Wird die Darts-WM komplett verrückt? Das große Power Ranking zum Start mit Elmar Paulke

Florian Regelmann
15. Dezember 202008:42
Gerwyn Price, Peter Wright und Michael van Gerwen gehen auch für Elmar Paulke als Topfavoriten in die WM.spox
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Das Warten hat endlich ein Ende. Am heutigen Dienstag startet im Londoner Ally Pally die Darts-WM 2020 (alle Sessions live auf DAZN). Ist Gabriel Clemens bereit, die ganz Großen mehr als zu ärgern? Ist Michael van Gerwen wirklich noch die Nummer eins?Wird die WM so verrückt wie das gesamte Darts-Jahr?

DAZN-Kommentator Elmar Paulke und SPOX-Chefreporter Florian Regelmann machen den Favoritencheck und stellen ein Power Ranking auf.

Die Deutschen: Gabriel Clemens, Max Hopp und Nico Kurz

Gabriel Clemens (PDC Order of Merit: 31)

Ging im vergangenen Jahr noch Max Hopp als bestklassierter Deutscher (24) in die WM, hat sich das Blatt nun gedreht. Während Hopp aus den Top 32 gefallen ist, geht der German Giant zum ersten Mal als gesetzter Spieler und klar bester Deutscher ins größte Darts-Turnier der Welt.

Und auch wenn die letzten Turniere vor der WM für Clemens eher unglücklich liefen (vor allem das Vorrunden-Aus beim Grand Slam of Darts war bitter), scheint es nur eine Frage der Zeit, bis er sich in der Rangliste noch weiter nach vorne schiebt und auch bei großen Turnieren weit kommt. Selbst die Top 16 sind angesichts des Potenzials von Gaga längst keine Utopie mehr.

Gabriel Clemens exklusiv: "Wenn ich gut spiele, kann ich fast jeden ärgern"

Ob er allerdings bei dieser WM schon für einen großen Knall sorgen kann? Die Auslosung hat es nicht unbedingt gut mit ihm gemeint. Ein deutsches Zweitrundenduell mit dem gefährlichen Nico Kurz wäre so unangenehm, dass sich Clemens wohl im Geheimen lieber Andy Hamilton als Gegner wünschen würde.

Übersteht er seine erste WM-Hürde, würde danach ziemlich sicher der amtierende Weltmeister Peter Wright warten. Es ist nicht wahrscheinlich, aber es wäre auch keine übermäßige Sensation, sollte Clemens Wright in einem großen Match aus der WM schmeißen und als erster Deutscher überhaupt ein WM-Achtelfinale erreichen. Gaga hat das im Kreuz.

Elmar Paulke: "Bei Gaga läuft alles in die richtige Richtung. Er ist vom Typ einfach niemand, der nach oben durchknallt, das geht alles Schritt für Schritt. Vielleicht dauert es auch noch ein Weilchen bis ganz nach oben, aber die Entwicklung passt. Er ist auf der Bühne ein anderer Gaga geworden, er pusht sich jetzt selbst richtig. Daran hat er intensiv gearbeitet, das ist nicht von alleine entstanden. Die zweite Runde gegen Nico könnte für ihn ein bisschen doof sein. Da hat er Druck, da ist er der klare Favorit, aber er weiß, wie gut Nico spielen kann."

Max Hopp (PDC Order of Merit: 39)

Wohin geht die Reise des Max Hopp? Die Situation um den immer noch erst 24-Jährigen ist aktuell ganz schwer zu greifen. Hopp hat ein sehr schwieriges Jahr 2020 hinter sich, in dem er aus den Top 32 gepurzelt ist. Auch weil er seine starken Ergebnisse aus dem Jahr 2018 aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Turnierkalender gar nicht in dem Maße verteidigen konnte.

Aber auch unabhängig davon ist die Lage schwer einzuschätzen. Bis auf einzelne gute Matches war von Hopp 2020 nicht viel zu sehen, er wird ohne jeden Zweifel nicht gerade mit dem größten Selbstbewusstsein in den All Pally marschieren.

Immerhin: Die Auslosung hat ihm mit dem australischen Nobody Gordon Mathers einen Auftakt beschert, den er meistern sollte. Danach wäre Mervyn King (PDC: 19) der echte Prüfstein.

King hat zwar mit dem überraschenden Einzug ins Finale der Players Championship Finals aufhorchen lassen, aber Angst muss Hopp vor ihm dennoch nicht haben - zumal er King schon bei der WM 2015 schlagen konnte. An einem guten Tag ist die Runde der letzten 32 für den Maximiser drin, mehr aber wohl kaum (sein Gegner dann könnte nämlich Jose de Sousa heißen).

Elmar Paulke: "Max weiß aktuell glaube ich selbst nicht genau, wo er steht. Positiv ist, dass er bei der WM wieder dabei ist und dass er sich ja auch für die European Championship qualifizieren konnte, auch wenn da nicht wirklich was für ihn ging. Es ist alles sehr durchwachsen. Ich habe das Gefühl, dass Max am Scheideweg steht. Ich bin gespannt, in welche Richtung es für ihn läuft. Gerade für ihn selbst wäre es wichtig, wenn er bei der WM ein positives Signal senden könnte. Die erste Runde sowieso, aber auch Mervyn King ist absolut machbar. King war zwar jetzt gut, aber er ist niemand, der einen Lauf schiebt, dafür ist er auch zu alt. Aber klar, er kann auch gegen King rausgehen."

Nico Kurz (PDC Order of Merit: 129)

Wer erinnert sich nicht an das Wahnsinnsdebüt des Nico Kurz im Ally Pally inklusive Fast-Neun-Darter gegen James Wilson?! Im vergangenen Jahr nahm Kurz danach Joe Cullen aus dem Turnier, wenn er dieses Mal wieder einen Gesetzten rauswerfen will, würde es Gabriel Clemens treffen (müssen) ...

Mit welcher Form der 23-Jährige zur WM kommt, weiß niemand so genau. Seit seinem Sieg bei der Super League Darts im Juni, mit dem er sich das WM-Ticket sicherte, war von Kurz nichts mehr zu sehen. Aber tendenziell kann man schon davon ausgehen, dass so ein lässiger Zockertyp wie Kurz wieder eine gute Leistung abliefern und mindestens mal Andy Hamilton schlagen wird.

Interessant: Kurz plant, nach der WM an allen vier Tagen bei der Qualifying School anzutreten und sich so die Tourkarte zu holen.

Elmar Paulke: "Nico hat natürlich wenig Matchpraxis, gerade im Vergleich zu jemandem wie Gaga. Das wird ein Faktor sein. Trotzdem glaube ich, dass er Andy Hamilton knacken wird. Hamilton ist zwar erfahren, aber weit weg von seiner besten Zeit. Er ist sehr langsam, damit muss Nico umgehen, dann wird er ihn auch schlagen. Und dann haben wir zumindest unser deutsches Duell und damit sicher einen in der dritten Runde."

Nico Kurzgetty

Der Österreicher: Mensur Suljovic (PDC Order of Merit: 20)

Suljovic ist vor der WM ein einziges Fragezeichen. Seit dem World Cup of Darts war der Österreicher nicht mehr zu sehen. Die Winter Series und die Quali für den Grand Slam ließ er aus persönlichen Gründen aus, bei den Players Championship Finals sagte er kurzfristig wegen eines Trauerfalls ab.

In der Weltrangliste ist er nicht nur aus den Top 10 gefallen, inzwischen hält er sich gerade noch so in den Top 20. Positiv: Beim World Cup sah Suljovic eigentlich ganz gut aus, insofern besteht Hoffnung, dass er in einer anständigen Form zur WM kommt.

Sollte er die sehr machbare erste Aufgabe (Kuivenhoven oder Edgar) lösen, könnte in der dritten Runde ein Duell mit Gary Anderson warten. Für die dritte Runde an sich ein absolutes Hammer-Matchup, 2020 aber aktuell nur noch ein Duell der kompletten Fragezeichen.

Elmar Paulke: "Mensur kann ich aktuell gar nicht einschätzen. Die WM wird ein wichtiges Turnier für ihn, er muss echt aufpassen, dass er nicht nach hinten durchgereicht wird. Und er hat noch diesen Schock in den Knochen durch die Niederlage gegen Fallon Sherrock im letzten Jahr, daran hatte er echt zu knabbern."

Das Power Ranking zur Darts-WM: Die Top 8

8. Gary Anderson (PDC Order of Merit: 13)

Geht die großartige Karriere des Flying Scotsman traurig zu Ende? Fakt ist: Anderson machte zuletzt einen Eindruck, der zwischen bestenfalls mittelmäßig und schlimmstenfalls für seine Verhältnisse absolut verheerend schwankte. Dazu ist er wie so oft angeschlagen, diesmal ist es nicht der Rücken, das Knie macht Probleme.

Anderson steht im Ranking nur noch auf Rang 13, bei einem frühen WM-Aus würde er angesichts der Halbfinal-Teilnahme vor zwei Jahren ins "Bodenlose" fallen. Würde er dann seine Karriere einfach beenden? Anderson hat immer betont, dass er ohne Vorankündigung irgendwann sagen wird: Das war's. Aber würde er wirklich so aufhören wollen? Eigentlich unvorstellbar.

In den Top 8 steht Anderson einerseits aufgrund der fehlenden anderen Kandidaten, andererseits weil es eine Rest-Hoffnung aller Gary-Fans gibt, dass er es wie so oft vielleicht doch wieder rechtzeitig zur WM hinbekommt und ein anderes Gesicht als zuletzt zeigt. Sein 2020er Average (96.71, Rang 6) ist sogar gar nicht so "schlecht" wie vermutet.

Dass Anderson sich aufgrund eines Kontakts zur einer Corona-positiven Person in Quarantäne begeben musste und sein erstes Match nach hinten geschoben wurde, könnte sich noch als Glück im Unglück erweisen. Denn das bedeutet, dass er zuhause eingesperrt ist und ohne Ende trainieren wird. Im Achtelfinale könnte es mal wieder zu einem Aufeinandertreffen mit Michael Smith kommen.

Elmar Paulke: "Es ist gar nicht so einfach, jemanden für die Acht zu finden. Simon Whitlock wäre denkbar nach den guten Leistungen zuletzt, aber Whitlock wird niemals die WM gewinnen. Niemals. Dafür ist die Distanz viel zu lang für ihn. Trotz aller Probleme sehe ich da eher Anderson noch in den Top 8. Anderson ist in der Lage, seine Form schnell zu finden, wenn alles passt. Wenn er es plötzlich auf die Reihe bekommt und einen Lauf schiebt, wie er es bei der WM so oft gemacht hat, kann er die WM auch gewinnen. Deshalb und aufgrund der fehlenden Alternativen gehört er für mich da rein."

7. Jose de Sousa (PDC Order of Merit: 14)

Auf der Pro Tour war de Sousa schon seit längerem eine Nummer, jetzt feierte der Portugiese mit einem ersten Major-Triumph beim Grand Slam of Darts seine große Coming-out-Party in der Weltelite. The Special One ist eine absolute Scoring-Maschine. Dass er sich jetzt in die Top 16 gespielt hat, ist sicher noch nicht das Ende der Fahnenstange.

Wie gut de Sousa ist? Von den 96 WM-Teilnehmern ist er in puncto gewonnene Legs in 12 Darts oder weniger in diesem Jahr die Nummer zwei, die Nummer vier im Average und die Nummer fünf bei den 180ern. De Sousa ist de facto mindestens ein Top-Ten-Spieler.

Ross Smith als potenziell erster Gegner ist durchaus tricky, aber de Sousa ist so gut drauf, dass er Minimum das Achtelfinale erreichen wird. Dort besteht dann akuter Match-des-Turniers-Alarm - denn dort könnte es gegen Gerwyn Price gehen.

Elmar Paulke: "Ich glaube nicht, dass de Sousa bei der WM enttäuschen wird, auch wenn ihm bei der WM noch die Erfahrung fehlt. Dafür ist er zu gut und zu konstant. Er hat eine faszinierende Ruhe in seinem Spiel ohne große emotionale Schwankungen."

6. Dimitri van den Bergh (PDC Order of Merit: 9)

Wie de Sousa holte sich auch van den Bergh 2020 seinen ersten Major-Titel, als er beim World Match Play - als Debütant - im Finale Gary Anderson zerlegte (18:10). Beim Grand Slam of Darts war der Belgier mit der Halbfinal-Teilnahme (15:16 gegen James Wade) gar nicht weit davon entfernt, sofort einen zweiten Major-Titel nachzulegen.

Van den Bergh ist ein Mann für die großen Turniere, für die ganz großen Bühnen! Das hat er bei der WM mit zwei Viertelfinal-Teilnahmen schon eindrucksvoll bewiesen - und jetzt ist er in der Entwicklung nochmal viel weiter.

Ein weiteres Viertelfinale sollte mindestens drin sein, auch wenn Luke Humphries in Runde zwei brutal sein könnte. Humphries ist der einzige Spieler, der fürs Jahr gesehen einen Average von über 95 vorweisen kann (höher als der von van den Bergh!) und nicht gesetzt ist. Achtung, Dimi!

Sollte der Dream Maker die Aufgabe aber lösen, könnte es im Viertelfinale im Übrigen potenziell gegen MvG gehen und niemanden sollte es überraschen, wenn van den Bergh das Match und in der Folge auch die WM gewinnt.

Elmar Paulke: "Dimi ist erwachsen geworden, in seiner ganzen Art und Weise, wie er spielt. Er lässt sich auf der Bühne auch nichts mehr gefallen, er fängt an, Matches zu diktieren, den Rhythmus zu bestimmen. Da hat er sich enorm entwickelt und dass er die großen Bühnen liebt, wissen wir. Aufgrund der WM-Erfahrung sehe ich Dimi einen Tick vor de Sousa."

5. Nathan Aspinall (PDC Order of Merit: 6)

Halbfinale 2019, Halbfinale 2020 - Aspinall liebt den Ally Pally! Auf dieser Bühne hat er seinen großen Durchbruch gefeiert. Der Engländer ist inzwischen aus den Top 8 der Welt kaum mehr wegzudenken, auch wenn im Jahr 2020 die ganz großen Ausrufezeichen gefehlt haben (Home-Tour-Siege zählen nicht!).

Aspinall hat vielleicht den vermeintlich leichtesten Weg bis ins Viertelfinale - er hat nämlich den unglaublich formschwachen Daryl Gurney in seiner Ecke des Tableaus. Um aber sein drittes WM-Halbfinale in Serie zu erreichen, müsste er dann entweder Price (den er beim Grand Slam zuletzt bezwingen konnte) oder de Sousa aus dem Weg räumen.

Elmar Paulke: "Wenn ich mir die Kandidaten so anschaue, gehört Aspinall auf die Fünf. Er hat jetzt natürlich zum ersten Mal auch Druck, weil er ein Halbfinale verteidigen muss, aber für ihn überwiegen denke ich die positiven Vibes. Im Ally Pally ging seine Reise so richtig los. Ich mag Aspinalls Mentalität auch einfach sehr. Er ist spielerisch sicher nicht so gut wie der Bully Boy, aber er ist ein so unglaublicher Fighter. Eine Mischung aus Smith und Aspinall wäre sensationell. Als Gefahr sehe ich nur so ein bisschen, dass Aspinall überdreht und zu hohe Erwartungen an sich selbst hat."

4. Michael Smith (PDC Order of Merit: 4)

Wann gewinnt der Bully Boy endlich sein erstes Major? Gewinnt er überhaupt jemals ein Major? Es ist und bleibt eine der großen unbeantworteten Fragen im Dartssport. 2020 lässt sich aus Smith-Sicht so zusammenfassen: World-Match-Play-Halbfinale gegen Anderson verloren (16:18), danach lief kaum was zusammen, ehe sich Smith mit zwei Siegen innerhalb von zwei Tagen bei der Winter Series zurückmeldete und damit eine seit 2018 anhaltende Titel-Durststrecke beendete.

Der Grand Slam hätte danach eigentlich Smiths Turnier sein können, aber daraus wurde nichts. Smith verlor ein enges Viertelfinale gegen de Sousa (14:16) und musste wieder einmal dabei zuschauen, wie ein anderer am Ende den Pokal hochhalten durfte, der doch ihm hätte gehören sollen.

Michael Smithgetty

Bei der WM könnte der 2020 stark aufspielende Devon Petersen in Runde drei zum Stolperstein werden. Bei diesem Duell würden die beiden Männer mit der besten 180er-Quote pro Leg im Jahr 2020 aufeinandertreffen. Ansonsten sieht Smiths Viertel aber mehr als machbar aus (Anderson, Suljovic, Cross, Durrant, Lewis), sodass ein Halbfinale gegen MvG oder van den Bergh absolut realistisch ist.

Aber darum geht es nicht. Smith ist gut in Form, er wird seine unfassbare Scoring-Power ausspielen, aber trifft er im entscheidenden Moment die Doppel? Selbst den größten Bully-Boy-Fans dürfte da das letzte Vertrauen fehlen, aber hat er selbst überhaupt das Vertrauen?

Elmar Paulke: "Ich habe den Eindruck, dass der Bully Boy sich bald ein großes Ding holen wird. Er ist ja nicht weit weg und er ist einfach viel zu talentiert, als dass er kein Major gewinnt. Auf der anderen Seite sollte er auch nicht mehr allzu lange mit dem ersehnten Titel warten, es gibt sicher diesen Punkt, an dem es irgendwann vorbei ist. Aber das sehe ich im Moment nicht. Er hat seine Doppelquote verbessert, die lag zuletzt oft bei 40, 45 Prozent. So gut wie der Bully Boy scort, kann er dann eigentlich gar nicht verlieren."

3. Michael van Gerwen (PDC Order of Merit: 1)

Der Titel bei den Players Championship Finals wäre in den vergangenen Jahren nur einer von so vielen für van Gerwen gewesen. Aber diesmal war alles anders. Dieser Titel war für van Gerwen ohne Zweifel einer der wichtigsten seiner Karriere.

Er musste direkt vor der WM unbedingt zeigen, dass er wieder (fast) der Alte ist. Er konnte es nicht länger hinnehmen, dass ein Peter Wright nur von Gerwyn Price als größtem Konkurrenten für die WM sprach. Was ein Affront!

Die Top 3 mit van Gerwen, Wright und Price stehen klar über dem Rest, auch bei den Jahresaverages stehen sie an der Spitze. Wright (99.12) vor van Gerwen (99.05) und Price (98.14). Wer hier nun im Ranking auf der Eins, Zwei oder Drei steht, ist also extrem knapp.

Aber auch wenn MvG eine Duftmarke gesetzt hat, ist die Situation nicht mehr so wie in den Jahren zuvor. Er hat den Nimbus des Dominators und fast Unbesiegbaren eindeutig verloren. Alleine die drei Niederlagen in Serie gegen Simon Whitlock mit zig vergebenen Matchdarts - das passiert einem MvG nicht!

Die Angst vor van Gerwen ist weg. Deshalb muss er sich hier mit Rang drei begnügen. Er würde kochen, wenn er davon hören würde ...

Elmar Paulke: "Es kann absolut sein, dass ihn der Sieg bei den Players Championship Finals richtig pushen wird für die WM. Dennoch ist die Situation eine andere geworden. Es ist brutal, wie schnell so ein Nimbus weg ist, nachdem es so lange gebraucht hat, um ihn aufzubauen. Alle lauern und sehen ihre Chance gegen van Gerwen. Es war ein extrem hartes Jahr für ihn. Jedes Mal, als ich gedacht habe, jetzt ist er wieder da, ist er doch wieder eingebrochen. Das war spannend zu beobachten. Aber mir gefällt es sehr, wie van Gerwen gekämpft hat. Er hätte auch sagen können: Ich habe sechs Jahre lang allen den Hintern versohlt, jetzt ist es eben mal anders. Aber so hat er nie gedacht. Er war immer bereit zu kämpfen. Und er ist viel demütiger in seinen Matches, als es der Bully Boy ist. Bei ihm habe ich oft das Gefühl, dass ihm die Demut fehlt, weil er immer einen 110er Average erwartet. So läuft es aber nicht im Darts. Bei van Gerwen ist das anders. Er hat die Demut, um auch damit umzugehen, dass es nicht so gut läuft. Die WM wird vor allem deshalb wichtig, weil er auf keinen Fall die Position als Nummer eins verlieren will. Dieser Druck lastet auf ihm. Für andere wäre das nicht so wichtig, aber für van Gerwen bedeutet es extrem viel, der Beste zu sein im Ranking. Das braucht er auch für sein Spiel. Wäre das plötzlich nicht mehr so, würde das sehr an seinem Selbstverständnis nagen."

2. Peter Wright (PDC Order of Merit: 2)

Für Snakebite ist das Ziel klar: WM-Titel verteidigen, van Gerwen vom Thron stoßen und die neue Nummer eins der Welt werden. Dafür muss er "einfach nur" weiterkommen im Turnier als MvG, dann hätten wir zum ersten Mal seit 2014 eine neue Nummer eins. Er könnte es packen. Wright hat ein starkes Jahr 2020 hinter sich, in dem er neben zahlreichen Pro-Tour-Erfolgen zum ersten Mal die European Championship gewann.

Das Vorrunden-Aus beim Grand Slam kam zwar genauso überraschend wie die sehr klare Halbfinalpleite bei den Players Championship Finals gegen Mervyn King, aber insgesamt stimmt die Form, daran gibt es keinen Zweifel. Egal, wie oft er seine Darts wechselt.

Wright muss von Beginn an voll da sein. Clemens in Runde drei und der Sieger aus Ratajski/Whitlock im Achtelfinale sind schwierige Hürden, aber alles andere als Minimum das Halbfinale wäre für Wright eine herbe Enttäuschung.

Elmar Paulke: "Peter wirkte zuletzt auf mich ein bisschen nickelig. Die Sticheleien in Richtung van Gerwen, das etwas fehlende Feuer, die fehlenden Gags, er hat Turniere ausgelassen, was er sonst nie gemacht hat - irgendwie wirkte das etwas abgequält. Nicht gravierend, aber so ganz war es nicht der Snakebite, den wir kennen. Es muss auch gar nicht negativ sein, es hat mir nur etwas gefehlt. Sportlich finde ich, dass er in diesem Jahr sehr oft in engen Momenten herausragend gespielt hat. Das war für mich auffällig. Es ist keine Frage, dass er mit MvG und Price zu den Big Three zählt vor der WM."

Gerwyn Price trifft heute auf Jamie Lewis.getty

1. Gerwyn Price (PDC Order of Merit: 3)

Ja, Price hat bei den Players Championship Finals das Halbfinale gegen van Gerwen verloren (8:11) und beim Grand Slam war sogar schon im Achtelfinale Schluss - aber wer das Jahr 2020 in seiner Gesamtheit betrachtet, der muss den Iceman auf Position eins setzen. Das hat sich der Waliser schlicht und ergreifend verdient.

Price gewann in diesem Jahr neben vielen Pro-Tour-Events den World Grand Prix und die World Series Finals, dazu führte er als klarer Leader Wales gemeinsam mit Jonny Clayton zum Triumph beim World Cup. Der 35-Jährige hat nichts mehr mit dem Spieler zu tun, der dreimal bei der WM in der ersten Runde ausschied.

Price hat 2020 seine beeindruckende Entwicklung fortgesetzt und war über weite Strecken der beste Spieler der Welt. Er hat die innere Überzeugung, dass er die WM eines Tages gewinnen wird. Sehr gut möglich, dass es dieses Mal schon so weit ist. Im Halbfinale könnte es zur Revanche gegen Wright kommen, gegen den er bei der letzten WM in der gleichen Runde den Kürzeren zog.

Elmar Paulke: "Wenn ich die letzten Monate Revue passieren lasse, muss Price für mich an die Eins. Da war er einfach der Beste. Ich würde die Niederlage gegen van Gerwen bei den Players Championship Finals nicht zu hoch hängen. Dieses Turnier war für MvG viel wichtiger als für Price. Price hat in diesem Jahr so oft gezeigt, wie gut er ist. Mein Gefühl war, dass ihm in dem Turnier der letzte Biss und die letzte Emotionalität gefehlt hat, er hatte mentale Schwankungen drin, er wollte glaube ich einfach nach Hause. Bei der WM werden wir den Price sehen, den wir fast das ganze Jahr gesehen haben. Und er will auch die Eins der Welt werden, da hat er richtig Bock drauf."