball und Eishockey um den Platz hinter Fußball. Hat der Basketball die Chance, sich trotz der schwierigen TV-Lage zu behaupten?

Weiss: Für uns alle gibt es einen Kuchen, der wegen der demografischen Entwicklung leider immer kleiner wird. Der Fußball greift sich das meiste ab, wobei noch ein ordentlicher Kuchenrest übrig bleibt, um den der Basketball in einer positiven Konkurrenz zu den anderen Sportarten steht. Dabei sind wir gut aufgestellt. Wir bauen eine neue, junge, schlagkräftige Nationalmannschaft auf. Die Liga ist im Aufschwung, auch dank der Bayern und deren tolles Konzept. Und die FIBA hat mit dem 3x3 eine super Geschichte entwickelt. Das 3-gegen-3 wird mit Sicherheit olympisch, vielleicht schon 2016, spätestens 2020. Wir besitzen damit ein neues Instrument, um die Leute für den Basketball zu begeistern. Das alles wird registriert. Im Juli war ich bei der NBA und sie bestätigten mir, wie wichtig Deutschland als europäischer Partner ist. Früher gab es nur Spanien, aber der deutsche Basketball wird als zuverlässiger und kompetenter Partner wahrgenommen.

Hier geht's zu Teil II: Weiss über seine Erfahrungen als Trainer und Schiri

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SPOX: Ärger gab es hingegen mit der FIBA. Deutschland ging bei der Vierer-Bewerbung um die EM 2015 mit Frankreich, Italien und Kroatien leer aus, stattdessen bekam Ukraine den Zuschlag. Ist Ihre große Verärgerung von damals verraucht?

Weiss: Nein, es ist selbst zwei Jahre später noch immer enttäuschend. Es hätte nicht sein sollen. Allerdings: Vielleicht ist es sogar gut, wie es lief.

SPOX: Wieso das?

Weiss: Wer weiß, was passiert wäre, wenn wir die FIBA-Verträge blind unterschrieben hätten? Es ging um eine geforderte Garantie von 8 Millionen Euro. Die Ukraine ist aber immer noch mit 2 Millionen Euro im Rückstand, die sie zahlen müssen. Sie versprachen alles, nichts wurde gehalten. Jetzt müssen wir abwarten, bis die Ausschreibung für die EM 2017 herauskommt.

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SPOX: Gibt es Gedankenspiele des DBB zur EM 2017?

Weiss: Wenn eine WM oder EM ausgeschrieben wird, überlegen wir immer. Gerade in dieser heutigen Zeit. Angesichts der Wirtschaftskraft von Deutschland würde eine Großveranstaltung Sinn machen. Das letzte große Turnier bei den Männern war die EM 1993 und bei den Frauen die WM 1998. Nur: Die Rahmenbedingungen müssen passen. Die FIBA wollte zur EM 2015 nicht nur die 8 Millionen Euro versprochen haben, sondern zusätzlich 19 Prozent Mehrwertsteuer. Weil die Übertragungsrechte auch bei der FIBA liegen, stehen uns dem gegenüber nur Zuschauereinnahmen und eventuelle Zuschüsse vom Staat.

SPOX: Sollte die Ukraine in weitere Schwierigkeiten geraten und sogar die Ausrichtung der EM 2015 in Gefahr sein: Würde der DBB einspringen?

Weiss: Denkbar ist wie immer alles, daher wäre es nicht komplett ausgeschlossen. Ich glaube dennoch nicht, dass sich die Ukraine die Blöße gibt. Es gibt es paar Oligarchen und am Ende des Tages legt einer von ihnen die 2 Millionen Euro auf den Tisch. Die Problematik ist nur: Es wird immer enger und die EM 2015 ist schon übermorgen. Daher sollte man sich zum Beispiel überlegen, ob wirklich noch die 6 neuen Hallen gebaut werden, die zugesichert wurden. So langsam sollte man damit anfangen.

SPOX: Der DBB wäre gesprächsbereit?

Weiss: Da will ich nichts dazu sagen, das wäre der Ukraine gegenüber unfair. Ich freue mich auf die Basketball-EM in der Ukraine, nicht weniger und nicht mehr. Alles andere müssen die Verantwortlichen bei der FIBA bereden.

SPOX: Wären Sie überhaupt der Ansprechpartner des DBB für die FIBA? Am 10. September stellt sich DOSB-Präsident Thomas Bach der Wahl zum neuen IOC-Präsidenten - und Sie gelten wiederum als möglicher Bach-Nachfolger.

Weiss: Es gibt genug andere mit Ambitionen in die Richtung. Darüber werden wir im DOSB reden, wenn der 10. September vorbei ist, um zu entscheiden, wer welche Position einnimmt. Ich persönlich fühle mich als DBB-Präsident sehr wohl und sehe mich als Teil des jungen DBB-Teams, das sich im Aufbau befindet. Mir macht die Arbeit großen Spaß und ich hoffe, dass die anderen mit mir zufrieden sind. Ich stelle mich 2014 gerne erneut zur Wahl.

SPOX: Sie sind einer der Shootingstars des deutschen Sport-Funktionärswesens. Obwohl Sie im Oktober erst 50 Jahre alt werden, sind Sie bereits DBB-Präsident, DOSB-Präsidiumsmitglied und Vorsitzender der Deutschen Sportjugend. Reizt mittelfristig der Posten des DOSB-Präsidenten?

Weiss: Irgendwann stellt sich natürlich die Frage: Wo kann man noch helfen? Wo kann man sich engagieren? Ich habe das Gefühl, dem DBB hier und da noch helfen zu können. Vielleicht kommt mal der Zeitpunkt, an dem man eine andere Bahn einschlägt. Aber das ist alles Theorie. Ich stehe dazu: Ich habe nie bewusst geplant, ein bestimmtes Amt zu übernehmen. Der damalige DBB-Präsident Roland Geggus kam zu mir und sagte, dass er amtsmüde sei und ich das Amt übernehmen soll. Ich war zunächst überrascht und musste eine Nacht darüber schlafen. Daher: Ich lasse zukünftig alles auf mich zukommen.

SPOX: Träumt man als Jugendlicher eigentlich davon, Funktionär zu werden?

Weiss: Ich habe früher selbst Baskeball mit viel Freude gespielt, doch dann musste ich mir die Frage stellen, was ich noch werden könnte in der Sportart. Erste Option: Schiedsrichter. Zweite Option: Trainer. Dritte Option: Funktionär. Ich probierte daher alles aus: Ich war Schiedsrichter - und wurde andauernd bespuckt und beschimpft als Idiot. Ich war Trainer - und obwohl es großen Spaß machte, wurde man für alles zum Sündenbock gemacht. Daher wurde ich Funktionär. Nicht ganz ernstgemeint: Als Funktionär kann ich Schiedsrichter beschimpfen und Trainer rausschmeißen. Daher ist es der beste Job. (lacht)

Der Spielplan der EuroBasket 2013

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