Gemeinsam mit Dirk Nowitzki soll Tibor Pleiß das DBB-Team bei der EM anführen. Dabei hat der Star des FC Barcelona ein "dunkles Geheimnis". Mit SPOX spricht er über das Megaduell gegen Real Madrid, ein NBA-Update, das Gefühl des Commitments und ein interessantes Hobby.
SPOX: Es hätte die schönste Basketball-Romanze des Sommers sein können: Der FC Bayern wirbt in Person von Trainer Svetislav Pesic und Geschäftsführer Marko Pesic in den schönsten Worten um Sie und mehrere Medien berichteten sogar, dass Ihr Wechsel nach München bereits feststehen würde. Sie setzten alledem mit einem klaren Dementi aber ein Ende. Warum?
Tibor Pleiß: Die Bayern sollten das nicht missverstehen, ich fühle mich sehr geehrt. Ich habe unter Svetislav Pesic bei der deutschen Nationalmannschaft einen Sommer gespielt und wenn so ein erstklassiger Coach mich so wertschätzt und mich verpflichten will, ist es das größte Kompliment. Trotzdem möchte ich mich von nichts ablenken lassen. Wir stehen mit Barcelona in den Playoff-Finals, in der wichtigsten Phase der Saison - und ich sehe es als Pflicht an, dem Klub die größtmögliche Aufmerksamkeit zu schenken und nicht mit Gerüchten zu kokettieren. Das wäre unfair gegenüber Barcelona.
SPOX: Waren die Berichte, wonach Sie sicher zu den Bayern gehen, wirklich nur Gerüchte?
Pleiß: Ja, definitiv. Und mittlerweile gewöhne ich mich an die Bayern-Spekulationen und ich kann damit besser umgehen. Pünktlich im Mai schwirren jedes Jahr die Gerüchte um mich und die Bayern. Und ich möchte sie nicht aufwerten, in dem ich mich damit mehr beschäftige als unbedingt nötig.
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SPOX: Es stimmt allerdings der Eindruck, dass diese Saison in Barcelona die Wechselgerüchte noch präsenter waren als ohnehin schon? Vor allem gab es immer wieder Berichte, wonach Marcelinho Huertas und Ante Tomic mit der NBA liebäugeln, Mario Hezonja sich selbst als Nummer-eins-Pick im Draft sehen würde, Sie zu den Bayern gehen, und und und.
Pleiß: Es kann schon sein, dass der eine oder andere Spieler an seine Zukunft denkt und wir darüber in der Kabine reden. Das ist normal. Zum Beispiel läuft Marcelinhos Vertrag nach dieser Saison aus. Dennoch finde ich es beeindruckend, wie sich die absoluten Topspieler auf das Wesentliche fokussieren können und das Nebensächliche ausblenden. Da haben Gerüchte keinen Platz. Wir zeigen zum richtigen Zeitpunkt, wie hungrig wir sind. Nicht zufällig haben wir uns mit sechs Siegen in Serie noch auf den zweiten Platz der Regular Season vorgekämpft.
SPOX: Gegen Malaga in den Playoffs-Halbfinals haben Sie sich zuletzt schwer getan. Sie gaben eine 2-0-Führung ab und kamen knapp mit 3-2 weiter.
Pleiß: In den ACB-Playoffs gibt es keinen Gegner, den man ohne Weiteres ausschalten kann. Malaga ist ein sehr gutes Team und hat eine sehr gute Saison gespielt. In den ersten beiden Spielen konnten wir sie noch überraschen, vor heimischen Publikum wollten sie aber beweisen, dass sie der Playoff-Rolle gerecht werden. Sie haben sehr aggressiv gespielt und bei den Rebounds dominiert. Im fünften Spiel haben wir den Spieß dann umgedreht und hatten die Rebounds auf unserer Seite. Jetzt wollen wir Real Madrid schlagen und die spanische Meisterschaft verteidigen. Beide Teams sind auf Augenhöhe. Ausschlaggebend wird der größere Wille sein.
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SPOX: Könnte es sein, dass das vermeidbare Ausscheiden gegen Olympiakos Piräus im Euroleague-Viertelfinale eine Trotzreaktion in der Mannschaft ausgelöst hat?
Pleiß: Davon bin ich überzeugt. Die Niederlagen gegen Olympiakos waren unglücklich und wir wussten danach, dass wir die Meisterschaft holen müssen, um wenigstens ein Ziel in dieser Saison zu erreichen. Und es ist zusätzlich eine große Motivation, zu verhindern, dass Real nach 41 Jahren wieder das Triple gewinnt.
SPOX: Wird es ein Duell der Gegensätze? Barcas größte Stärke ist der Frontcourt mit Ante Tomic, Justin Doellman, Maciej Lampe und Ihnen. Real hat mit Gustavo Ayon nur einen klassischen Center, dafür viele starke Guards. Ein Vor- oder Nachteil für Barcelona?
Pleiß: So einfach kann man es sich leider nicht machen. Es stimmt, bei Madrid sind die Guards sehr wichtig, sie werfen viel von außen und penetrieren auf dem höchsten Niveau. Andererseits kenne ich die Großen bei Real ziemlich gut: Mit Marcus Slaughter war ich zusammen in Bamberg und mit Andres Nocioni spielte ich in Vitoria. Und wie gut er noch ist, hat man beim Euroleague-Final-Four gesehen, als er zum MVP gewählt wurde. Dazu Felipe Reyes, dem Liga-MVP. Und selbst einen Ioanis Bourousis darf man nicht vergessen. Er kommt zwar nicht mehr so oft zum Einsatz, doch mit seinem Wurf kann er ein Spiel nach wie vor verändern. Man sollte bei Real den Frontcourt nicht unterschätzen.
SPOX: Gustavo Ayon versuchte sich mehrere Jahre in der NBA, bevor er vor dieser Saison nach Spanien ging. Gibt es bei Ihnen einen neuen Stand bezüglich der NBA? Wurden Sie von den Utah Jazz, die Ihre Rechte besitzen, kontaktiert?
Pleiß: Zurzeit ist wegen den Playoffs die NBA kein Thema. Zumal es normal ist, dass sich die NBA-Teams noch nicht gemeldet haben. Das heißt nicht automatisch, dass Sie kein Interesse besitzen. Wir werden im Sommer das Thema bestimmt erörtern. Ganz allgemein gesprochen, bleibt die NBA natürlich eine Option. Sie ist die beste Liga der Welt, in der viele Europäer heutzutage beweisen, dass sie mithalten können. Nikola Mirotic ging beispielsweise von Real zu den Bulls und schlägt sich sehr gut. Den Weg können andere folgen.
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SPOX: Andererseits besitzen Sie bei Barca noch einen Vertrag bis 2016 und haben sich in der Stadt eingelebt. Sie fanden sogar ein neues Hobby, dass Sie perfekt mit Barcelona kombinieren können: das Fotografieren. Was steckt dahinter?
Pleiß: Eigentlich war das Zufall. Ich hatte meinem Vater zum Geburtstag eine halbprofessionelle Kamera geschenkt, aber er brachte sie mit nach Barcelona, als mich meine Eltern an Weihnachten besuchen kamen. Ihm ist die Kamera zu groß, deswegen nahm ich sie und ich lief einfach los. Und mir gefiel es sofort. Ich gehe alleine durch die Stadt, entdecke immer neue schöne Ecken und erkunde fotografierend Barcelona. Ohne mich loben zu wollen: Ich finde schon, dass ich einen Blick für Perspektiven besitze und die Fotos schön geworden sind. (lacht)
SPOX: Was fotografieren Sie?
Pleiß: Manchmal die Natur, aber vor allem Gebäude. Dafür bietet sich Barcelona mit den kleinen Gässchen und den sehr abwechslungsreichen Motiven an. Ich habe jetzt auch angefangen, Leute zu fotografieren, aber ich habe noch eine kleine Hemmschwelle. Ich würde sehr gerne Menschen fotografieren, die ich interessant finde, aber ich kenne es von mir selbst, wie unwohl ich mich manchmal vor der Kamera fühle, wenn ich privat unterwegs bin.
SPOX: Bei Ihnen stimmt demnach das Klischee, dass ein Fotograf gerne beobachtet und selbst nicht gerne beobachtet wird?
Pleiß: Auf jeden Fall. Ich schaue lieber zu, als im Mittelpunkt zu stehen.
SPOX: Gilt das auch für den Basketballer Tibor Pleiß?
Pleiß: Bis zum gewissen Grad schon: Selbst wenn ich nicht spiele, achte ich sehr auf die richtigen Perspektiven. Ich versuche immer, die richtige Position einzunehmen, um ein Spiel bestmöglich verfolgen zu können, damit ich die Schwächen des Gegners schon kenne, wenn ich eingewechselt werde.
SPOX: Mit der Rolle des Beobachters: Was denken Sie, wenn Sie außerhalb des Spielgeschehens die Allüren von einigen Basketballern hautnah miterleben?
Pleiß: Es gibt im Basketball die unterschiedlichsten Persönlichkeiten. Und ich finde das faszinierend, weil jeder von ihnen eine eigene Geschichte zu erzählen hat, wie sie es mit ihrer Art nach oben geschafft haben. Ich bin sicherlich eher der Ruhige, der auf dem Boden geblieben ist. Das bedeutet zugleich nicht, dass ich andere Typen nicht mag. Entscheidend ist die Mischung in einem Team und mit zwölf Tibors wäre es genauso langweilig wie mit zwölf Extrovertierten.
SPOX: Chris Fleming, Ihr ehemaliger Coach in Bamberg und aktueller Bundestrainer, soll gesagt haben: "Tibor, Du bist zu intelligent für den Basketball." Stimmt das?
Pleiß: Ja, Chris sprach mich in Bamberg mit den Worten an: "Manchmal würde ich mir wünschen, dass Du weniger intelligent bist." Er wollte damit verdeutlichen, dass ich mir gelegentlich zu viele Gedanken mache und mich damit unter Druck setze. Ich bin und bleibe wohl immer ein Perfektionist, der alles so gut wie möglich umsetzen will. Hin und wieder könnte es helfen, weniger nachzudenken und Dinge passieren zu lassen. So langsam kriege ich das aber gut unter einen Hut. (lacht)
SPOX: Fleming kündigte zuletzt an, dass Sie wie Dirk Nowitzki, Dennis Schröder und Maxi Kleber für die Heim-EM sicher nominiert werden. Speziell zu Nowitzki eint Sie eine gemeinsame Geschichte, von der der NBA-Star allerdings gar nichts weiß. Wie fand das erste Zusammentreffen statt?
Pleiß: Er weiß davon gar nichts, ich kann mich umso besser daran erinnern. Ich müsste 12 oder 13 gewesen sein, als in Braunschweig der Supercup stattfand. Weil ich unbedingt ein Autogramm von Dirk wollte, sind mein Vater und ich extra hochgefahren. Wir waren also da und um Dirk herum gab es eine riesige Menschentraube. Ich war damals noch sehr zurückhaltend und nicht so groß wie heute. Der Wachstumsschub kam erst später. Ich wollte also vor zu Dirk, doch ich konnte mich nicht durchkämpfen. Deswegen schnappte sich mein Vater irgendwann den Ball, den ich von meinem Taschengeld vorher gekauft hatte, räumte sich einen Weg frei bis zu Dirk und ließ ihn unterschreiben. Ich glaube, ich war der glücklichste Junge in der Arena, als ich den Ball mit Dirks Autogramm in der Hand hielt. Er steht immer noch in meinem früheren Kinderzimmer und ich denke gerne schmunzelnd daran zurück, wenn ich meine Eltern besuche. Vielleicht sollte ich Dirk die Geschichte mal erzählen, wenn wir uns bei der EM-Vorbereitung sehen. Wobei: Ein bisschen peinlich ist das schon. (lacht)
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Tibor Pleiß im Steckbrief