Trainer-Legende Svetislav Pesic erlebte in Berlin Denkwürdiges und das beste Jugendteam der Geschichte. Doch warum kam es zum Zerwürfnis mit Alba-Boss Marco Baldi? Und zum Streit mit einer College-Legende? Der Bayern-Coach spricht vor Spiel 2 der Playoff-Halbfinals gegen seinen Ex-Klub (Do., 19 Uhr im LIVE-TICKER) über die Hochnäsigkeit einiger NBA-Vertreter, den schwierigen Fall "Paul Zipser" und das Werben um Tibor Pleiß und Maxi Kleber.
SPOX: Herr Pesic, Alba Berlin, Bayerns Gegner im Playoff-Halbfinale, feiert in dieser Saison seinen 25. Geburtstag. Was empfinden Sie noch für Ihren ehemaligen Verein?
Svetislav Pesic: Die Zeit in Berlin ist unvergessen und ich fühle mich zum Verein dazugehörig. Ich weiß nicht, ob die Verantwortlichen mich als Teil der Familie sehen, aber ich sehe mich weiterhin so. Und nicht als irgendeinen Teil, sondern als einen sehr wichtigen für die gesamte Entwicklung des Klubs.
SPOX: Wie kommt es, dass das Verhältnis zwischen Alba-Geschäftsführer Marco Baldi und Ihnen derart zerbrach? Auch wenn beide Seiten während dieser Playoff-Halbfinal-Serie um Deeskalation bemüht sind, ist die Feindseligkeit beinahe zu greifen.
Pesic: Ich bin immer noch sehr überrascht über das Verhalten einiger früherer Kollegen. Unsere damalige gemeinsame Philosophie lautete, nie negativ über die Konkurrenz zu sprechen. Leverkusen hatte seinen Weg, wir unseren - und darauf haben wir uns konzentriert. Und das mit Erfolg. Wir waren der erste deutsche Basketball-Klub der Neuzeit, der nicht nur national, sondern auch international gedacht hat. So gewannen wir den Korac-Cup und erreichten zweimal das Viertelfinale der Euroleague, die damals Europapokal der Landesmeister beziehungsweise SuproLeague hieß. Wir erlebten eine sehr erfolgreiche Zeit, entsprechend erstaunt bin ich über das Verhalten: Als ich bei den Bayern unterschrieb, fing Marco ohne Grund an, viel mehr über die Bayern, über mich und über unser Scouting und das angebliche Budget zu sprechen als über sich. Beim ersten Mal blieb ich noch ruhig, beim zweiten Mal sagte ich dann offen: "Es reicht, hör' damit auf! Schau lieber, dass du bei Alba einen guten Job erledigst!" Seitdem hat er sich nicht mehr gemeldet.
SPOX: Sie könnten in den Playoffs in kürzester Zeit fünfmal auf Alba treffen. Reicht man sich eigentlich die Hand?
Pesic: Ganz ehrlich: In der letzten Zeit gab es nie die Gelegenheit, sich die Hand zu geben. Marco kennt mich gut und er ist in München immer willkommen. Er weiß, dass ich immer ehrlich und geradeheraus bin.
SPOX: Sie und Baldi gewannen mit Alba nicht nur vier deutsche Meisterschaften, sondern waren gemeinsam mit Kooperationspartner TuS Lichterfelde verantwortlich für ein nach wie vor einzigartiges Jugendkonzept. Wie blicken Sie darauf zurück?
Pesic: Nicht Marco oder ich waren die entscheidenden Personen, sondern Peter Klingbiel, der später zum Generalsekretär des DBB ernannt wurde und leider viel zu früh verstarb. Er hat das einmalige Konzept gegründet und geprägt. Ich hatte schon als Bundetrainer auf seine Bitte hin zwei, dreimal pro Jahr TuSLi besucht und die Jungs trainiert. Und Albas Kooperationsvertrag mit TuSLi, den Marco und Peter unterschrieben, war ein sehr wichtiger Grund für mich, 1993 in Berlin zu unterschreiben. Es ist unglaublich: Alleine in der 74/75er-Generation gab es Ademola Okulaja, Drazen Tomic und die Lütcke-Brüder, später Mithat Demirel, meinen Sohn Marko und so weiter. Dazu kamen blutjunge Talente von außerhalb, Sven Schultze aus Bamberg, Nino Garris aus Paderborn. Man muss sich das heute einmal vorstellen: Mit diesen Jungs und unter meinem heutigen Assistenten Emir Mutapcic gewann TuSLi zweimal die zweite Liga, qualifizierte sich sportlich für die Bundesliga und verzichtete freiwillig auf die Aufstiege.
SPOX: Die damalige Alba- und TuSLi-Generation prägt den deutschen Basketball der Gegenwart, sei es als Trainer wie Albas aktueller Coach Sasa Obradovic, Henrik Rödl, Ingo Freyer und Sebastian Machowski. Oder auch als Spielerberater. Hätten Sie gedacht, dass aus Ihrem Sohn Marko, bevor er zu den Bayern ging, und Okulaja zwei der erfolgreichsten Agenten der Branche werden? Okulaja ebnete unter anderem Dennis Schröders Weg in die NBA.
Pesic: Bei Marko dachte ich immer, dass er zu einem Coach wird, er besaß immer diesen besonderen Blick auf den Basketball. Irgendwie hat er trotzdem den Weg ins Management gefunden. Im Falle von Ademola war ich mir nie sicher, welche Rolle er einnimmt. Dass er im Basketball bleibt, wusste ich. Er war immer von Kopf bis Fuß auf den Sport fokussiert und ist ein Beweis, dass man nicht das allergrößte Talent besitzen muss, um zu einem der Weltbesten auf seiner Position zu werden. Mit Fleiß kam er in die NBA und in die spanische Liga. Als Agent hat er offenbar das richtige Gespür und ich glaube, dass seine Spieler viel von ihm lernen können.
SPOX: Es heißt, das Verhältnis zwischen Ihnen und Okulaja wäre seit 20 Jahren schwierig, weil er sich 1995 dazu entschloss, ans College zur University of North Carolina zu wechseln, und Sie ihm das nie verziehen hätten.
Pesic: Nein, UNC hatte damit nichts zu tun, es ging um eine spätere Geschichte. 2002 übernahm ich den FC Barcelona und Ademola hatte noch einen Vertrag beim Klub. Allerdings sagte ich sofort zum General Manager: "Mit Ademola als Starter kann ich die Euroleague nicht gewinnen, ich will Gregor Fucka holen." Ich hätte ihn als Backup behalten, aber finanziell war es nicht möglich, daher wechselte er nach Malaga. Ademola war deswegen sehr enttäuscht von mir.
SPOX: Okulaja hingegen sagt im SPOX-Interview, dass der Weggang zur UNC und Ihre Abneigung gegenüber dem US-Basketball den Riss verursacht hätte.
spoxPesic: Wegen UNC blieb nichts hängen. Nur eine Geschichte verlief sehr unglücklich. Als Ademola noch bei Alba spielte, trainierten wir in der Charlottenburg-Sporthalle. Auf den Rängen saß während der Einheit nur ein Zuschauer, ein älterer Herr. Ich fragte meinen damaligen Assistenten Burkhardt Prigge, wer das ist. Burkhardt: "Das ist Dean Smith von UNC. Er schaut sich Ademola an." Ich: "Dean Smith? Was macht er hier? Und wer hat es ihm erlaubt?" Burkhardt: "Ich weiß es nicht, er ist einfach angereist." Nach dem Training kam also Smith auf mich zu, gab mir die Hand und sagte: "Gutes Training, Coach." Ich konnte es mir nicht verkneifen und wollte die Respektlosigkeit zurückzahlen, daher fragte ich: "Wer sind Sie überhaupt?" Dean Smith schaute ganz überrascht und erklärte: "Ich heiße Dean Smith und bin Coach der UNC." Danach lud er mich zum Abendessen in sein Hotel ein und wir haben lange geredet. Dabei habe ich ihm gesagt, dass ich es für falsch halte, wenn Ademola ans College geht und dass sich Smith unabhängig davon im Vorfeld hätte anmelden müssen. Denn so fühlt man sich zur zweiten Liga degradiert und es spricht nicht gerade für Manieren. Smith entschuldigte sich dafür. Er war davon ausgegangen, dass uns Ademola informiert. Nach dem Gespräch mit Smith traf ich mich noch einmal mit Ademolas Mutter, um ihn vom Bleiben zu überzeugen, sie entschieden leider anders.
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SPOX: Sie gelten nicht als Befürworter des Colleges. Was halten Sie davon, dass Albas größtes Talent Moritz Wagner nach dieser Saison an die University of Michigan geht?
Pesic: Ich kenne ihn nicht gut genug. Es gibt Beispiele aus der Vergangenheit wie Mike Koch und Henning Harnisch, die nie ans College gingen und alles glatt lief. Umgekehrt besuchten Rödl und Kai Nürnberger das College und hatten eine großartige Karriere. Pauschal konnte man es früher nicht sagen. Heutzutage hat es sich gewandelt. Die deutschen Klubs bewegen sich auf einem viel höheren professionellen Niveau, deswegen gibt es eigentlich keinen Grund, in die USA zu wechseln. Meine Meinung: Durchschnittliche Spieler können weiter das College besuchen, sie haben nichts zu verlieren - die Talente erster Klasse sollten hingegen höchstens für ein Jahr rüber. In der Zeit können sie sich in den USA umschauen, Englisch lernen und selbstständiger werden. Mit dem letzten Spiel nehmen sie den allerersten Flieger zurück nach Europa und beweisen sich unter professionellen Bedingungen. Wenn Moritz zu den Talenten erster Klasse gehört, würde ich ihm raten, nach einem Jahr zu Alba zurückzukehren.
SPOX: Dennoch stellt sich die Frage nach der deutschen Jugendförderung. Beim Next-Generation-Turnier, dem renommiertesten Nachwuchswettbewerb Europas, bestritten wie im Vorjahr Real Madrid und Roter Stern Belgrad das Finale. Warum ist Roter Stern, trotz überschaubarem Budget, den deutschen Klubs im Juniorenbereich so überlegen?
Pesic: Es gibt derzeit zwei gegenüberliegende Ansätze: Auf der einen Seite stehen Real und mittlerweile auch Barca, die ausländische Talente scouten und sie selbst ausbilden - mit allen Risiken. Wer erinnert sich daran, dass Bojan Bogdanovic von den Brooklyn Nets als Jugendlicher lange bei Real war, dort in Vergessenheit geriet und erst mit der Rückkehr nach Kroatien den Durchbruch schaffte? Er hätte es viel früher in die Euroleague und in die NBA schaffen können. Auf der anderen Seite steht Roter Stern, die nur mit einheimischen Spielern antreten. Natürlich bevorzuge ich diesen Ansatz.
SPOX: Zur Entschuldigung der deutschen Klubs: So viele Talente wie in Serbien gibt es hierzulande nicht.
Pesic: Das stimmt - doch kann das eine Entschuldigung sein? Für mich nicht. Wenn es ein deutscher Klub in der Euroleague irgendwann mit Real Madrid aufnehmen will, lautet die entscheidende Frage: Können es die vorgeschriebenen sechs deutschen Spieler beim deutschen Klub mit den fünf, sechs spanischen Spielern von Real aufnehmen? Stand jetzt nicht. Deutschland besitzt nicht die Auswahl wie Serbien, Spanien, Russland, die Türkei oder Italien, weil nicht so viele Menschen Basketball spielen. Das bedeutet nicht, dass man aufgeben sollte. Die Lösung ist: Die deutschen Talente müssen mehr, viel mehr trainieren als die spanischen Talente, dann gibt es eine Chance. Vor allem im athletischen Bereich sind die Defizite weiterhin offensichtlich.
SPOX: Die U19 der Bayern wurde in diesem Jahr deutscher Meister, mit Dejan Kovacevic und dem erst 16-jährigen Richard Freudenberg besitzen mindestens zwei Spieler ausgezeichnete Profi-Perspektiven. Wie weit sehen Sie die Nachwuchsarbeit Ihres Vereins?
Pesic: Das sind zwei von vielen Eigengewächsen bei uns. Wir haben eine Linie gefunden und die Voraussetzungen geschaffen. Der Coaching-Staff, die drei Hallen zum Trainieren, der Kraftraum, das passt. Die entscheidende Frage lautet: Wie verbinden wir Sport mit Schule? In Litauen gibt es das Sabonis-Zentrum und die Marciulionis-Akademie, in Serbien betreiben die Klubs wie Roter Stern eigene Internate. Nur so kann beispielweise vor der ersten Schulstunde regelmäßig ein Training durchgeführt werden. Warum haben wir so etwas nicht im deutschen Basketball? Im Fußball gibt es das. Nehmen wir Dejan Kovacevic, der in München geboren und aufgewachsen ist: Er macht dieses Jahr Abitur und kann sich ab nächster Saison auf den Basketball konzentrieren. Bis jetzt war es ein Spagat, um Schule und Sport zu verbinden. Dass Dejan trotzdem so gut ist und wegen der Herkunft seiner Eltern vom serbischen Verband angefragt wird, für die U-20-Nationalmannschaft zu spielen, darf man als Erfolg sehen. Jetzt entschied er sich stattdessen für die deutsche U20. Aber es bleibt dabei: Es gibt in Deutschland kein Modell, alles ist Improvisation.
SPOX: Sie betonen immer wieder, dass deutsche Talente mehr trainieren müssten. Simpel gefragt: Warum machen sie es nicht?
Pesic: Ich sage immer: "Junge Spieler sind wie Schilf - sie wachsen schnell und können noch schneller einknicken." Und das ist in Deutschland besonders der Fall. Die Jugendlichen lassen sich ablenken: Von Agenten, vom Klub, von den Eltern, von den Freunden, von den Journalisten, von den Schlagzeilen im Internet über sich. Und speziell hierzulande gibt es noch den Nowitzki-Faktor, dass - warum auch immer - jeder große Spieler zum Power Forward ausgebildet werden will. Dabei sollte die Basis von allem die Spieler-Trainer-Beziehung sein. Agenten, Klubs und Journalisten haben ihre eigenen Interessen und die berufstätigen Eltern heutzutage doch kaum mehr Zeit, sich um ihre Kinder zu kümmern. Umso größer ist die Verantwortung beim Trainer, der an das Wohl seines Spielers und an nichts anderes denkt. Wenn der Trainer zu Geduld mahnt, sollte das Talent zuhören.
SPOX: Was halten Sie von Paul Zipsers Meldung für die Early-Draft-Liste der NBA?
Pesic: Vor zwei, drei Jahren war Zipser eines der ganz wenige Talente, das sich nie davon beeinflussen ließ, ob irgendein College anruft. Er traf ganz bewusst die Entscheidung, in Deutschland zu bleiben und sich hier auszubilden.
SPOX: In der Branche heißt es, dass er zuletzt falsch beraten wurde.
Pesic: Ich begrüße jeden Spieler mit Ambitionen. Wenn Pauls Ziel lautet: "Ich will in die NBA", ist das legitim und okay. Dennoch möchte ich nicht sagen, dass ich die Entscheidung unterstütze. Ich habe viel erlebt und viel gesehen, daher weiß ich viel. Das will ich vermitteln. Und aus meiner Perspektive wurden viele europäische Spieler in der zweiten Runde gedraftet, die jetzt nicht mehr Basketball spielen.
SPOX:NBA-Scouts haben gegenüber SPOX Zipsers Potenzial gelobt. Sie könnten das als Kompliment für Ihre Arbeit sehen.
Pesic: Das ist mir egal - und das aus zwei Gründen. Erstens: Ich will nicht die zweite Liga oder die Farmliga der NBA sein. Ich bin nicht da, um Spieler für die NBA auszubilden, wo sie nur auf der Bank sitzen. Europa ist kein Ausbildungszentrum der NBA, zu dem jeder Scout anreisen kann, wann er will, und sich einfach Spieler aussucht. Die NBA-Scouts sind nicht unsere Kolonialherren.
SPOX: Zweitens?
Pesic: Zweitens: Mein Ziel als Trainer ist es nicht, NBA-Spieler zu entwickeln. Mein Ziel ist es, echte Basketballer zu formen, die Talent in Erfahrung und Können umwandeln. Wenn sie diesen Sprung schaffen, kommt die NBA automatisch. Sie gewinnen in Europa Titel, das Selbstbewusstsein wächst, man strahlt eine Winner-Mentalität aus, die NBA wird auf einen aufmerksam und es geht als gestandener Profi mit breiter Brust nach Amerika. Von wenigen Ausnahmen wie Dirk Nowitzki abgesehen ist das der einzig richtige Weg.
SPOX: Sie lassen Zipser sehr selten spielen, wenn überhaupt in der Garbage Time wie bei der Auftaktniederlage in Berlin. Eine Lektion?
Pesic: Glauben Sie mir: Ich denke viel mehr über Zipser nach als jeder Journalist und Experte. Wir müssen unterscheiden zwischen Basketball trainieren und Basketball spielen. Paul befindet sich in der Phase, in der er Basketball TRAINIEREN muss. In den Einheiten und auch in einem Spiel. In den Minuten, die er bekommt, soll er Spitzenbasketball trainieren. Zipser hat eine gute Einstellung, er ist intelligent, er besitzt die Physis und die Ruhe, die ein Spieler auf seiner Position benötigt. Und er wird von den Mitspielern respektiert. Nur: Er hatte zwei schwere Verletzungen. Deswegen muss er noch viel lernen. Ich kann allerdings schon jetzt voraussagen: Nächstes Jahr wird er, wenn er gesund bleibt, Basketball spielen.
SPOX: Was genau muss Zipser lernen?
Pesic: Nur so viel: Im Basketball geht es immer darum, eine Balance zu finden zwischen Offense und Defense. Wir möchten aus ihm keinen Verteidigungsspezialisten machen, trotzdem wollen wir eine bessere Balance. Schröder hat sich vor allem mit seiner Defense in der NBA durchgesetzt.
SPOX: Wie meinen Sie das?
Pesic: Viele achten nur auf seine Punkte oder Assists, wobei Schröder offensiv noch gar nicht so weit ist und als Point Guard lernen muss, ein Spiel besser zu organisieren. Dass er Minuten erhält, hat mit seiner Verteidigung zu tun: Er macht Druck am Ball, hat lange Arme und schnelle Beine und er spielt in der Defense konstant und mit wenigen Fehlern. So etwas mögen Coaches und so etwas bringt einem den Respekt von NBA-Veteranen ein, das sieht man in Atlanta. Zipser sollte das beherzigen, zumal auf der Shooting-Guard- und Small-Forward-Position die Konkurrenz noch größer ist als bei den Point Guards.
SPOX: Könnte die Summer League Zipser helfen, sich an den NBA-Basketball zu gewöhnen? Sie sind erklärter Gegner der Summer League, aber Schröder hatte im letzten Sommer daran teilgenommen.
Pesic: Zipser wird nicht an der Summer League teilnehmen, weil er weiß, dass es ihm nichts bringt. Die Summer League ist ein Zirkus: Man lernt nichts und man bietet sich nicht der NBA an. Die Teams haben ohnehin Scouts in Europa und wissen alles. Warum sollte man daran teilnehmen? Von der Summer League profitieren drei Gruppen: Sophomores wie Schröder, die in der ersten Runde des Vorjahres gedraftet wurden und fest bei ihrem NBA-Team unter Vertrag stehen, können dort ein bisschen trainieren. Europäische Teams können auf einem Fleck alle nicht gedrafteten College-Spieler beobachten. Und Agenten, die ihre europäischen Spieler unterbringen und so zeigen können, dass sie für das Geld arbeiten.
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SPOX: Maxi Kleber wollte zuletzt die Summer-League-Teilnahme nicht ausschließen.
Pesic: Ich hoffe, dass es nur die Überlegung seines Agenten ist. Kleber müsste sich auf die EM und die Nationalmannschaft konzentrieren.
SPOX: Sie begleiten seit langem Robin Benzing, der ebenfalls von der NBA träumt. Warum stagniert er seit einigen Jahren?
Pesic: Er kann immer noch Basketball auf europäischem Niveau spielen. Er besitzt Basketball-Verständnis, Größe, Wurf, Ballhandling, Pass-Fähigkeiten, Vielseitigkeit. Was ihm fehlt, ist die angeborene Athletik.
SPOX: Ihm hängt der Vorwurf nach, nicht genug zu trainieren.
Pesic: Mit dem richtigen Training kann man sich im Athletikbereich um zehn bis 20 Prozent verbessern. Und ich glaube schon, dass er daran gearbeitet hat - nur nicht immer in den Phasen, in denen es besonders wichtig gewesen wäre. In Ulm wurde er 30 Minuten pro Spiel eingesetzt, egal wie die Leistung war. Es half ihm nicht in seiner Entwicklung, obwohl er viele Punkte machte. Er hätte sich in Ulm die Minuten erarbeiten müssen. Dazu kam die deutsche Nationalmannschaft...
SPOX: Wie meinen Sie das?
Pesic: Seit 2009 ist Robin der einzige, der in jedem Sommer dem DBB-Team zur Verfügung stand, sogar letztes Jahr bei der EM-Quali. Bitte nicht falsch verstehen: Jeder meiner Spieler sollte für sein Land zur Verfügung stehen und ich unterstütze das. Allerdings hatte es für Robin negative Folgen. 2013 war er den gesamten Sommer verletzt und nahm an der EM teil. Wir sprachen mit dem damaligen Bundestrainer Frank Menz lange über das Thema und ich betonte, dass es Zeit wäre für eine richtige Pause. Robin und Menz hingegen wollten unbedingt, dass er spielt, daher habe ich das akzeptiert. Wir wollten ja nicht, dass es auf einmal heißt: "Der Pesic und die Bayern schwächen Deutschland."
SPOX: Benzing ist 26 Jahre alt und steht am Scheideweg der Karriere, sollte er in die europäische Spitze vordringen wollen. Was raten Sie ihm für diesen Sommer?
Pesic: Es wäre absolut notwendig, dass er einen Sommer nicht spielt, sondern an seinen physischen Defiziten spezifisch arbeitet, um das nachzuholen, was vorher vernachlässigt wurde. In einer laufenden Saison ist das nicht möglich. Aber jetzt kommt ausgerechnet die Heim-EM. Wenn sie nicht in Deutschland stattfinden würde, könnte man mit Chris Fleming reden. So wird es schwierig.
SPOX: Bei den Bayern sind zur kommenden Saison mit Zipser und den eingebürgerten Nihad Djedovic sowie Anton Gavel bereits drei der sechs Planstellen für deutsche Spieler vergeben. Was heißt das für den vertragslosen Benzing?
Pesic: Ein Vertrag muss eigentlich von beiden Seiten respektiert werden, jedoch bedeutet das heutzutage gar nichts mehr. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.
SPOX: Heißt: Für Benzing ist ein Verbleib denkbar?
Pesic: Ich würde mich sehr freuen, wenn er bleibt. Wir sprachen mit seinem Agenten und ich antwortete spontan: Ich rechne mit ihm, ich weiß gleichzeitig nicht, ob er selbst damit rechnet, bei den Bayern zu bleiben.
SPOX: Wie geht es mit Heiko Schaffartzik weiter? Sein Vertrag endet ebenfalls und in einem Interview zuletzt klang es durch, als ob Sie mit seinem Einsatz und Ehrgeiz nicht zufrieden wären.
Pesic: Diese Darstellung ist sehr verkürzt, Ich habe allgemein über deutsche Spieler gesprochen. Ich unterteile den deutschen Basketball in drei Generationen: Die 93er EM-Nationalmannschaft mit Harnisch, Koch, Baeck, dann die Generation Nowitzki, Okulaja, Marko, dann die dritte Generation mit dem Jahrgang 84/85 bis 90 mit Heiko, Lucca, Robin, Tim Ohlbrecht, Philipp Schwethelm, und wie sie alle heißen. Und in der dritten Generation hat zum Beispiel Heiko die beste Entwicklung aller Spieler genommen. Er hatte nur normales Talent, eine normale Physis und er glich das mit zusätzlicher Arbeit und Motivation aus. Trainingsfleiß muss er also nicht lernen. Es gibt andere Dinge, auf die ich nicht näher eingehen möchte.
SPOX: Schaffartzik ist 31 Jahre alt. Kann er sich noch verbessern?
Pesic: Ja, Heiko schon. Menschen, die sich ehrlich ihre Schwächen eingestehen und daran arbeiten, zeigen ihren Charakter. Und Heiko besitzt Charakter.
SPOX: Selbst wenn Schaffartzik und Benzing bleiben, stellt sich die Frage nach Verstärkungen. Wie ist die Lage bei Barcelonas Tibor Pleiß?
Pesic: Es gibt viele Topteams in Europa, die Tibor gerne haben möchten, und wir sicherlich auch. Tibor könnte schon jetzt NBA spielen, davon bin ich überzeugt. Sollte das nicht klappen, glaube ich, dass Tibor seine Entscheidung schon getroffen hat. Und wahrscheinlich ist es wirklich das Beste, wenn er ein weiteres Jahr in Barcelona bleibt. In Vitoria verlief das erste Jahr ebenfalls schwierig und er wurde dadurch noch stärker. Wenn er sich anders orientiert, wäre er bei uns immer willkommen.
SPOX: Kleber ging ebenfalls nach Spanien und überzeugte beim Mittelfeld-Klub Obradoiro CAB, wo er einen für nächste Saison gültigen Vertrag besitzt. Dass die Bayern sich mit ihm beschäftigen, ist bekannt.
Pesic: Ich war letztes Jahr überrascht, dass Kleber zu diesem Verein gewechselt ist. Ihm tat es offenbar gut, obwohl es sportlich in Deutschland viele Alternativen gegeben hätte, wo er einen ähnlichen Weg gegangen wäre. Was klar ist: Seine Karriere verläuft positiv und er besitzt Zukunft. Was jetzt die beste Lösung für ihn ist? Ich weiß, dass der FC Bayern sein Lieblings-Fußball-Klub ist, der zufälligerweise eine Basketball-Abteilung betreibt. (lacht)
SPOX: Unabhängig vom Verlauf der diesjährigen Playoffs planen die Bayern die nächste Saison: Neben Verstärkungen für ein besseres Abschneiden im europäischen Wettbewerb gehört ein Spiel gegen ein NBA-Team, sei es in den USA oder in München, zu den strategischen Zielen. Was halten Sie als NBA-Skeptiker davon? Besonders, wenn die Saisonvorbereitung gestört werden würde?
Pesic: Ich möchte nicht, dass der Eindruck aufkommt, ich würde die NBA ablehnen. Solange sie uns auf Augenhöhe begegnet, ist sie immer willkommen und ich würde mich besonders auf ein Spiel in München freuen. Sportlich könnten wir nur profitieren, wenn wir uns mit den Besten der Besten messen. Ein Erfolg in der Vorbereitung wie von Alba gegen San Antonio trauen wir uns ebenfalls zu. Das würde dem Team Selbstvertrauen geben.
SPOX: Marko brachte die Möglichkeit ins Gespräch, in der Allianz Arena unter freiem Himmel zu spielen. Wäre das nicht mehr Kirmes als sportlicher Wettbewerb?
Pesic: Wieso sollte das schlecht sein, wenn es schönes Wetter gibt? Wir betreiben Basketball sehr ernsthaft, aber immer mit dem Bewusstsein, dass wir ohne die Fans nichts wären. Und die Fans wollen Entertainment. Wenn ein Open-Air-Spiel gegen ein NBA-Team hilft, den Basketball zu fördern: Warum nicht?
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