Ein David Haye für Arme?

Philipp Dornhegge
12. Mai 201111:48
Carl Froch hat in 27 Profikämpfen 26 Siege (20 K.o.) eingefahren und nur einmal verlorenGetty
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Am Samstag geht das Super-Six-Turnier der besten Supermittelgewichtler der Welt (minus Lucian Bute) in die dritte Runde. Der wichtigste Kampf dieser Phase steigt in Helsinki, wo Arthur Abraham auf Carl Froch trifft (23.15 Uhr im LIVE-TICKER). Gibt es kein überraschendes Remis, wird einer der beiden seine zweite Niederlage in Folge kassieren. Ginge es nach dem Wunsch vieler Experten und Fans, würde es den Engländer erwischen.

War "The Cobra" den meisten Deutschen vor dem Super-Six-Turnier kaum ein Begriff, bringt er seither mehr und mehr Box-Fans gegen sich auf: Gegen Andre Dirrell langweilte er die Zuschauer mit einem unsauberen und hässlichen Kampf, zu dem zugegebenermaßen auch sein amerikanischer Kontrahent beitrug. Froch gewann nach Punkten, obwohl das Duell keinen Sieger verdient hatte.

Exklusiv: Arthur Abraham im SPOX-Interview

Gegen Mikkel Kessler verlor er nach einer überragenden Schlacht hauchdünn, nur um in den folgenden Monaten allen mit der Behauptung auf den Geist zu gehen, er sei betrogen worden: "Jeder, mit dem ich mich unterhalten habe, war meiner Meinung, dass ich Kessler besiegt habe." Noch heute erzählt er jedem, der es hören will, dass er ungeschlagen sei.

Nun steht der dritte Super-Six-Kampf an, und schon im Vorfeld verstört er Fachwelt und Fans mit Äußerungen wie: "Ich werde Arthur mit Bomben eindecken." Oder: "Er kann mich nicht überraschen. Er kann nur einen Stil boxen. Ich weiß, was mich erwartet."

Bei einer der Pressekonferenzen in Helsinki turnte Froch auf dem Podium herum, parodierte Abrahams typische Defensivhaltung und meinte: "Das macht er doch immer so, oder? Soll ich es vielleicht auch mal so probieren? Schließlich werde ich oft dafür kritisiert, dass ich zu offen bin."

Abraham muss Taktik umstellen

Als Deutscher, der im Normalfall Abraham die Daumen drücken würde, kann man da schnell genervt sein. Nur allzu verständlich, allerdings stehen die Deutschen mit dieser Haltung längst nicht alleine da: "Das Schönste daran, dass in diesem Turnier nur die Besten mitmachen, ist, dass alle eine gute Chance haben, den arroganten und absolut schlagbaren Carl Froch zu besiegen", schrieb Kevin Pasquale von "boxingnews.com" schon vor gut einem Jahr.

Schon damals, nach dem Kampf gegen Dirrell, freute sich Pasquale auf den Abraham-Kampf in der Erwartung, dass der Deutsch-Armenier Froch "den eigenen Kopf überreichen" werde.

Natürlich konnte er damals noch nicht wissen, wie gut sich Froch gegen Kessler schlagen würde. Der inzwischen 33-Jährige wirkte zum Teil wild und bot dem Dänen oftmals das offene Kinn an, aber trotzdem bewies er zum einen, dass er viel und hart treffen kann - Froch hat immerhin 20 Knockouts in 26 Siegen -, zum anderen unterstrich er, dass er viel mehr einstecken kann, als man beim Anblick dieses schlanken Fighters erwarten würde.

"Kessler schlägt wie ein Pferd", sagte Ex-Profi Markus Beyer vor einiger Zeit. Beyer stand selbst mal gegen Kessler im Ring und weiß, wovon er spricht.

Froch verhöhnt die Finnen

Dass Froch trotzdem nicht umfiel und de facto erst in den letzten Minuten leicht angeschlagen wirkte, trug zu einem außergewöhnlichen Kampf bei und sollte Abraham Warnung sein: Er darf sich nicht darauf verlassen, dass er den Engländer anfangs kommen lassen und in den letzten Runden ausknocken kann.

Diese Taktik ging gegen Jermain Taylor auf, gegen Dirrell wäre sie vielleicht aufgegangen, hätte er sich mit seinem unüberlegten Nachschlagen in der 11. Runde nicht eine Disqualifikation eingehandelt. Froch aber kann deutlich mehr einstecken als beide.

Gleichzeitig ist er kein Defensivboxer, sondern sucht sein Heil stets im Angriff. Voraussetzungen, die nach einem Punktsieg schreien.

Unabhängig vom Ausgang darf er sich aber nicht auf allzu viel Jubel freuen: Die finnischen Fans werden eindeutig auf Abrahams Seite stehen, nachdem Froch sie mit der vermutlich witzig gemeinten, aber völlig unangebrachten Aussage vor den Kopf stieß, dass die Finnen sich, wie er gehört habe, reihenweise von den Dächern stürzen würden, weil sie wegen der ständigen Dunkelheit im Land so depressiv seien.

Engländer befürchten Absturz wie bei Tyson

Aber selbst die Engländer wenden sich mittlerweile in Scharen von ihrem Landsmann ab. Ihnen geht, wie in vielen Foren zu lesen ist, mächtig auf den Geist, dass er immer mehr zum Trash-Talker wird und immer weniger die typisch englischen Tugenden (ehrliche, harte Arbeit) repräsentiert.

Ein "David Haye für Arme" sei Froch. Seine Ehe mit dem Model Rachael Cordingley sei eine einzige Peinlichkeit und habe Froch verweichlicht. Einige befürchten gar einen Absturz a la Mike Tyson, der von der Glamourwelt aufgesaugt und als Wrack wieder ausgespuckt wurde.

Dass Froch, statt sich voll auf die Kampfvorbereitung zu konzentrieren, nebenbei seiner Frau half, sich auf einen völlig belanglosen Charity-Boxkampf einzustimmen, stößt fast allen englischen Boxfans bitter auf.

Entgleist der Carl-Froch-Zug?

In seiner Kolumne in der "Nottingham Evening Post" erzählt der ehemalige WBC-Champion genauso gerne von Barbecues und weißen Stilettos wie von seinen Trainings. Cordingley verriet dem "Daily Star", dass sie und ihr Mann ihre Schäferstündchen nach Frochs Trainingsplan und Kampfkalender ausrichten: "Manchmal hat er nach dem Sex einfach keine Energie mehr!"

Das alles verleitete einen Fan schon zu der Warnung: "Diese Frau bringt den Carl-Froch-Zug zum Entgleisen!" Mit ihren Aussagen über Abraham ("Er ist nur ein Zwerg", "Carl wird den König der Zwerge entthronen") sorgte die 24-Jährige im Vorfeld des Kampfes zudem für zusätzliche Brisanz.

Ob Froch und seine Frau damit Abraham aus der Ruhe bringen, ihre eigene Unsicherheit übertünchen oder nur für eine gute Show sorgen wollen, darüber kann man nur spekulieren.

Die Wahrheit wird sich erst im Ring zeigen. Und da hat sich Froch, trotz des Theaters außerhalb, bisher immer gut geschlagen. Der Kessler-Kampf war ein klarer Fingerzeig: Abraham sollte gewarnt sein.

Abraham vs. Froch: Die Kontrahenten im Head-To-Head