Francesco Pianeta steht vor der Chance seines Lebens. In Mannheim fordert der Deutsch-Italiener Weltmeister Wladimir Klitschko (22.45 Uhr im LIVE-TICKER). Für den 28-Jährigen ist der Kampf der Höhepunkt einer Achterbahnfahrt zwischen Junioren-WM und Krebs-Diagnose. Gegen den Ukrainer soll nun ein Geheimplan helfen.
"Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert." Ein Zitat, das bei vielen Kindern der 80er und 90er Jahre Bilder aus der guten, alten Zeit hervorrufen dürfte. Ein schelmisches Grinsen, eine rauchende Zigarre, ein weißhaariger Mann in einem Dinosaurier-Kostüm - Colonel John Smith, der den meisten wohl eher als Hannibal, Anführer der gleichnamigen TV-Serie "Das A-Team", bekannt war, ist bis heute Kult.
Mit seinen berühmt-berüchtigten Worten feierte er den erfolgreichen Abschluss einer Mission und blieb damit mindestens genauso in Erinnerung wie Mr. T als wandelnder Weihnachtsbaum B.A.
Auch das Lager von Francesco Pianeta sprach in den letzten Wochen immer wieder von einem Plan, der ihn zum Weltmeister küren soll. Dass Herausforderer im Boxen vor ihrer WM-Chance ein großes Geheimnis um ihre Taktik machen, ist nicht unüblich.
Auch der Deutsch-Italiener, der am Samstag gegen Wladimir Klitschko in den Ring steigt, wollte im Vorfeld nicht wirklich seine Karten offenlegen.
"Jeder Mensch hat Schwachpunkte"
Allerdings verkündete er großspurig, Schwächen bei Klitschko gesehen zu haben, die er ausnutzen wolle. Pianetas Erfahrungen als Klitschkos einstiger Sparringspartner sollen ihm dabei helfen: "Jeder Mensch hat Schwachpunkte und es ist ein kleiner Vorteil für mich, das ich schon Sparring mit Wladimir gemacht habe. Ich bin sehr zuversichtlich."
Auch sein Trainer Dirk Dzemski rechnet sich einiges aus: "Wir haben einen sehr, sehr guten Plan, jetzt muss Francesco ihn nur noch umsetzen. Ich verlange das einfach von ihm. Wenn er das schafft, dann hat Wladimir Stress und Francesco gewinnt."
Als großes Vorbild soll der im vergangenen Jahr erschossene Corrie Sanders dienen. Der Südafrikaner - wie Pianeta ein Rechtsausleger - schlug Klitschko 2003 mehrmals nieder und holte sich überraschenderweise den Gürtel.
Wie ein Autounfall
So recht mag man Pianeta allerdings nicht zutrauen, dass er die Boxwelt in vergleichbarer Form "erschüttert", wie sein Promoter Ulf Steinforth hofft. Zu viele Klitschko-Gegner kündigten im Vorfeld Großes an, nur um nach wenigen Runden auf den (Ring-)Boden der Tatsachen zurückgeholt zu werden.
Was Pianeta in der Mannheimer SAP-Arena erwarten wird, bewies Klitschko mit einer - zugegebenermaßen medienwirksamen - Machtdemonstration während des Trainingslagers in Österreich.
Der Ukrainer ließ seine Schlagkraft an einem Crashtest-Dummy messen. Das Ergebnis sprach für sich: Mit einer Wucht von 700 Kilogramm durchschnitt Klitschkos rechte Schlaghand die Luft. Ähnliche Kräfte tauchen sonst nur bei einem Zusammenprall mit einem Bullen auf. Oder bei einem Frontalunfall mit einem 45 km/h schnellen Auto.
Klitschko scherzte danach: "Zum Glück boxe ich nicht gegen mich selbst." Der trockene Kommentar des Underdogs: "Das lässt mich kalt. Ich hab einen harten Schädel." Dass der mehrfache Weltmeister die größte Herausforderung ist, die Pianeta jemals vor der Brust hatte, steht dennoch außer Frage. Zumindest sportlich gesehen.
Diagnose: Hodenkrebs
Denn blickt man auf sein Leben zurück, rücken die Errungenschaften im Ring schnell in den Hintergrund. Ende 2009 bekam der einstige Junioren-Weltmeister eine niederschmetternde Diagnose, die alles veränderte: Hodenkrebs!
Was folgte, waren die schwersten Momente seines Lebens. Das Gespräch mit seiner Mutter zum Beispiel, die er lange im Unklaren gelassen hatte: "Als ich diese leeren, großen Augen sah, dachte ich: Das war der größte Fehler meines Lebens. Ich bereue immer noch, dass ich das gemacht habe."
Oder die Chemo-Therapie, während der er rund 130 Kilo wog und Probleme beim Laufen hatte. Jede Bewegung ließ seinen Puls in die Höhe schießen, Pianeta war am Boden zerstört, bis er wachgerüttelt wurde: "Der Trainer sah mich, packte mich an der Schulter und sagte zu mir: Geh aufs Laufband und fang mit Gehen an."
Der schwere Weg zurück begann. Für den heute 28-Jährigen nichts ungewöhnliches, bekam er doch bereits als Kind nicht gerade die Sonnenseite des Lebens zu Gesicht. Geboren in Corigliano Calabro (Italien), kam er im Alter von sechs Jahren nach Gelsenkirchen. Der Vater arbeitete in einer Fleischerei, um seine vier Kids durchzubringen.
Segen von Papst Franziskus
Pianeta flüchtete sich - wie sollte es in Gelsenkirchen auch anders sein - in den Fußball und spielte sogar an der Seite von Ilkay Gündogan, bevor er mit 13 in den Ring wechselte. Was danach folgte, war eine beachtliche Achterbahnfahrt samt Krebs-Diagnose, Sauerland-Trennung und einer bislang ungeschlagenen Profi-Laufbahn, die nun in Mannheim ihren Höhepunkt finden soll.
Dafür hat sich Pianeta sogar göttlichen Beistand geholt. Über einen befreundeten Priester erteilte im Papst Franziskus - immerhin ein Namensvetter - via Urkunde seinen Segen. "Ich sehe die Chancen bei 50:50, denn Francesco ist der Jüngere, und Klitschko hat doch alles schon gehabt. Auch was die seelische Kraft angeht, würde ich Francesco ein Plus geben", so Bruder Anno.
Ein Box-Wunder wird es trotz dieser Unterstützung wohl dennoch nicht geben. Dafür wird Klitschko sorgen, der sich auf der Suche nach einer passenden Antwort auf Pianetas Geheimplan bei Mike Tyson bedient: "Jeder hat einen Plan. Bis er getroffen wird."
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