SPOX: Herr Pesic, von Mitte Januar bis Mitte Februar trifft der FC Bayern in der BBL ausnahmslos auf unterlegene Mannschaften aus dem Tabellen-Mittelfeld oder darunter. Im Eurocup stand die Teilnahme am Achtelfinale bereits nach vier von sechs Zwischenrunden-Spielen vorzeitig fest. Ist es derzeit so entspannt, wie es klingt?
Marko Pesic: Überhaupt nicht. Wir befinden uns sportlich in einer sehr spannenden Phase. Nachdem wir eine schwierige, sehr schwierige erste Saisonhälfte hinter uns brachten, sieht man jetzt am Horizont, wozu die Mannschaft fähig ist. Und wirtschaftlich werden in diesen Wochen die entscheidenden Weichen gestellt für die nächste Saison, um Sponsoring-Verträge zu verlängern und gegebenenfalls neue Partner zu finden. Von daher kann von Entspannung keine Rede sein. Das ist allerdings kein Problem, wir können mit dieser Anspannung gut leben.
SPOX: Angesichts der bisher wechselhaften Saison fällt es schwer, den Leistungsstand Ihrer Mannschaft zu bewerten. Welche Schulnote würden Sie für die erste Saisonhälfte vergeben?
Pesic: Die Ausschläge im Sport sind so extrem, die Höhen und Tiefen kommen in einer solch schnellen Frequenz, dass man unseriös wäre, schon jetzt eine Schulnote zu vergeben und ein Fazit zu ziehen. Am 4. Januar haben wir das BBL-Spiel in Bamberg mit 17 Punkten verloren - und exakt zehn Tage später in das Eurocup-Spiel Bamberg nach einer fast perfekten Leistung mit 38 Punkten gewonnen. Was sagt uns das? Vor allem eins: Dass eine Bewertung, Stand jetzt, keinen Sinn ergibt.
SPOX: Ihr Vater Svetislav Pesic hingegen hat als Head Coach immer wieder seine Unzufriedenheit bekundet und die Einstellung der Mannschaft, vor allem in der Verteidigung, in Frage gestellt.
Pesic: Die Mannschaft tat mir allerdings auch etwas leid. Denn seit dem Saisonstart war alles ein Kampf. Ein Kampf, dass alle gesund werden und fit bleiben - und dann geht mit der nächsten Verletzung alles wieder von neuem los. Wie jetzt: Wir waren gerade einmal zwei Wochen mit unserem ursprünglichen Kader komplett - und dann verletzt sich Nihad Djedovic wieder so schwer, dass er bis April fehlen wird. Wenn gleichzeitig die Leistungen nicht stimmen, entsteht eine große Frustration. Seit dem neuen Jahr ist die Grundstimmung aber deutlich positiver und es gilt, diese besondere Atmosphäre zu schützen.
SPOX: Das Verletzungspech ist auffällig. Können die Ausfälle die teils sehr nachlässige Defense entschuldigen?
Pesic: Man muss differenzieren: Es stimmt, dass es in der Eins-gegen-eins-Defense sehr oft um die Einstellung des Spielers geht und nicht um die Verletzungen anderer. In der Team-Defense hingegen sind Automatismen elementar, das beginnt schon im Training, daher hatten wir in dem Punkt solche Probleme. Wobei ich mir gewünscht hätte, dass wir trotz aller Probleme besser und vor allem konstanter verteidigt hätten. Jetzt geht es darum, die von Saisonstart an starke Offense und die Defense zu synchronisieren. Über die gesamten 40 Minuten eines Spiels gelingt es uns immer noch nicht, aber es wird spürbar besser.
SPOX: Svetislav Pesic haderte nicht nur mit den Ausfällen und der Defense, sondern mit der generellen Qualität des Kaders. Im Dezember wandte er sich explizit an die Medien, um seiner Forderung nach mehr Budget Nachdruck zu verleihen.
Pesic: Das hat er so gar nicht gesagt. Und Trainer dieser Kategorie sind nie zufrieden. So ticken sie und das ist der Grund, weshalb sie so viel erreicht haben. In ihm steckt noch viel Energie und manchmal sagt er eben, was er denkt. Ob er damit etwas bezwecken wollte? Da müsste man ihn selbst fragen.
SPOX: Sein Vertrag läuft nach dieser Saison aus.
Pesic: Wir setzen uns im Laufe des Februars zusammen.
SPOX: Wie kann man es sich vorstellen, wenn der Geschäftsführer und Sohn mit dem Trainer und Vater verhandelt?
Pesic: So ist es ja nicht, die Gespräche laufen immer in einem angemessenen Rahmen ab. Das Präsidium und Volker Stix als mein Geschäftsführer-Kollege werden ebenfalls am Tisch sitzen und wir werden sehen, wie die Perspektive ist.
SPOX: In der Basketball-Szene geht jeder davon aus, dass der Trainer bleibt.
Pesic: Was klar ist: Nicht jeder Trainer kann eine Mannschaft wie den FC Bayern übernehmen. Wir verlangen nicht nur, dass jemand ein-, zweimal am Tag das Team trainiert und es auf ein Spiel vorbereitet. Wir brauchen jemanden, der unsere Spielphilosophie und das System mitträgt, das bis runter in den Jugendbereich reicht. Von solchen Kalibern gibt es nicht viele, und er gehört zu ihnen. Wir sind beiderseitig mit dem Ist-Zustand zufrieden und jetzt hängt es davon ab, ob eine Situation darstellbar sein wird, die für den Klub passt und ihn zugleich motiviert, weiterzumachen.
SPOX: Stimmt es, dass Sponsoren Schlange stehen und die Bayern-Basketballer das Budget erneut erhöhen können?
Pesic: Bei den Sponsoren verfolgen wir zwei Grundprinzipien. Erstens: Wir gehen nicht raus und sprechen 30 Unternehmen an. Stattdessen möchten wir einen geschlossenen kleinen Kreis an potenten Sponsoren mit internationalem Gewicht, mit denen wir gemeinschaftlich etwas aufbauen können. Zweitens: Wir wollen mit den Partnern Kontinuität leben und ihnen unsere gemeinsame Perspektive aufzeigen. Daher sind wir zuversichtlich, dass wir unser Budget weiterentwickeln und verbessern werden. Es kann nicht unser Ziel sein, zu stagnieren und zu verwalten. Ob zusätzliche Mittel komplett in die Mannschaft investiert werden oder an der Halle und Infrastruktur gearbeitet wird, müssen wir gemeinsam mit dem Präsidium entscheiden. Wie auch immer: Wir werden unserem Trainer, wer immer es sein wird, für die nächste Saison sehr gute Voraussetzungen bieten können.
SPOX: Zuletzt wurde Svetislav Pesic von Bayerns Sportvorstand Matthias Sammer bei einem Termin mit Fußball-Journalisten in den höchsten Tönen gelobt. Was steckt dahinter?
Pesic: Matthias Sammer ist jemand, der über den Tellerrand hinausschaut. Ein Beispiel: Ich selbst habe die Handball-WM sehr intensiv verfolgt - und das vor allem wegen Katar. Von den sicher berechtigten Diskussionen über die Einbürgerungen abgesehen, ist es aus sportlicher Sicht doch sehr interessant und bemerkenswert, was Katar gelungen ist. Der Nationaltrainer Valero Rivera hat es in kurzer Zeit geschafft, aus Einzelspielern unterschiedlichster Länder eine Mannschaft mit einer spielerischen Identität zu formen. So etwas ist spannend und genau das, woran auch Matthias interessiert ist. Wie funktioniert eine andere Sportart? Welche Methoden der Personalführung gibt es?
SPOX: Das Bayern-Basketball-Projekt wurde maßgeblich von Uli Hoeneß initiiert. Zu den Verantwortlichen der restlichen Fußball-Abteilung war eine gewisse Distanz zu vernehmen. Spüren Sie nun eine größere Unterstützung von den Fußballern?
Pesic: Ich habe schon den Eindruck, dass wir noch mehr als zu Beginn in der großen Bayern-Familie angekommen sind, unsere Arbeit geschätzt und als Bereicherung der Weltmarke FC Bayern gesehen wird. Was das Sportliche anbelangt, bewegen wir uns in der Zusammenarbeit sicherlich auf einem sehr hohen Niveau, seit Matthias Sammer und Pep Guardiola da sind. Mein Vater kennt Pep von der gemeinsamen Zeit beim FC Barcelona sehr gut und sie tauschen sich regelmäßig aus. Pep ist ein großer Basketball-Fan und das gegenseitige Verständnis ist groß. Daher hilft man sich und wir profitieren vor allem in der medizinischen Abteilung sehr.
VOTING Wie würde Euer EM-Kader aussehen?
SPOX: Die Basketballer wurden wie die Fußballer deutscher Meister. Doch zum ganzheitlichen Ansatz des Vereins gehört es, eine starke Nachwuchsabteilung zu besitzen. Wie weit sehen sie sich?
Pesic: Wir haben es vorher nie öffentlich gesagt, aber intern ist es definitiv so: Die Entwicklung der Jugendabteilung ist uns genauso wichtig wie die Erfolge der Profimannschaft. Als wir anfingen, hatten wir mit Bogdan Radosavljevic nur einen Jugend-Nationalspieler - jetzt sind es neun. Wir investieren sehr viel, um das zu fördern. Diese Tatsache wird bei den ewigen externen Debatten über unser Budget leider vernachlässigt. Beim Nachwuchs sind wir noch viel geduldiger als beim Profiteam: Titel im Nachwuchsbereich sind uns zwar wichtig, aber nicht das primäres Ziel. Es geht darum, nachhaltig Talente zu fördern und ich sehe bei uns vier, fünf Nachwuchsspieler, die ein unglaubliches Potenzial besitzen und mittelfristig in die erste Mannschaft aufrücken könnten. Mein großes Ziel ist es, diese Durchlässigkeit zu fördern. Bei Alba Berlin habe ich erlebt, wie es ist, mit vier, fünf Freunden die Jugendteams zu durchlaufen und plötzlich bei den Profis gemeinsam die deutsche Meisterschaft zu gewinnen und im Nationalteam Erfolge zu feiern. Nur so entsteht eine Identifikation im gesamten Verein.
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