Seit seiner Flucht vom Iowa-State-College zu Alba Berlin wird Nationalspieler Lucca Staiger in den USA als Verräter beschimpft. Jetzt setzt er sich bei SPOX zur Wehr. Staiger über seinen verlogenen Ex-Coach, die wahren Hintergründe seines Weggangs - und eine Zukunft in der NBA.
SPOX: Ihre letzten zwei Wochen waren extrem. Erst der kontroverse Abschied bei Iowa State, die Flucht nach Chicago zur ehemaligen Gastfamilie, der Rückflug nach Deutschland zu den Eltern und vor einigen Tagen der Umzug nach Berlin. Wie geht es Ihnen?
Lucca Staiger: Ich bin froh, dass der große Stress erst einmal vorbei ist und Klarheit herrscht, wie meine Zukunft aussieht. Aber so richtig angekommen bin ich noch nicht in Berlin, dafür hat die Zeit nicht gereicht. Zum Beispiel habe ich eine schöne Zwei-Zimmer-Wohnung bezogen, ich weiß jedoch nicht einmal, in welchem Stadtteil sie liegt.
SPOX: Im Sommer sagten Sie im SPOX-Interview, dass einige europäische Spitzenklubs an Ihnen interessiert waren. Warum haben Sie sich jetzt für Alba entschieden?
Staiger: Für mich gehört Alba zu den Top-Adressen im europäischen Basketball. Das ganze Basketball-Programm gefällt mir, zumal sich Berlin auch schon im Sommer um mich bemüht hat. In dieser Saison habe ich bereits einige Spiele im Internet verfolgt und denke, dass der Alba-Spielstil zu mir passt. Es fühlt sich so an, als ob ich genau die richtige Entscheidung getroffen habe.
SPOX: In Berlin müssen Sie sich jedoch darauf einstellen, zunächst nur die Bank zu wärmen. Auf Ihrer Position hat Berlin mit Julius Jenkins und Immanuel McElroy zwei der größten Stars der BBL unter Vertrag - und Alba ist nicht bekannt dafür, auf deutsche Spieler zu setzen.
Staiger: Natürlich kenne ich den Ruf von Alba. Das heißt aber nicht, dass ich automatisch keine Einsatzzeiten bekomme, nur weil ich Deutscher bin. Wenn ich meine Leistungen bringe, bin ich mir sicher zu spielen.
SPOX: Und was ist mit Jenkins und McElroy?
Staiger: Beide sind unglaublich gute Spieler. Ich freue mich aber schon darauf, mich mit ihnen zu messen. Diese Saison sehe ich als Eingewöhnungszeit an und spätestens nächste Saison greife ich voll an. Ich habe ja nicht umsonst einen Vertrag über zweieinhalb Jahre unterschrieben.
SPOX: Wer am College spielt, hat höhere Chancen auf einen Sprung in die NBA. Sie wollten in die NBA, sind jetzt nach Deutschland gewechselt. Heißt das, dass Sie Ihren Traum begraben haben?
Staiger: Ich konzentriere mich auf Berlin, die NBA spielt erstmal keine große Rolle, auch wenn der Traum natürlich noch irgendwo abgespeichert ist. Aber um es klarzustellen: Ich bin nicht vom College gegangen, weil ich gemerkt hätte, dass es nicht für die NBA reicht.
SPOX: Genau das behauptet jedoch Ihr ehemaliger Iowa-State-Coach Greg McDermott.
Staiger: Das stimmt definitiv nicht. Ich habe nie gesagt, der Traum von der NBA sei vorbei.
SPOX: Es fällt auf, dass Sie beide sich in fast allen Dingen komplett widersprechen. Was genau ist vorgefallen?
Staiger: Es fängt erstmal damit an, dass angeblich der Trainer und die Mitspieler völlig überrumpelt gewesen waren von meiner Entscheidung zu gehen. Das hat der Headcoach mehrmals in Interviews gesagt. Aber das ist einfach nicht wahr. Er wusste schon seit dem Sommer, dass ich nicht zufrieden war und eigentlich nicht zurückkommen wollte.
SPOX: Warum sind Sie zurückgekehrt?
Staiger: Es ging darum, dass ich mich basketballerisch weiterentwickeln wollte. Nur Dreier zu ballern war mir zu wenig. Der Coach hat mir versprochen, dass ich eine neue Rolle bekomme - und doch hat sich nichts geändert. In diesem Jahr war es eine unerträgliche Qual, weil ich wusste, der Mannschaft helfen zu können, wenn ich mehr Freiheiten bekommen hätte. Aber der Coach hat mich nicht gelassen und nicht meinen Skills vertraut, obwohl wir auch viele Spiele verloren haben.
SPOX: Hat Iowa State versucht, Sie umzustimmen?
Staiger: Ich bin ins Büro des Coaches und habe ihm gesagt, dass ich schon einen Flug nach Deutschland gebucht habe und zukünftig in der BBL spielen will. Daraufhin hat jeder versucht, mich zu überreden, doch noch zu bleiben. Ich war darauf gefasst und bin bei meiner Entscheidung geblieben. Ich verstehe natürlich, dass deswegen vor allem der Coach sauer auf mich ist, dennoch hätte ich nicht gedacht, dass er soweit gehen würde und mich als Verräter beschimpft.
SPOX: Im Grunde hat sich das gesamte College gegen sie gewendet. Selbst "ESPN" hat über Ihren Weggang berichtet und Ihre Entscheidung verurteilt, weil Sie das Team im Stich gelassen hätten.
Staiger: Da hat Coach McDermott sicherlich eine Rolle gespielt, indem er falsche Dinge über mich verbreitet hat.
SPOX: McDermott hat indirekt auch Bundestrainer Dirk Bauermann angegriffen, weil er einen schlechten Einfluss auf Sie habe.
Staiger: Ich habe selbstverständlich auch mit Dirk Bauermann gesprochen und er hat mir gesagt, dass ich das machen soll, was für mich am besten ist. Dennoch riet er mir wie jeder andere auch dazu, das Jahr noch fertig zu spielen. Aber es ging einfach nicht mehr. Es kam ein Punkt, an dem ich einen Schlussstrich ziehen musste.
SPOX: In Ihrem ersten College-Jahr waren Sie Opfer der NCAA-Willkür und wurden gesperrt, woraufhin sich der gesamte Campus für Sie stark gemacht hat. In Internet-Foren werden Sie nun als egoistisch und illoyal beschimpft. Sind Sie enttäuscht?
Staiger: Die Leute, die mich unterstützt haben, sind jetzt gegen mich. Ich darf mich jedoch nicht zu sehr von den ganzen Kommentaren runterziehen lassen, denn die meisten haben keine Ahnung von dem, was wirklich passiert ist. Ich hätte mich gerne anders verabschiedet, aber so etwas passiert im Sport ab und zu, so schade es ist.