Nach drei Absagen kommt es am Samstag in London endlich zum Kampf zwischen Robin Krasniqi und WBO-Weltmeister Nathan Cleverly. Im Interview spricht der Herausforderer im Halbschwergewicht über Psychospielchen, seinen Aufwärtshaken und den Kosovo-Krieg.
SPOX: Herr Krasniqi, am Samstag kommt es in London zum lang erwarteten Duell mit WBO-Weltmeister Nathan Cleverly. Wie groß ist die Vorfreude?
Robin Krasniqi: Ich kann es fast nicht in Worte fassen. Zwischenzeitlich habe ich nicht mehr daran geglaubt, dass der Kampf wirklich noch stattfindet. Er ist so lange vor mir davon gelaufen, aber jetzt muss er sich stellen. Das wird für ihn kein Spaß werden, es hat sich viel Wut in mir aufgebaut, die er zu spüren bekommt.
SPOX: Insgesamt drei Mal wurde der Fight in der Vergangenheit abgesagt. Was waren die Gründe?
Krasniqi: Das ist eine gute Frage. Das Cleverly-Camp kam vor jeder Ansetzung mit einer Ausrede um die Ecke. Cleverlys Vater hat immer wieder von Magenschmerzen gesprochen, weil sein Sohn Probleme beim Abkochen hatte. Aber das ist doch lächerlich. So etwas kann vielleicht einmal oder zweimal passieren, aber sicherlich nicht ein drittes Mal.
SPOX: Hat Cleverly Angst vor Ihnen?
Krasniqi: Ich weiß nicht, ob er sich vor mir fürchtet. Aber Fakt ist, dass er mit mir Psychospielchen gespielt hat. Er wollte einfach nicht gegen mich kämpfen. Zum Glück ist jetzt die WBO eingeschritten und hat ihn vor die Wahl gestellt. Entweder steigt er in den Ring, oder er verliert seinen Gürtel.
SPOX: Dass Cleverly im November 2012 in Los Angeles zu einer freiwilligen Titelverteidigung angetreten ist, macht die ganze Geschichte nicht gerade glaubwürdiger.
Krasniqi: Genau, das ist doch verrückt. Zuerst sagt er, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht kämpfen kann. Aber sobald er sich seinen Gegner selbst aussuchen kann, fühlt er sich topfit.
SPOX: Sind solche freiwilligen Titelverteidigungen nicht ein generelles Problem im Boxen?
Krasniqi: Es gibt nun mal zwei Sorten von Weltmeistern. Die einen sind echte Champions, die anderen hatten quasi nur Glück und bekamen den Gürtel geschenkt. Cleverly ist das beste Beispiel dafür. Er hat 2011 von Jürgen Brähmers Verletzung profitiert und sich danach gegen einen No-Name den vakanten Titel gesichert. Für mich ist er kein echter Weltmeister.
SPOX: Wie sieht Ihre Taktik am Samstag aus? Cleverly gilt gemeinhin als Fighter, der seine Gegner mit einer hohen Frequenz mürbe boxt.
Krasniqi: Er baut gerne Druck auf und spielt mit seinem Gegner. Aber das sollte er mit mir nicht versuchen. Ich werde im Gegensatz zu meinen Vorgängern nicht vor ihm zurückweichen. Das wird er nicht gewohnt sein. Ich hoffe, dass er dadurch ungeduldig wird. Ab der sechsten Runde werde ich dann Vollgas geben.
SPOX: Ihre größte Waffe dürfte auch gegen Cleverly Ihr Aufwärtshaken sein.
Krasniqi: Das ist mein Lieblingsschlag, der steckt mir im Blut. Jeder Sparringspartner und Gegner kennt ihn und bereitet sich darauf vor, aber sie können gegen den Haken trotzdem nichts ausrichten, weil ich in nicht nur in der Kurzdistanz zeige.
SPOX: Man hat manchmal das Gefühl, als würden Sie bei diesem Schlag in Ihren Gegner hineinspringen.
Krasniqi: So kann man es ausdrücken. Ich kann eineinhalb Meter entfernt von meinem Gegner stehen und ihn trotzdem auspacken. Damit rechnet niemand und ist ziemlich einzigartig. Auch Cleverly wird ihn kennen lernen. Ich bin überzeugt, dass mich mein Aufwärtshaken zum Weltmeister macht.
SPOX: In den englischen Medien wird trotzdem fast nur von einem möglichen Titelvereinigungskampf zwischen Cleverly und Bernard Hopkins gesprochen. Wird Ihnen zu wenig Respekt entgegengebracht?
Krasniqi: Ach, das ist mir relativ egal. Von mir aus können sie schon von diesem Duell träumen. Am Ende stehe ich aber vielleicht Hopkins gegenüber, und sie schauen in die Röhre. Cleverly ist sicherlich kein Überboxer, davon ist auch mein Trainer Dirk Dzemski überzeugt. Er hat mich perfekt vorbereitet, genauso wie zuletzt Robert Stieglitz.
SPOX: Wie bewerten Sie Hopkins' Titelgewinn Anfang März mit satten 48 Jahren?
Krasniqi: Ich habe viel Respekt vor ihm. Er ist eine wahre Legende. Jeder, der selber Boxer ist, weiß, wie hart und anstrengend die Vorbereitung auf einen Kampf ist. Wenn jemand das noch in diesem Alter durchzieht, kann man nur den Hut ziehen. Es wäre sicherlich ein Traum, gegen Hopkins im Ring zu stehen. Aber erst mal gilt meine Konzentration Cleverly.
SPOX: Neben Dzemski hat vor allem Ihr Konditionstrainer Alfred Segerer eine große Rolle in der Vorbereitung auf Cleverly gespielt.
Krasniqi: Ich habe Alfred viel zu verdanken. Seit über drei Jahren ist er an meiner Seite und motiviert mich. Das ist seine größte Stärke. Als der Cleverly-Kampf zuletzt mal wieder abgesagt wurde, hat er zu mir gesagt: "Pack deine Sacken, wir fahren nach Italien und haben ein wenig Spaß." Er weiß ganz genau, wie er die Sportler behandeln muss.
SPOX: Ihr Promoter SES Boxing erlebt momentan ereignisreiche Wochen. Erst Stieglitz gegen Arthur Abraham, nun treffen Sie auf Cleverly. Und im Mai kommt es zum Duell zwischen Francesco Pianeta und Wladimir Klitschko.
Krasniqi: Es ist unglaublich, was Ulf Steinforth ohne einen eigenen TV-Vertrag leistet. Ich kann mich noch gut an Roberts Sieg gegen Abrahm erinnern. Jeder von uns hatte Tränen in den Augen. Wir sind einfach eine große Familie. Es wäre schön, wenn ich uns den nächsten Feiertag bescheren könnte.
SPOX: Zuletzt haben Sie betont, dass die Kombination aus der deutschen Boxschule und Ihrem albanischen Herz den Erfolg bringen soll. Was meinen Sie damit?
Krasniqi: Alles, was ich über das Boxen weiß, habe ich in Deutschland gelernt. Jeden Schritt, jede Bewegung, jeden Schlag. Ich bin dankbar, dass mir diese Chance gegeben wurde. Ich werde aber nie meinen Ursprung vergessen. Ich bin stolz auf meine Heimat. Im Sport gibt es immer Sieger und Verlierer, aber man muss auch Niederlagen wie ein Mann ertragen. Das Wichtigste ist, dass man wieder aufsteht, wenn man am Boden ist.
SPOX: Spielen Sie damit auf Ihre zwei Niederlagen zu Beginn Ihrer Karriere an?
Krasniqi: Das waren bittere Momente, ich habe danach wochenlang nicht mal mit meiner Familie geredet. Damals lief es nicht optimal. Ich hatte keine richtige Amateurkarriere und wurde als Profi sofort in den Ring geschmissen, obwohl ich noch nicht bereit war. Ich konnte nicht mal richtig deutsch. Aber ich habe aus diesen Fehlern gelernt. Ich habe meinem Vater geschworen, dass ich noch fleißiger trainieren werde. Heute kann ich sagen: Es hat sich ausgezahlt, ich bin seit 38 Kämpfen ungeschlagen.
SPOX: Im Vergleich zu Ihrer Kindheit erscheinen diese Niederlagen dennoch als Kleinigkeiten. Wie haben Sie den Kosovo-Krieg erlebt?
Krasniqi: Das waren schlimme Zeiten. Kein Kind sollte so etwas hautnah mitbekommen. Häuser brannten, Soldaten liefen durch die Straßen, jedem war die Angst ins Gesicht geschrieben. Ich erinnere mich noch gut, wie ich mir häufig die Ohren zugehalten habe, weil ich den Lärm nicht mehr ertragen konnte. Es gab Momente, in denen ich mich gefragt habe: Wie viele Minuten lebe ich wohl noch? Durch diese Erfahrungen sehe ich das Boxen eher als Spaß an und nicht als einen Krieg zwischen zwei Sportlern.
SPOX: Zum Abschluss müssen Sie noch mit einem Gerücht aufräumen, über das viel Unklarheit herrscht. Sind Sie mit Luan Krasniqi verwandt?
Krasniqi: Die Frage höre ich häufig (lacht). Wir kommen aus dem gleichen Ort, unsere Elternhäuser trennt nur eine Straße. Mitglieder unserer Familien dürfen sich auch nicht miteinander verheiraten, aber wir sind nicht wirklich eng verwandt. Trotzdem ist er ein sehr guter Freund und hat mir viel Glück gewünscht. Ihm ist der Titel ja verwehrt geblieben, hoffentlich kann ich ihn dafür am Samstag stolz machen.