Nach fünf Jahren ist Tyrese Rice wieder zurück in Deutschland. Nach Stationen in Artland und bei den Bayern unterschrieb der kleine Point Guard und ehemalige Finals-MVP der EuroLeague bei Brose Bamberg. Im Interview mit SPOX spricht der Spielmacher über seine Ziele mit den Oberfranken, die Magie des Maccabi-Teams von 2014 sowie sein anstehendes Karriereende.
Heute um 20 Uhr startet Brose Bamberg in die Basketball Champions League. Alle Spiele werden live von DAZN übertragen.
SPOX: Mr. Rice, willkommen zurück in Deutschland. Hätten Sie gedacht, dass Sie noch einmal in der BBL auflaufen würden?
Tyrese Rice: Danke, es ist schön, wieder hier zu sein. Vorstellen konnte ich mir das immer, es war möglich und ist jetzt auch passiert.
SPOX: Es gab im vergangenen Jahr einen kleinen Machtwechsel in der BBL. Nach Jahren der Bamberger Dominanz sind nun die Bayern das Team, das es zu schlagen gilt. Wie kommt es, dass Sie nun in Bamberg untergekommen sind?
Rice: Ich finde hier eine gute Situation vor. Blickt man nur auf den Basketball, denke ich, dass die Entscheidung viel Sinn ergibt. Ich habe hier die Möglichkeit, noch einmal zu zeigen, dass ich es noch immer drauf habe und bin gleichzeitig Teil einer tollen Organisation. Bamberg hat jede Menge Tradition, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa. Bamberg hat sich in der EuroLeague einen guten Namen gemacht, auch wenn wir nun in der Basketball Champions League spielen. Ich denke, dass wir dort um den Titel mitspielen können und ich will dabei helfen, dass die Organisation das Rampenlicht bekommt, welches sie verdient.
SPOX: Vor Bamberg haben Sie auch für die Artland Dragons und die Bayern gespielt. Was ist es Ihrer Meinung nach, das die BBL ausmacht?
Rice: Die Stabilität ist natürlich immer ein wichtiger Faktor, vor allem für mich mit nun 31 Jahren. Ich lege viel Wert darauf, dass ich mich auf die Leute verlassen kann. Ich kann mich hier auf Basketball konzentrieren und muss mir um nichts anderes Sorgen machen. Hier habe ich ausschließlich gute Erfahrungen gemacht und hatte nie ein Problem. Es ist einfach eine perfekte Situation für mich.
SPOX: Sie haben inzwischen in Griechenland, Litauen, Israel, Spanien oder auch China gespielt. Was sind die Unterschiede zum deutschen Basketball und sehen Sie die BBL allgemein im europäischen Standing?
Rice: Die BBL ist auf jeden Fall viel besser geworden, seitdem ich damals in Quakenbrück unterschrieb. Klar, es herrschte ein ordentlicher Wettbewerb mit Bamberg, Oldenburg oder auch ALBA Berlin, die damals die Konstanten waren. Es gibt nun aber viel mehr Teams, die dir Spieltag für Spieltag alles abverlangen. Das merken natürlich auch die Spieler. Heute spielen in der BBL viel mehr Topspieler als noch vor fünf bis zehn Jahren.
SPOX: Sie sprechen den verschärften Wettbewerb in der Liga an. Was wollen Sie persönlich mit Brose Bamberg in dieser Saison erreichen?
Rice: Mir geht es nur ums Gewinnen. Wenn man gewinnt, läuft vieles leichter. Persönliche Auszeichnungen sind zwar nett, aber die brauche ich zu diesem Zeitpunkt meiner Karriere nicht mehr. Ich würde niemals zu einem Team gehen, welches nicht in der Lage ist, um einen Titel zu spielen. Wir haben eine gute Gruppe, einen guten Coaching Staff und natürlich ein gutes Management. Das ist alles, was man braucht, um sowohl in der BBL als auch in der Basketball Champions League ganz oben mitzuspielen.
SPOX: Als Sie in die BBL kamen, zählten Sie zum Beispiel bei den Dragons zu den jüngeren Spielern. Nun in Bamberg sind Sie einer der wenigen Routiniers, der die Youngster anführen soll.
Rice: Ich bin damit bestens vertraut. Ich denke, dass ich schon damals meine Teams angeführt habe, alleine deswegen, weil ich der Point Guard bin und dieser traditionell viel Verantwortung schultern muss. Es hat sich also nicht viel verändert. Ich werde weiterhin viel mit meinen Mitspielern sprechen und versuchen, ein Vorbild zu sein. Ich hoffe einfach, dass sie mich so akzeptieren und dass ich auch ihnen folge. Dann kann hier etwas Großes entstehen.
SPOX: Dass Sie ein großartiger Anführer sein können, bewiesen Sie 2014, als Sie Maccabi Tel Aviv völlig überraschend als MVP zum EuroLeague-Titel führten. Wie ist Ihnen dieses Team und dieser großartige Erfolg in Erinnerung geblieben?
Rice: So etwas wie bei Maccabi hatte und habe ich nie wieder erlebt. Wir waren eine echte Einheit, ich habe mich damals wie auf der High School gefühlt, so nahe standen wir uns in diesem Jahr. Es hatte den Vibe, als würden wir uns seit der frühesten Kindheit kennen und miteinander aufwachsen. Bis heute stehe ich mit vielen dieser Jungs im Kontakt und wir haben noch immer eine WhatsApp-Gruppe mit der alten Truppe. Wir reißen täglich Witze und besuchen uns auch untereinander. Es ist eine Verbindung, die niemals zerstört werden wird.
SPOX: Dieses Team wurde damals von David Blatt gecoacht und neben Ihnen standen auch noch Jungs wie Ricky Hickman oder ein gewisser Joe Ingles, der nun in der NBA Superstars wie Paul George mit seiner Spielweise entnervt, im Kader. Hätten Sie damals gedacht, dass er eine solche Karriere hinlegen würde?
Rice: Joe arbeitete schon damals unfassbar hart und hatte großes Vertrauen in sich selbst. Alles was er brauchte, war jemand, der ihm eine Chance gibt. Utah war einfach die perfekte Situation für ihn, auch weil niemand außer Utah ihm die Möglichkeit geben wollte, sich zu beweisen. Natürlich hatte er auch ein wenig Glück mit diversen Verletzungen von Konkurrenten, aber Joe hat sich das voll und ganz verdient, wenn man sieht, wie hart er an sich selbst arbeitet - und das jeden Tag. Es ist unglaublich, welches Standing er nun hat, wie er aufgeblüht ist.
SPOX: Sie sprachen von dieser einen Chance, die Ingles brauchte. Sie haben diese in der NBA nie bekommen. Stört Sie das?
Rice: Nein, nicht wirklich. Jeder Fall ist ein wenig anders. Klar, wenn ich die Chance bekomme hätte, hätte ich sie wahrscheinlich ergriffen. Ich habe aber auch eine Familie und zwei Söhne und muss für Stabilität sorgen. Vielleicht meldet sich ja noch einmal jemand, dann werden wir sehen. Wenn es nicht geschieht, ist das aber kein Weltuntergang.
SPOX: Hinter Ihnen liegt ein hartes Jahr. Im Sommer 2017 wurden sie beim FC Barcelona aussortiert und durften nur noch mit dem B-Team trainieren. Was war da los?
Rice: Darüber will ich gar nicht mehr groß eingehen. Dieses Kapitel habe ich abgeschlossen. Ich bin einfach nur froh, dass ich jetzt in Bamberg bin und noch einmal beweisen kann, dass ich noch auf einem guten Niveau spiele und mithalten kann. Ich will wieder den Respekt der Leute bekommen.
SPOX: Nach der Barca-Episode unterschrieben Sie im Januar in China. Haben Sie dort den Respekt bekommen? Schließlich sind dort nur zwei Ausländer erlaubt und Sie haben im Gegensatz zu anderen US-Boys nie in der NBA gespielt.
Rice: Nein, da war alles in Ordnung. Ich wollte einfach nur wieder spielen nach den harten Monaten in Barcelona. Ich hatte auch andere Optionen, aber es hat einfach nicht geklappt oder sich nicht so entwickelt, wie ich mir das vorgestellt hatte. Irgendwann wollte ich einfach nur wieder spielen, auf dem Feld stehen und wieder Spaß haben. China war deswegen für mich ein notwendiger Schritt.
SPOX: Wie stand es um die Professionalität in China? Hier und da gibt es ja doch einige unglaubliche Geschichten, die man vor allem von US-Amerikanern hört.
Rice: Es ist anders dort und lässt sich kaum mit dem europäischen Basketball vergleichen. Man merkt, dass es ein kommunistisches Land ist, Dinge werden da anders geregelt, als ich das aus den USA oder Europa kenne. Die Kultur lässt sich nicht vergleichen. Das muss jeder für sich selbst einmal erleben, um dieses Gefühl zu verstehen.
SPOX: Was haben Sie eigentlich noch für Ziele? Wo sehen Sie sich mittelfristig? Könnten Sie sich auch vorstellen, nach der Karriere in Europa zu bleiben?
Rice: Oh, in spätestens drei Jahren werde ich zurück in der Heimat sein. Ich werde noch diese Saison spielen und die darauf, dann gehe ich zurück in die USA zu meiner Familie. Mein Sohn kommt in zwei Jahren auf die High School und ich werde dann die ganze Zeit für ihn da sein. Ich glaube nicht, dass ich danach noch Basketball spielen werde.
SPOX: Im europäischen Basketball wird Ihr Name sicherlich nie vergessen werden. Sie gewannen mit Maccabi die EuroLeague, zwei Jahre später mit Khimki den EuroCup. Sind Sie rückblickend stolz auf das, was Sie hier erreicht haben?
Rice: Absolut, ich habe mehr erreicht, als ich mir je erträumt habe. Ich komme aus Richmond, Virginia und habe viele Jungs gesehen, die gut waren, in der NBA oder der NFL hätten spielen können. Sie haben entweder ihre Chance nicht ergriffen und wurden Opfer der Umstände oder konnten dieses Level nicht erreichen. Ich komme auch aus diesem Umfeld und war dennoch in der Lage, über zehn Jahre in Europa professionell Basketball zu spielen. Meiner Meinung nach habe ich die Erwartungen mehr als übertroffen. Dazu rechne ich gar nicht die individuellen Auszeichnungen oder die Erfolge mit dem Team. Es geht vielmehr um die Stabilität, die in meinem Leben in diesem Zeitraum herrschte. Das alleine ist mehr als genug für mich.
gettySPOX: Sie sagen, dass Ihnen Titel am Ende nicht das Wichtigste sind. Dennoch: Der Gewinn der FIBA Champions League würde doch ganz hervorragend in Ihre Sammlung passen.
Rice: Das wäre dann das Triple und natürlich echt super. Aber zunächst einmal will ich hier nur Spiele gewinnen und den jungen Spielern bei ihrer Entwicklung helfen. Wenn es dann noch einer von ihnen in die NBA schafft, würde es mich umso mehr stolz machen. Ich denke, dass es der ein oder andere schaffen kann. Sie sind sehr fleißig, sind teilweise eine Stunde vor dem Training in der Halle. Man muss auch nur auf die letzten Jahre schauen, es gab einige Jungs, die von hier den Sprung in die NBA geschafft haben. Wenn sie das verstehen und ihnen diese große Chance bewusst ist, stehen ihnen in Bamberg alle Türen offen.