Nie an diesem Abend in Halle/Westfalen war Cruisergewichtler Firat Arslan so getroffen, wie nach dem Urteil der Punktrichter in seinem WM-Kampf gegen Titelverteidiger Marco Huck. Zweimal 113:115 und einmal 111:117. Verloren. Fassungslosigkeit. "So etwas habe ich noch nie erlebt, ich habe den Kampf von der ersten bis zur letzten Runde gemacht, ich habe zehnmal so viele klare Treffer gesetzt", sagte der 42-Jährige.
Arslan hatte Volkes Meinung auf seiner Seite. Die rund 7.500 Zuschauer pfiffen sich die Seele aus dem Leib und bejubelten den Verlierer. Huck dagegen war nach dem Unentschieden in seinem letzten Kampf gegen Ola Afolabi (Großbritannien) wieder mit einem blauen Auge und einer blutigen Nase davongekommen - und mit seinem WM-Gürtel des Verbandes WBO.
"Ich möchte nur so viel sagen, dass es ein sehr enger Kampf war", sagte Hucks Trainer Ulli Wegner. Wieder einmal war der Meistertrainer tief enttäuscht von seinem Schüler, der fast alles schuldig geblieben war. "Es war einer meiner härtesten Kämpfe", sagte Huck, "ich zolle Firat großen Respekt."
Hucks Reputation schwindet
Aber dafür kann sich Arslan nichts kaufen. Wieder einmal musste ein Herausforderer die Regeln des Geschäfts Profiboxen schlucken. Knappe oder ausgeglichene Kämpfe gewinnt immer der Titelverteidiger mit dem TV-Sender im Rücken und der Aussicht auf weitere lukrative Veranstaltungen. Arslan vermarktet sich selbst, hinter Huck stehen Sauerland Event und die ARD. "Dieses Urteil ist eine Schande für die ARD und Sauerland", sagte Arslans Trainer Dieter Wittmann und wetterte erregt: "Ihr seid alle große Betrüger."
Huck hat zwar immer noch Titel, seine Reputation aber schwindet. Die Idee von einem Kampf im Schwergewicht gegen Wladimir Klitschko wirkt fast lächerlich.
Die WBO will ihm trotz der zehnten Titelverteidigung entgegen der ursprünglichen Ankündigung den Titel als "Super Champion" erst nach einem Sieg in einem weiteren Duell gegen Afolabi verleihen. Klare Worte fand Ex-Weltmeister Sebastian Sylvester zu der Leistung seines Stallkollegen: "Wenn Marco so weiter boxt, musst du in der ARD nicht mehr antreten."
"Schieber, Schieber"-Rufe des Publikums
Als ARD-Experte versuchte Henri Maske noch die Kurve zu kriegen: "Für den Zuschauer ist das Urteil schwer nachvollziehbar, Arslan hat das Tempo gemacht, aber wenn man genau hinschaut, hat auch Marco gut getroffen." Der ARD-Kommentator schwenkte in seiner Beurteilung in den letzten beiden Runden um und bereitete die TV-Zuschauer so auf das folgende Urteil vor; auch er kennt das Geschäft. Maske ergänzte: "Dieser Kampf muss jetzt aufgearbeitet werden."
Nur selten konnte der Titelverteidiger sich den Dauerattacken und steten Aufwärtshaken des eindimensionalen Rechtsauslegers entziehen. Fast ständig stand Huck an den Ringseilen, drehte sich nicht raus, die Beinarbeit war schwach. Lediglich seine ab und an abgefeuerten Schlagsalven sorgten für Entlastung - und die entscheidenden Punkte. "Ich habe mehr getroffen", sagte Huck nach dem Kampf lapidar. Das war in jeder Beziehung kaum verständlich. Seine Aussagen gingen in den "Schieber-Schieber"-Rufen des Publikums unter.
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