Vor zwei Jahren nahm er bei den Olympischen Spielen in London teil. Nun steht Stefan Härtel vor seinem ersten Profi-Kampf. Im Rahmen des Duells zwischen Yoan Pablo Hernandez und Firat Arslan (Samstag ab 22.35 Uhr im LIVE-TICKER) trifft das Super-Mittelgewicht auf den Letten Olegs Fedotovs. Im Interview spricht der 26-Jährige über sein Vorbild Floyd Mayweather, die World Series of Boxing und verurteilt Shannon Briggs' Attacken auf Wladimir Klitschko.
SPOX: Stefan, Sie bestreiten am Samstag in Erfurt gegen den Letten Olegs Fedotovs Ihren ersten Profi-Kampf. Nach Ihrer Unterschrift bei Sauerland im Mai gab es Schlagzeilen wie "Sauerland schnappt sich den deutschen Mayweather". Wie gehen Sie mit einer solchen Erwartungshaltung um?
Stefan Härtel: Das ist für mich kein Problem. Er ist mein großes Vorbild, deswegen wurde wohl auch diese Überschrift genommen. Aber ich will gleich klarstellen, dass ich nicht Floyd Mayweather bin. Er ist ein Jahrhunderttalent. Ich will mir als Stefan Härtel einen Namen machen und mit meinen Fähigkeiten das Maximum herausholen. Das ist der einzige Druck, den ich mir mache.
SPOX: Ist eine solche Berichterstattung bereits ein kleiner Vorgeschmack auf die nächsten Jahre, wenn Sie - gewisse Erfolge vorausgesetzt - immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit rücken?
Härtel: Ich bin kein Amateur mehr, das stimmt. Man muss jetzt sicherlich aufpassen, was man sagt. Immerhin spielt auch die Vorbildfunktion eine Rolle. Aber das ist wohl nur Gewöhnungssache. Zudem bin ich gerade erst am Anfang meiner Karriere, da gehört ein wenig Stimmungsmache einfach dazu.
SPOX: Sie haben gesagt, Mayweather ist Ihr großes Vorbild. Was fasziniert Sie an ihm?
Härtel: Er ist einer der wenigen Sportler, bei denen das gottgegebene Talent mit dem absoluten Ehrgeiz mithalten kann. Floyd hat mit seinen Errungenschaften das Boxen auf ein neues Level gehoben.
SPOX: Und boxerisch?
Härtel: Ich bin niemand, der den Boxsport liebt, weil er Blut sehen will. Über solche Leute kann ich manchmal nur schmunzeln. Unser Sport hat viel mehr zu bieten als blutüberströmte Boxer. Floyd ist das beste Beispiel. Er steht wie kein anderer für eine gewisse Eleganz und Ästhetik im Ring. Dafür liebe ich ihn - natürlich nur platonisch (lacht).
SPOX: Ist Mayweather der Größte aller Zeiten?
Härtel: Das muss jeder für sich selber entscheiden. In dieser Diskussion haben sicherlich auch andere große Namen wie Muhammad Ali oder Sugar Ray Robinson ihren festen Platz. Aber für mich ist Floyd der Größte.
SPOX: Mayweather ist nicht nur wegen unzähliger Siege und WM-Titel berühmt, sondern auch für sein ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Manche würden es auch als Arroganz bezeichnen. Braucht man diesen Charakterzug, um im Boxen erfolgreich zu sein?
Härtel: Nein, Arroganz ist keine Voraussetzung und nicht nötig. Bei Floyd ist es ein Image, dass er sich über die Jahre aufgebaut hat und mit dem er polarisiert. Seine Entourage, die zehn Frauen um ihn herum, die Luxusautos. Aber man kann auch als bodenständiger Boxer Erfolg haben, auch wenn ich sicherlich nie 80 Millionen Dollar pro Kampf kassieren werden, aber wer außer ihm tut das schon. Das ist schon verrückt.
SPOX: Mayweather brilliert oft mit seiner herausragenden Defensivarbeit. Was kann man vom Boxer Stefan Härtel erwarten?
Härtel: Ich glaube, ich habe ein ganz gutes Gesamtpaket. Ich bin sicherlich nicht der härteste Puncher, aber dafür vertraue ich auf meine Nervenstärke, Cleverness und Ausdauer im Ring.
SPOX: Sie haben mal erzählt, dass es Ihr Traum wäre, ein halbes Jahr in den verschiedensten Ländern zu verbringen, um die dortigen Box-Stile kennenzulernen.
Härtel: Leider wird das wohl ein Traum bleiben. Aber grundsätzlich wäre das eine sehr interessante Erfahrung. Zuerst in die USA, dort wird viel auf Geschwindigkeit gesetzt. Dann nach Großbritannien, um zu erkennen, warum in den letzten Jahren so viele gute Boxer von der Insel kommen. Und am Ende vielleicht Kuba. Man muss sich das so vorstellen: Im Optimalfall würde man überall das Beste mitnehmen und hätte am Ende eine Art universellen Boxer. Aber das ist als Profi nicht realistisch, selbst als Amateur hätte man dazu wohl keine Zeit.
SPOX: Ihnen fiel der Schritt, ins Profigeschäft zu wechseln, nicht leicht. Warum haben Sie gezögert?
Härtel: Das ist eine Entscheidung, die wohlüberlegt sein will. Der Profisport ist eine harte und manchmal auch unnachgiebige Welt, außerdem habe ich die Sicherheit, die ich bei der Bundeswehr hatte, aufgegeben. Deswegen habe ich alles gegeneinander abgewogen.
SPOX: Welche Rolle hat dabei die Familie gespielt?
Härtel: Bei uns ist Boxen Familiensache, da erklärt es sich von selbst, dass ich meine Eltern um ihre Meinung gefragt habe. Gerade meine Mutter ist immer ein wenig kritisch, es hat gedauert, bis ich alle Einwände aus dem Weg räumen konnte.
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SPOX: Gibt es große Unterscheide zwischen einem Amateur- und Profi-Boxer?
Härtel: Es werden sicherlich einige neue Dinge auf mich zukommen. Momentan hat sich mein Alltag allerdings nicht großartig verändert. Das Training wurde ein wenig umgestellt, die Intensität ist höher, aber damit habe ich kein Problem. Das war ich in der Vergangenheit bereits als Sportsoldat gewohnt, ansonsten würde die Umstellung vielleicht nicht ganz so reibungslos verlaufen.
SPOX: Ihre zahlreichen Amateur-Erfahrungen im Ausland dürften Ihnen dabei auch geholfen haben. Sie nahmen unter anderem bei der Militär-WM im indischen Hyderabad sowie bei der Junioren-WM im marokkanischen Agadir teil. Was blieb Ihnen im Kopf?
Härtel: Bei solchen Events bekommt man vom Alltag eigentlich wenig mit. Bei der Militär-WM haben wir in einer Kaserne gewohnt und sind dann mit dem Bus immer zu den Wettkämpfen gefahren. Das einzige Erlebnis abgesehen vom Sport waren wohl die Kühe auf den Gehwegen, die für uns Europäer zum Schmunzeln waren.
SPOX: 2012 nahmen Sie zudem an den Olympischen Spielen in London teil.
Härtel: Das war mein bisheriges Highlight. Die Leute vor Ort sorgten für eine sensationelle Stimmung, sogar die komplette Vorrunde im Boxen war ausverkauft. Auch wenn ich eine Medaille knapp verpasst habe, war das einmalig. Diese Atmosphäre werde ich nie vergessen, davon erzähle ich noch meinen Urenkeln.
SPOX: In den letzten Jahren kamen vermehrt Diskussionen auf, wonach auch Box-Profis an Olympia teilnehmen sollten. Eine sinnvolle Überlegung?
Härtel: Olympia gehört den Amateuren. Das ist ihre große Bühne, das sollte man ihnen lassen. Außerdem ist das sowieso schwer vorstellbar. Amateur- und Profi-Boxen sind quasi zwei unterschiedliche Sportarten. Man müsste schon wie beispielsweise beim Hallen- und Beachvolleyball beides aufnehmen. Und die Weltverbände müssten auch mitspielen, mal abgesehen davon, dass es nicht realistisch ist, so viele Kämpfe über zwölf Runden in einer so kurzen Zeitspanne stattfinden zu lassen.
SPOX: Sie waren bei Olympia und bei unterschiedlichen Weltmeisterschaften. Das interessanteste Projekt war aber vielleicht die World Series of Boxing, eine globale Liga, an der verschiedene Mannschaften teilnehmen, wie in Ihrem Fall die Leipzig Leopards.
Härtel: Die Idee dahinter ist eigentlich grandios. Man lernt diesen Mannschaftscharakter kennen, von dem beim Fußball immer viel gesprochen wird. Zudem gibt es an jedem Abend fünf, sechs Kämpfe auf hohem Niveau.
SPOX: In Deutschland bekommt man von der WSOB jedoch so gut wie nichts mit.
Härtel: Das Problem in unserem Land ist, dass eine solche Liga schwer zu vermarkten ist. Wir sind gerade im Boxen an Namen gebunden. Abraham, Klitschko, Huck, damit zieht man Zuschauer vor den Fernseher. Das ist natürlich schade, weil die Amateure auch guten Sport bieten.
SPOX: Wäre die WSOB auch bei den Profis denkbar?
Härtel: Ich glaube nicht, dafür ist das Profi-Geschäft mit den verschiedenen Verbänden, Weltranglisten und Champions bereits zu etabliert.
SPOX: Neben den bekannten Namen spielt bei den Profis auch die Show eine große Rolle. Zuletzt machte Shannon Briggs Schlagzeilen, als er Wladimir Klitschko in dessen Trainingslager attackierte. Muss das Boxen aufpassen, es nicht zu übertreiben?
Härtel: Es wirkt schon arg konstruiert. Briggs hat vor Jahren von Vitali auf den Kopf bekommen, jetzt probiert er es offenbar beim Bruder. Das ist ein bisschen lächerlich, solche Aktionen schaden den Boxen. Zum Glück gehört das aber nicht zum Alltag.
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