"Ich will kein Shaquille O'Neal sein"

Philipp Scherping
24. April 201512:00
Johannes Voigtmann (r.) hat sich in Frankfurt zum Führungs- und Nationalspieler entwickeltgetty
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Das junge deutsche Center-Talent Johannes Voigtmann von den Fraport Skyliners wurde jüngst zum besten deutschen Nachwuchsspieler und Most Improved Player der Beko BBL ausgezeichnet. Mit ihm als Stütze schafften es die Frankfurter bis ins Final Four der EuroChallenge und auf einen Playoff-Platz in der Bundesliga. Im SPOX-Interview spricht der 22-Jährige über seinen Verein, die deutsche Nationalmannschaft und außergewöhnliche Dinner-Gäste.

SPOX: Herr Voigtmann, aktuell spielen sie beständiger denn je. Sie sind in der BBL unter den 50 besten Scorern und in der EuroChallenge kratzen sie mit dem 11. Platz sogar an den Top 10. Woher kommt diese Leistungsexplosion?

Voigtmann: Da spielen einige Faktoren eine Rolle. Ich bekomme mehr Vertrauen von Coach Gordon Herbert und habe jetzt ein anderes Standing in der Mannschaft. Ich habe im Sommer außerdem viel gearbeitet, vor allem an meinem Wurf. Daher bekomme ich mehr Bälle. Und natürlich bin ich auch einfach ein bisschen erfahrener geworden.

SPOX: Sagt Coach Herbert Plays für Sie an?

Voigtmann: Ja, klar. Wir sind natürlich auch eine Mannschaft, die sich nicht nur auf einen Spieler fokussiert. Bei uns geht es nicht darum, dass einer 30 Punkte macht und der Rest gibt nur ihm den Ball. Unsere Identität ist es ganz klar, vielen Spielern in der Offensive Würfe zu ermöglichen, und ich bin eben einer davon.

SPOX: Auch als Team läuft es, obwohl sie Anfang der Saison erhebliche Probleme hatten. Jetzt sind Sie ins Final Four der EuroChallenge eingezogen und auf dem fünften Platz der Beko BBL. Was hat sich im Laufe der Saison verändert?

Voigtmann: Wir hatten am Anfang viel Verletzungspech und uns auch noch nicht so richtig gefunden. So gegen Weihnachten hat sich das dann alles ein wenig entspannt, wir wurden selbstbewusster. Dazu wurde Justin Cobbs verpflichtet, der einen ganz entscheidenden Anteil an dieser Wende hat. Wir haben einen Lauf gestartet, der noch bis heute andauert.

SPOX: Jetzt steht bereits das Final Four der EuroChallenge (15.30 Uhr, Halbfinale gegen JSF Nanterre) an. Von Vielen wird der Pokalwettbewerb ja gerne belächelt, da er nach der Euroleague und dem Eurocup nur eine untergeordnete Rolle spielt. Was für einen Stellenwert hat dieses Turnier denn für Sie und die Mannschaft?

Voigtmann: Bisher hatten wir noch nicht wirklich die Möglichkeit, uns damit zu befassen, weil das Erreichen der Playoffs für uns ganz klare Priorität hatte. Aber jetzt kann das Ziel nur heißen zu gewinnen. Wir fahren sicher nicht nach Trabzon und sagen: 'Ach ja, dann werden wir jetzt mal Dritter oder wir gewinnen halt nur ein Spiel.' Als Sportler ist es klar, dass man immer gewinnen will. Und auch der Stellenwert ist für uns sehr hoch. Das ist ein internationaler Titel, den wir uns greifen können. Dass die EuroChallenge der niedrigste aller Pokalwettbewerbe ist, ist uns dabei völlig egal. Jetzt wollen wir uns für unsere starke Saison belohnen. Außerdem ist ein Titel natürlich auch deutlich nachhaltiger als die bloße Teilnahme am Final Four.

SPOX: Aber die BBL hat klare Priorität?

Voigtmann: Auf jeden Fall! Die EuroChallenge ist für uns ein i-Tüpfelchen.

SPOX: Sie haben vorhin schon den letzten Sommer angesprochen, der für Sie auch der erste Sommer in der Nationalmannschaft war. Wie haben Sie Ihre ersten Gehversuche auf internationalem Parkett erlebt?

Voigtmann: Sehr gut, sehr gut. Ich kannte die Abläufe davor nur aus der Juniorennationalmannschaft und es war richtig cool, das erste Länderspiel als A-Nationalspieler zu machen. Wir hatten viele neue Spieler dabei, deshalb war es für mich nicht ganz so schwierig, mich zu integrieren. Und ich habe natürlich bei den Spielen gemerkt, dass das Niveau sehr hoch ist, was mir extrem weitergeholfen hat. Diese Konkurrenz möchte ich auf jeden Fall immer wieder haben.

SPOX: Wie war es für Sie, mit so Spielern wie Dennis Schröder oder auch Heiko Schaffartzik in einem Team zu spielen?

Voigtmann: Wir hatten da keine großen Probleme, Dennis kannte ich ja auch schon vorher. Es war nicht so, dass wir ihm vor die Knie gefallen sind oder dass er das von uns verlangt hätte. Aber Respekt war natürlich da, er hat sich seinen hohen Stellenwert auch verdient. Auch Heiko hat viel für den deutschen Basketball getan, aber es ist nicht so, dass sie komplett abgehoben wären. Man hat ihre Leistungen im Hinterkopf, aber im Großen und Ganzen war das sehr angenehm.

SPOX: Im Spätsommer steht dann auch schon die Europameisterschaft an. Wie sehen Sie Ihre Chancen, in Berlin dabei zu sein?

Voigtmann: Das ist schwierig zu sagen, weil es eine riesige Konkurrenz auf meiner Position gibt. Auf der Center-Position sind bestimmt sechs bis sieben Jungs, die richtig, richtig gut sind. Aber natürlich würde ich mir dort gerne einen Platz erarbeiten. Im Endeffekt kommt es aber darauf an, welche Spielertypen der Bundestrainer braucht. Klar ist, dass ich alles dafür tun werde, um dort dabei zu sein. Ich weiß aber auch, dass das sehr schwer werden wird.

SPOX: Wie finden Sie die Lösung mit Chris Fleming als Bundestrainer? Stehen Sie mit ihm in Kontakt?

Voigtmann: Er ist ein richtig guter Trainer. Da hat der DBB einen sehr guten Fang gemacht. Auch dass er ein Trainer ist, der sich das ganze Jahr um die Nationalmannschaft kümmert, finde ich absolut positiv. Er war einmal hier in Frankfurt, hat sich mit uns unterhalten und sich ein Spiel angeguckt.

SPOX: Ganz Basketball-Deutschland diskutiert über eine mögliche Teilnahme von Dirk Nowitzki. Und Sie haben ja gerade angesprochen, dass es gerade auf den großen Positionen mit Tibor Pleiß, Maik Zirbes, Maxi Kleber, Andreas Seiferth und Ihnen ein riesengroßes Gerangel um die EM-Tickets gibt. Wären Sie trotzdem dafür, dass Nowitzki noch einmal dabei ist oder sollten eher die jungen Großen eine Chance erhalten?

Voigtmann: Wenn es irgendeine Möglichkeit gibt, Nowitzki von einer Teilnahme zu überzeugen, dann sollte man kein bisschen Arbeit versäumen, um das möglich zu machen. Natürlich haben wir gute Große, aber auch nur mit einer Silbe davon zu sprechen, Nowitzki nicht dabei haben zu wollen, wäre meiner Meinung nach eine Schande.

SPOX: Bei Chris Kaman hingegen scheiden sich die Geister. Die einen sagen, wir brauchen so einen erfahrenen NBA-Spieler, die anderen wünschen sich das Vertrauen in unsere jungen Center. Wie stehen Sie zu der Personalie Kaman?

Voigtmann: Das ist schon ein bisschen anders als bei Dirk. Dass Chris Kaman auch eine Riesenqualität hat und ein gestandener Spieler in der NBA ist, darüber brauchen wir uns nicht zu unterhalten. Aber ich glaube, wir haben andere sehr gute Talente. Wenn ich da zum Beispiel an Tibor denke, der immer ein bisschen hinten runtergefallen ist, wenn Kaman dabei war. Der hat es auch mal verdient, Anerkennung zu bekommen. Am Ende ist das aber die Sache des Bundestrainers. Wenn Kaman mit dabei ist, ist es cool und wenn nicht, ist es auch gut.

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SPOX: Kommen wir zurück zu Ihnen. Sie haben noch ein Jahr Vertrag bei den Fraport Skyliners, werden aber durch Ihre Leistungen mit Sicherheit Begehrlichkeiten bei größeren Klubs geweckt haben. Wie sieht Ihre persönliche Planung für die nächsten Jahre aus?

Voigtmann: Wie Sie schon sagen: Ich habe nächstes Jahr Vertrag in Frankfurt. Und sollte ich in der nächsten Saison nicht hier spielen, wäre das eine große Überraschung für mich. Weiter schaue ich bisher nicht.

SPOX: Mit Ihnen, Danilo Barthel und Konstantin Klein hat Frankfurt drei vielversprechende deutsche Spieler in den eigenen Reihen. Mit Niklas Kiel kommt zudem ein großes Talent nach. Beweist Frankfurt gerade, dass man Talente fördern und gleichzeitig Erfolg haben kann?

Voigtmann: Ja, was heißt gleichzeitig? So eine Philosophie ist immer mit ein bisschen Risiko verbunden. Besonders die letzten zwei Jahre waren jetzt auch nicht ganz so erfolgreich, wenn man das Erreichen der Playoffs als Anspruch nimmt. Aber es lohnt sich schon, Zeit zu investieren, weil man bei uns sieht, dass wir als junge Deutsche nicht mehr nur Mitläufer sind, sondern auch Verantwortung tragen. Ich glaube, das ist ein gutes Zeichen für alle anderen Vereine und alle anderen Spieler. Mit ein bisschen Vertrauen und Risiko kann man auch mit jungen deutschen Spielern Erfolg haben.

Niklas Kiel im Interview: "2016 Abi, 2019 NBA!"

SPOX: Merken Sie, dass dieser deutsche Kern der Mannschaft auch mehr Fans anlockt? Stichwort Identifikationsfiguren.

Voigtmann: Da kann ich wenig zu sagen, aber vorstellen kann ich es mir. Es ist halt was anderes, wenn die Leute über mehrere Jahre da sind und die Mannschaft nicht in jedem Jahr runderneuert wird.

SPOX: Sie selbst absolvieren ihre dritte Saison in Frankfurt. Wo sehen Sie Ihre Stärken auf dem Feld - und wo wollen sie noch besser werden?

Voigtmann: Ich muss auf jeden Fall an meiner Athletik arbeiten. Da werde ich auch im Sommer sehr den Fokus drauf legen. Naja, aber ich denke, das kommt noch. Meine größte Stärke ist die Spielübersicht, mein Spielverständnis. Und ich habe auch einen ganz guten Wurf, also relativ positionsuntypische Stärken.

SPOX: Fühlen Sie sich manchmal wie ein Guard im Körper eines Centers?

Voigtmann: Ja, ganz so extrem vielleicht nicht, aber schon ein bisschen. (lacht)

SPOX: Haben Sie ein Vorbild, dessen Spiel Sie studieren?

Voigtmann: Nee, überhaupt nicht. Ich versuche, mich auf mich selbst zu konzentrieren. Ich weiß, wo ich mit meinem Spiel hin will, was ich als Spieler verkörpern möchte. Also sage ich nicht: 'Ich will jetzt wie Shaquille O'Neal oder wie Tibor Pleiß sein.' Ich versuche schon mir von einigen Spielern was abzuschauen, wenn es etwas abzuschauen gibt, will aber trotzdem meinen eigenen Stil finden.

SPOX: Haben Sie sich irgendeinen Move von jemandem abgeschaut? Gibt's da was zu erzählen?

Voigtmann: Als ich mit dem Basketballspielen angefangen habe, hat mich Kyle Visser extrem beeindruckt. Aber so richtig abgeguckt habe ich mir von niemandem etwas. Der One-Legged-Fadeaway a la Nowitzki ist also noch nicht im Repertoire. (lacht)

SPOX: Die meisten deutschen Basketballer hätten wahrscheinlich gesagt, dass Nowitzki einer der Wunschgäste zum Abendessen wäre. Sie meinten dagegen mal, dass ihre Wunschgäste Stefan Raab, Wladimir Klitschko und Fidel Castro wären. Wie würde so ein Dinner denn aussehen?

Voigtmann: (lacht) Ja, das wäre bestimmt schwierig unter einen Hut zu kriegen. Ich würde alle drei einfach nacheinander abklappern. Bei Klitschko wird's dann wahrscheinlich sehr proteinreich zugehen. Stefan Raab könnte vielleicht aus der Metzgerei ein bisschen Wurst mitbringen. Und mit Fidel würde ich ein bisschen über Politik philosophieren (lacht).

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Johannes Voigtmann im Steckbrief