"Über Summer League empfehlen"

Ole Frerks
06. Mai 201416:40
Niels Giffey gewann vor kurzem seine zweite College-Meisterschaft mit UConngetty
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Nach dem Abschluss steht Niels Giffey am Scheideweg: In Amerika bleiben oder zurück nach Deutschland? Im SPOX-Interview spricht der zweifache College-Champion über den Traum von der NBA, die March Madness, seinen viel gehypten Draft-Jahrgang und die Erfahrungen beim DBB.

SPOX: Erst einmal herzlichen Glückwunsch zur zweiten Championship! Wie sieht der Campus-Alltag für Sie jetzt eigentlich aus?

Niels Giffey: Danke! Eigentlich ist das bisher ganz normal. Ich besuche weiterhin meine Kurse, bis ich bald meinen Abschluss habe, muss ich auch noch meine Hausaufgaben machen... Bisher ist das eigentlich der ganz normale Alltag.

SPOX: Und wenn Sie jetzt über den Campus spazieren, was hat sich da geändert? Sind Sie in Connecticut mittlerweile ein Volksheld?

Giffey: (lacht) Ein bisschen schon. Das ist schon extrem, wie sich das geändert hat. Jedes Mal, wenn man in der Mensa ist oder Abends mal weggeht, werden dauernd Fotos gemacht... (kurze Unterbrechung, da Shabazz Napier vorbeischaut) Sorry!

SPOX: Kein Thema. Wie erlebt man die March Madness als Beteiligter? Ist das mit irgendetwas vergleichbar, das sie sonst erlebt haben?

Giffey: Die Stimmung rund ums Tournament ist schon einmalig. Man merkt, wie man von Spiel zu Spiel immer mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht. Und je mehr man spielt, merkt man auch, dass man eigentlich seit Wochen immer unterwegs ist. Immer in irgendwelchen Hotels, man trainiert, liest Scouting Reports, guckt sich Videos an, bereitet sich auf die gegnerischen Teams vor... Das ist schon ein Alltag, der fast zu 100 Prozent aus Basketball besteht. Die Spiele werden immer verrückter, man spielt in den großen Hallen, die Gegner werden immer härter. Und wenn man dann doch mal für kurze Zeit auf dem Campus ist, merkt man erst, wie die Leute hier in UConn und ganz Connecticut das Ganze verfolgen. Das ist schon unglaublich.

SPOX: Dieser Titel war ja bereits Ihr Zweiter, schon in Ihrer ersten Saison konnten Sie am Ende die Netze abschneiden. Wie fühlt sich der jetzige verglichen mit dem ersten an?

Giffey: Der größte Unterschied ist eigentlich, dass ich in diesem Jahr besser vorbereitet war. Ich konnte jetzt sogar den Jüngeren dabei helfen, sich auf alles einzustellen, worauf man sich konzentrieren, und was man ausblenden sollte.

SPOX: Was denn zum Beispiel?

Giffey: Es war eine unglaubliche Medienpräsenz da. Auf so etwas muss man wirklich vorbereitet sein, sonst kann man ganz schnell den Fokus auf Basketball verlieren und sich den ganzen Hype ein bisschen zu Kopfe steigen lassen.

SPOX: Wie hat sich Ihre Rolle dabei verändert?

Giffey: Ich habe jetzt mehr die Rolle eingenommen, die die Älteren damals in meiner Freshman-Saison innehatten. Man muss da auch ein Stück weit Anführer sein und mit den Jungs reden. Es muss Klarheit über die Ziele des Teams herrschen. Jedes Spiel kann das letzte sein. So etwas habe ich jetzt mehr angesprochen und mit gemeinsamen Essen auch zum Teambuilding beigetragen. SPOX

SPOX: Sie haben spielerisch im letzten College-Jahr auch noch einmal einen großen Sprung gemacht, vor allem in Sachen Effizienz. Hat Ihre starke EuroBasket 2013 Ihnen da zusätzliches Selbstvertrauen gegeben?

Giffey: Ja, auf jeden Fall. Ich konnte bei der Nationalmannschaft eine ganz neue Rolle annehmen. Das war so eine Art "Aha-Effekt", weil ich gemerkt habe, was ich auf so einem hohen Niveau alles schaffen kann. Ich habe dann auch den ganzen Sommer hart trainiert und mit den anderen Jungs von der Nationalmannschaft gearbeitet, dass ich vieles auch hier auf das Spiel in Amerika übertragen konnte.

SPOX: Kommen wir mal auf Ihr Team zu sprechen. Shabazz Napier wurde durch sein Spiel - vor allem während der March Madness - immer wieder mit Kemba Walker verglichen. Sie haben mit beiden zusammengespielt. Ist der Vergleich fair?

Giffey: Auf jeden Fall. Sie sind zwar andere Spielertypen, aber als Anführer sehr ähnlich. Beide gehen in der Rolle als Captain auf, wollen immer den letzten Schuss nehmen, die Spiele entscheiden. Beide tun alles für den Sieg. Da sehe ich auch Parallelen, wo Shabazz von Kemba gelernt hat. Wir stehen alle noch mit Kemba in Kontakt und wissen, was er für ein Typ ist.

SPOX: Trauen Sie Napier eine ähnliche Entwicklung zu wie Walker? Was seine Physis angeht, gibt es da ja viel Skepsis...

Giffey: Auf jeden Fall. Meiner Meinung nach klappt das sogar zu 100 Prozent. Er wird vielleicht nicht die gleiche Rolle haben, da sie unterschiedliche Spielertypen sind.

SPOX: Wie genau unterscheiden sich die beiden?

Giffey: In meinem Jahr war klar: Kemba muss scoren! Es gab einfach nicht so viele Waffen. Wir hatten sechs oder sieben Freshmen, von denen teilweise drei gestartet sind. Da musste ein erfahrener Spieler wie er die Verantwortung übernehmen und konstant scoren. Shabazz hatte eine andere Rolle, auch wenn er ebenfalls viel gepunktet hat. Er hatte erfahrenere Optionen wie mich, DeAndre Daniels, Ryan Boatright. Da konnte er auch mal mehr der Facilitator sein, der für andere kreiert. Das kann er extrem gut, und das wird er auch in der NBA schaffen.

SPOX: In der NBA muss ja nicht jeder ein LeBron oder KD sein...

Giffey: (lacht) Genau. Er wird zwar auch dort seine Punkte machen, aber insgesamt wird er mehr als Playmaker gefragt sein.

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SPOX: Vor dem Finale wurde viel darüber geschrieben, die Huskies seien zu sehr von Napier abhängig. Dort haben Sie dann aber das Scoring auf viele Schultern verteilt und als Team stark verteidigt. Nimmt man derartige Kritik wahr oder kann man das komplett ausblenden?

Giffey: Man nimmt es schon wahr, aber das ist nichts anderes als Extra-Motivation. Was die Leute da teilweise schreiben... Die haben noch nie Basketball gespielt, vor allem nicht auf diesem Niveau. Davon darf man sich nicht verrückt machen lassen.

SPOX: Sie haben einen Titel unter Jim Calhoun, einer absoluten Coaching-Legende, gewonnen, und dann jetzt unter Kevin Ollie, der dessen riesige Fußstapfen füllen sollte. Was unterscheidet die beiden?

Giffey: Coach Ollie ist immer sehr positiv. Sehr familienorientiert, sehr gläubig. Er will das beste aus dir herausholen, indem er die die Perspektiven aufzeigt und dir sagt, was du alles erreichen kannst. Er verkörpert die 'Blue-collar-attitude', also dass man alles erreichen kann, wenn man hart dafür arbeitet.

SPOX: Und Coach Calhoun war eher ein harter Hund?

Giffey: Ja... Beide erwarten extrem viel. Hohe Standards, hohe Intensität, harte Arbeit. Wie sie das herauskitzeln wollen, unterscheidet sich aber. Coach Calhoun hat dich angeschrien. In meinem Freshman-Year hat er mich wirklich gebrochen. Ich dachte, ich könnte keinen Basketball mehr spielen. Das Konzept 'harte Liebe' eben... Er will das Beste aus dir herausholen, indem er dich jeden Tag herausfordert. Wenn du einen Fehler machst, lässt er dich das wissen.

SPOX: Wie fällt Ihr Resümee über die College-Zeit aus? Viel besser hätte es ja kaum laufen können, oder?

Giffey: (lacht) Ja, absolut. Ich bin sehr froh, die Entscheidung getroffen zu haben, vor allem auch was diese Schule betrifft. In zwei Wochen habe ich auch noch meinen Abschluss... Es ist schon viel wert, zweigleisig gefahren zu sein, und sowohl das Sportliche, als auch das Akademische vorweisen zu können. Da bin ich auch durchaus stolz, im Hinblick auf die Zukunft.

SPOX: Gutes Stichwort. Was bringt denn die Zukunft bei Ihnen? SPOX

Giffey: Ganz ehrlich: Ich weiß es noch nicht. Ich habe noch keinen Masterplan. Ich schaue mir die Möglichkeiten in Deutschland an, aber den Versuch hier würde ich natürlich auch gerne wagen. Natürlich würde ich mich am liebsten über die Summer League für ein NBA-Team empfehlen.

SPOX: In den letzten Jahren haben sich die Flügelpositionen in der NBA dahingehendentwickelt, dass "3-and-D"-Spezialisten mehr gefragt sind denn je. Die richtigen Voraussetzungen dafür bringen Sie ja mit...

Giffey: Natürlich, neben den Naturtalenten werden immer auch Spezialisten gesucht. Das ist ja für mich auch der einzig realistische Weg, und es ist trotzdem nur eine geringe Chance. Aber er ist es wert, ihn auszuprobieren! Wenn ich die klassischen Shooter sehe wie Kyle Korver, Steve Novak... Den Bedarf gibt es schon. Und ich bin meiner Meinung nach ein Teamplayer, ein guter Locker-Room-Guy - ich glaube, solche Charaktereigenschaften sind bei Spezialisten auch gefragt.

SPOX: Derzeit laufen ja die NBA-Playoffs. Verfolgen Sie das Ganze oder steht das Lernen im Weg?

Giffey: Nein, das gucke ich mir schon an. Kemba ist ja beispielsweise momentan gegen die Heat aktiv und spielt dabei auch ziemlich stark. Atlanta ist auch richtig gut dabei, die Pacers sind wohl irgendwie in ein Loch gefallen...

SPOX: Haben Sie mit den anderen Deutschen in den USA Kontakt?

Giffey: Eigentlich kaum, ich habe eher mit den anderen College-Spielern zu tun. Elias Harris habe ich mal kontaktiert, als es um meine College-Wahl ging, er war ja schon eher hier. Den Dennis [Schröder] kenne ich nicht wirklich, fast nur über Twitter, wo er zu unserer Championship gratuliert hat.

SPOX: A propos College-Spieler. Um den jetzigen Draft-Jahrgang gibt es Hype wie vermutlich seit 2003 nicht mehr. Sie kennen Andrew Wiggins, Julius Randle und Co. - was steckt wirklich drin in diesen Jungs?

Giffey: Das sind alles Topspieler. Direkt gespielt habe ich gegen Randle - das ist schon ein echter Mann. Der kann sich mit seinem Spiel unterm Korb mit Sicherheit auch in der NBA etablieren. Ich glaube allerdings nicht, dass ein LeBron James oder Michael Jordan in diesem Jahrgang versteckt ist.

SPOX: Wie sieht denn Ihre Top 3 für den Draft aus?

Giffey: Das sind für mich Jabari Parker, Joel Embiid und Shabazz.

SPOX: Napier?

Giffey: Ja! Er mag physisch nicht in die Kategorie gehören, aber sein Siegeswille und seine Erfahrung zählen für mich mehr als Athletik oder irgendetwas, was einem in die Wiege gelegt wird.

SPOX: Die Debatte gibt es ja immer wieder: Rohes Talent auf der einen Seite, Erfahrung auf der anderen. In Mock Drafts etwa taucht Napier nie allzu weit oben auf...

Giffey: Das ist für mich unglaublich. Stark ist dann wiederum LeBron James, der in einem Interview meinte, Shabazz ist für ihn der erste Pick des kommenden Drafts. Und ganz ehrlich: Wenn das vom besten Spieler der Welt kommt, hat das für uns mehr Gewicht, als die Meinung von statistikverliebten Scouts. Dem 'Eye-Test' nach war Shabazz in dieser Saison ohne Frage der beste Spieler der NCAA.

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