"Es reicht, hör‘ damit auf!“

Svetislav Pesic trainiert den FC Bayern seit 2012
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Trainer-Legende Svetislav Pesic erlebte in Berlin Denkwürdiges und das beste Jugendteam der Geschichte. Doch warum kam es zum Zerwürfnis mit Alba-Boss Marco Baldi? Und zum Streit mit einer College-Legende? Der Bayern-Coach spricht vor Spiel 2 der Playoff-Halbfinals gegen seinen Ex-Klub (Do., 19 Uhr im LIVE-TICKER) über die Hochnäsigkeit einiger NBA-Vertreter, den schwierigen Fall "Paul Zipser" und das Werben um Tibor Pleiß und Maxi Kleber.

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SPOX: Herr Pesic, Alba Berlin, Bayerns Gegner im Playoff-Halbfinale, feiert in dieser Saison seinen 25. Geburtstag. Was empfinden Sie noch für Ihren ehemaligen Verein?

Svetislav Pesic: Die Zeit in Berlin ist unvergessen und ich fühle mich zum Verein dazugehörig. Ich weiß nicht, ob die Verantwortlichen mich als Teil der Familie sehen, aber ich sehe mich weiterhin so. Und nicht als irgendeinen Teil, sondern als einen sehr wichtigen für die gesamte Entwicklung des Klubs.

SPOX: Wie kommt es, dass das Verhältnis zwischen Alba-Geschäftsführer Marco Baldi und Ihnen derart zerbrach? Auch wenn beide Seiten während dieser Playoff-Halbfinal-Serie um Deeskalation bemüht sind, ist die Feindseligkeit beinahe zu greifen.

Pesic: Ich bin immer noch sehr überrascht über das Verhalten einiger früherer Kollegen. Unsere damalige gemeinsame Philosophie lautete, nie negativ über die Konkurrenz zu sprechen. Leverkusen hatte seinen Weg, wir unseren - und darauf haben wir uns konzentriert. Und das mit Erfolg. Wir waren der erste deutsche Basketball-Klub der Neuzeit, der nicht nur national, sondern auch international gedacht hat. So gewannen wir den Korac-Cup und erreichten zweimal das Viertelfinale der Euroleague, die damals Europapokal der Landesmeister beziehungsweise SuproLeague hieß. Wir erlebten eine sehr erfolgreiche Zeit, entsprechend erstaunt bin ich über das Verhalten: Als ich bei den Bayern unterschrieb, fing Marco ohne Grund an, viel mehr über die Bayern, über mich und über unser Scouting und das angebliche Budget zu sprechen als über sich. Beim ersten Mal blieb ich noch ruhig, beim zweiten Mal sagte ich dann offen: "Es reicht, hör' damit auf! Schau lieber, dass du bei Alba einen guten Job erledigst!" Seitdem hat er sich nicht mehr gemeldet.

SPOX: Sie könnten in den Playoffs in kürzester Zeit fünfmal auf Alba treffen. Reicht man sich eigentlich die Hand?

Pesic: Ganz ehrlich: In der letzten Zeit gab es nie die Gelegenheit, sich die Hand zu geben. Marco kennt mich gut und er ist in München immer willkommen. Er weiß, dass ich immer ehrlich und geradeheraus bin.

SPOX: Sie und Baldi gewannen mit Alba nicht nur vier deutsche Meisterschaften, sondern waren gemeinsam mit Kooperationspartner TuS Lichterfelde verantwortlich für ein nach wie vor einzigartiges Jugendkonzept. Wie blicken Sie darauf zurück?

Pesic: Nicht Marco oder ich waren die entscheidenden Personen, sondern Peter Klingbiel, der später zum Generalsekretär des DBB ernannt wurde und leider viel zu früh verstarb. Er hat das einmalige Konzept gegründet und geprägt. Ich hatte schon als Bundetrainer auf seine Bitte hin zwei, dreimal pro Jahr TuSLi besucht und die Jungs trainiert. Und Albas Kooperationsvertrag mit TuSLi, den Marco und Peter unterschrieben, war ein sehr wichtiger Grund für mich, 1993 in Berlin zu unterschreiben. Es ist unglaublich: Alleine in der 74/75er-Generation gab es Ademola Okulaja, Drazen Tomic und die Lütcke-Brüder, später Mithat Demirel, meinen Sohn Marko und so weiter. Dazu kamen blutjunge Talente von außerhalb, Sven Schultze aus Bamberg, Nino Garris aus Paderborn. Man muss sich das heute einmal vorstellen: Mit diesen Jungs und unter meinem heutigen Assistenten Emir Mutapcic gewann TuSLi zweimal die zweite Liga, qualifizierte sich sportlich für die Bundesliga und verzichtete freiwillig auf die Aufstiege.

SPOX: Die damalige Alba- und TuSLi-Generation prägt den deutschen Basketball der Gegenwart, sei es als Trainer wie Albas aktueller Coach Sasa Obradovic, Henrik Rödl, Ingo Freyer und Sebastian Machowski. Oder auch als Spielerberater. Hätten Sie gedacht, dass aus Ihrem Sohn Marko, bevor er zu den Bayern ging, und Okulaja zwei der erfolgreichsten Agenten der Branche werden? Okulaja ebnete unter anderem Dennis Schröders Weg in die NBA.

Pesic: Bei Marko dachte ich immer, dass er zu einem Coach wird, er besaß immer diesen besonderen Blick auf den Basketball. Irgendwie hat er trotzdem den Weg ins Management gefunden. Im Falle von Ademola war ich mir nie sicher, welche Rolle er einnimmt. Dass er im Basketball bleibt, wusste ich. Er war immer von Kopf bis Fuß auf den Sport fokussiert und ist ein Beweis, dass man nicht das allergrößte Talent besitzen muss, um zu einem der Weltbesten auf seiner Position zu werden. Mit Fleiß kam er in die NBA und in die spanische Liga. Als Agent hat er offenbar das richtige Gespür und ich glaube, dass seine Spieler viel von ihm lernen können.

SPOX: Es heißt, das Verhältnis zwischen Ihnen und Okulaja wäre seit 20 Jahren schwierig, weil er sich 1995 dazu entschloss, ans College zur University of North Carolina zu wechseln, und Sie ihm das nie verziehen hätten.

Pesic: Nein, UNC hatte damit nichts zu tun, es ging um eine spätere Geschichte. 2002 übernahm ich den FC Barcelona und Ademola hatte noch einen Vertrag beim Klub. Allerdings sagte ich sofort zum General Manager: "Mit Ademola als Starter kann ich die Euroleague nicht gewinnen, ich will Gregor Fucka holen." Ich hätte ihn als Backup behalten, aber finanziell war es nicht möglich, daher wechselte er nach Malaga. Ademola war deswegen sehr enttäuscht von mir.

SPOX: Okulaja hingegen sagt im SPOX-Interview, dass der Weggang zur UNC und Ihre Abneigung gegenüber dem US-Basketball den Riss verursacht hätte.

Pesic: Wegen UNC blieb nichts hängen. Nur eine Geschichte verlief sehr unglücklich. Als Ademola noch bei Alba spielte, trainierten wir in der Charlottenburg-Sporthalle. Auf den Rängen saß während der Einheit nur ein Zuschauer, ein älterer Herr. Ich fragte meinen damaligen Assistenten Burkhardt Prigge, wer das ist. Burkhardt: "Das ist Dean Smith von UNC. Er schaut sich Ademola an." Ich: "Dean Smith? Was macht er hier? Und wer hat es ihm erlaubt?" Burkhardt: "Ich weiß es nicht, er ist einfach angereist." Nach dem Training kam also Smith auf mich zu, gab mir die Hand und sagte: "Gutes Training, Coach." Ich konnte es mir nicht verkneifen und wollte die Respektlosigkeit zurückzahlen, daher fragte ich: "Wer sind Sie überhaupt?" Dean Smith schaute ganz überrascht und erklärte: "Ich heiße Dean Smith und bin Coach der UNC." Danach lud er mich zum Abendessen in sein Hotel ein und wir haben lange geredet. Dabei habe ich ihm gesagt, dass ich es für falsch halte, wenn Ademola ans College geht und dass sich Smith unabhängig davon im Vorfeld hätte anmelden müssen. Denn so fühlt man sich zur zweiten Liga degradiert und es spricht nicht gerade für Manieren. Smith entschuldigte sich dafür. Er war davon ausgegangen, dass uns Ademola informiert. Nach dem Gespräch mit Smith traf ich mich noch einmal mit Ademolas Mutter, um ihn vom Bleiben zu überzeugen, sie entschieden leider anders.

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