"Barcelona muss sich verbessern!"

Von SPOX
Gerard Pique hat mit dem FC Barcelona die beste Saison seiner Karriere hinter sich
© Getty
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Frage: Co-Trainer Tito Vilanova hat einmal gesagt: "Ohne Gerard wäre das ganze System zusammengebrochen". Sind Sie wirklich so wichtig für die Barca-Defensive?

Pique: Ich glaube nicht, dass er es so gemeint hat. Es gab während der Saison aber eine Zeit, in der Abidal und Puyol verletzt ausgefallen sind. Da war die Auswahl an Verteidigern eben nicht mehr so groß. Wenn ich da auch noch gefehlt hätte, dann wäre es eng geworden.

Frage: Dennoch sind gerade Sie für das System offenbar so wichtig...

Pique: Jeder ist wichtig. Denn jeder Spieler spielt im Barca-System eine bestimmte Rolle. Das ist es, was Pep macht. Er erklärt uns genau, was jeder einzelne Spieler zu tun hat. Ich versuche dann so viel beizutragen, wie ich kann. Was offenbar gut klappt. Aber auch Mascherano oder Busquets können meine Rolle spielen.

Frage: Wie sehen Sie Ihre Beziehung zu Puyol? Sie scheinen sich prima zu ergänzen. Sowohl auf dem Platz als auch persönlich.

Pique: Wir ergänzen uns wirklich wunderbar. Seit der ersten Minute auf dem Trainingsplatz verstehen wir uns erstklassig - und das nicht nur fußballerisch. Manchmal reicht schon ein Blick aus, und wir wissen genau was der andere meint. Ich hoffe, dass wir noch einige Jahre zusammen spielen können bevor er irgendwann mit dem Fußball aufhört.

Frage: Und das könnte noch etwas dauern. Denn seit Sie mit ihm zusammenspielen, wirkt er wieder jünger. Kann es sein, dass ihre Persönlichkeit auf ihn anfärbt?

Pique: Ach was. Puyol war im Geiste schon immer ein Jungspund. Er arbeitet hart, hat eine herausragende Mentalität und obwohl er bereits 33 Jahre alt ist, hat er noch den Körper eines jungen Mannes. Er ist ein wahrer Athlet und wird hoffentlich noch einige Jahre spielen.

Frage: Wie sehr sind sich die Barca-Spieler eigentlich der Tradition des Klubs bewusst? Ziehen Sie zusätzliche Motivation daraus, dass Sie eine Epoche prägen können?

Pique: Genau so ist es. Man findet immer neue Dinge, die einen motivieren. Historische Rekorde zu jagen, ist ein Teil davon. Schon jetzt reden viele darüber, dass wir das beste Team aller Zeiten sind - aber das werden wir vermutlich nie wissen. Jedenfalls so lange nicht, bis wir in Rente gehen. Deshalb genießen wir jetzt einfach das Privileg, das so viele herausragende Spieler in einem Team vereint sind und zusammen Titel gewinnen können. Wir haben Spaß und genießen den Moment.

Frage: Sie benutzen da ein Schlüsselwort: genießen. Im Fußball - und im Sport allgemein - scheinen viele Menschen ein Problem damit zu haben, einen Erfolg auch einfach mal genießen zu können. Kaum ist ein Titel gewonnen, verlangen sie schon wieder mehr von sich.

Pique: Das ist doch auch kein Wunder. Im Fußball leiden alle unter einem sehr schlechten Langzeitgedächtnis. Man gewinnt, der Sommer kommt - und schon ist das alles nichts mehr wert. Also muss man alles nochmal gewinnen. Besonders für einen Klub wie Barcelona ist es wichtig, jedes Jahr einen Titel zu holen. Und genau das ist es, was wir versuchen. In diesem Jahr haben wir Meisterschaft und Champions League gewonnen. Das heißt aber nicht, dass wir die Sache jetzt locker angehen lassen. Die Fans erwarten weitere Erfolge. Und das ist uns bewusst.

Frage: Ist es nicht hart, mit diesem Druck zu leben?

Pique: Es ist hart, besonders wenn deine Karriere wie meine anfängt. Wenn du im ersten Jahr gleich alles gewinnst - und sie das dann in jedem Jahr erwarten. Das ist unmöglich. Aber man gewöhnt sich an dieses Gefühl und wenn man bei einem großen Klub spielt, weiß man ja auch, dass man immer die Chance hat, die Erwartungen zu erfüllen. Man muss nur selbst auch immer topfit sein.

Frage: Die Fans werden sagen: Ihr Fußballer habt es doch leicht. Betreibt da Euren Sport und werdet dafür auch noch extrem gut bezahlt...

Pique: Wir sind Fußballer, richtig. Und keine Maschinen. Wir sind Menschen und viele Dinge können unsere Leistung beeinflussen. Einige Fans verstehen einfach nicht, dass auch wir ein Privatleben haben und dass es darin eben auch Dinge geben kann, die einen ablenken. Aber sobald die Gefahr besteht, dass sich das auf dem Platz bemerkbar macht, muss man sich abschotten. Komplett. Dann muss man sich von allem anderen lossagen und sein bestes Spiel aufziehen.

Frage: Wie kann man für 90 Minuten alle äußeren Einflüsse abschalten?

Pique: Das ist hart, wirklich hart. Schließlich sind Gefühle äußerst menschlich. Aber man versucht, auf dem Platz ein Profi zu sein. Wenn du in die Kabine kommst, dann versuchst du dich auf die kommenden 90 Minuten einzustellen. Schließlich musst du alles geben, was du hast.

Frage: Wie kommt es eigentlich, dass die Barca-Philosophie den Spielern so sehr in Fleisch und Blut übergeht?

Pique: Weil sie auf allen Ebenen des Klubs dieselbe ist. Sie ist heute die gleiche wie an dem Tag, als ich zu Barcelona kam. Und: Sie ist ganz einfach. Die Idee ist, den Ball zu haben, das Spiel zu kontrollieren und dem Gegner unsere Gangart aufzuzwingen. Immer.

Frage: Ist es übertrieben, von einer Barca-DNA zu sprechen?

Pique: Überhaupt nicht, denn sie ist Realität. Jeder Spieler der von einem anderen Klub kommt, egal wie gut er auch sein mag, hat am Anfang Probleme. Das liegt an unserer Mentalität. Wir sind einfach ziemlich - sagen wir: speziell. Wer mit Barca aufwächst, bekommt unsere DNA eingeimpft. Auf jeder Altersstufe. Deshalb fällt Eigengewächsen auch der Schritt in die erste Mannschaft leichter.

Frage: Dabei müssten Sie selbst doch eigentlich auch über eine ordentliche Portion Manchester-United-DNA verfügen. Schließlich haben Sie vier Jahre dort gespielt. Was haben Sie in England gelernt?

Pique: Härte. Das Spiel ist dort viel körperbetonter und direkter. Es gibt mehr lange Bälle, weil die Teams versuchen, so schnell wie möglich in den gegnerischen Strafraum zu kommen und Chancen zu erzwingen. Mir persönlich hat das viel gebracht. Ich musste mich auf diesen neuen Stil einstellen, hart an meiner körperlichen Verfassung arbeiten und an meinem Speed.

Frage: Sind Sie dank der Zeit bei ManUtd ein besserer Spieler?

Pique: Für meine Karriere war es genau der richtige Schritt. Ich habe zwar nicht so viel gespielt, wie ich das gerne gehabt hätte, aber das hat mich mental nur noch stärker gemacht. Außerdem habe ich viele Erfahrungen gesammelt, die mich vorangebracht haben. Ich war gerade 17 oder 18 und habe bereits mit Rooney und Ronaldo gespielt. Auch dank ihnen bin ich heute so gut.

Frage: Zurück zum FC Barcelona. Viele Menschen reden aktuell darüber, wen der Klub noch alles verpflichten sollte. Sie konzentrieren auf die Schwächen - was nach dieser Saison bizarr ist, oder?

Pique: Ein wenig. Aber ein Team, das alles gewinnen will, muss sich stetig erneuern. Barcelona muss sich weiter verbessern. Selbst wenn man alles gewinnt, kann man noch stärker werden.

Frage: 2012 steht die Europameisterschaft an. Ist die EM ein besonderes Ziel? Immerhin ist es der letzte Pokal, den Sie noch nicht gewonnen haben...

Pique: Das stimmt. Aber daran denke ich noch nicht. Aktuell konzentriere ich mich nur darauf, eine gute Saisonvorbereitung zu haben. Schließlich wird es eine knallharte Saison - mit der Super Copa gegen Real Madrid und dann mit Porto im europäischen Super Cup gleich zu Beginn. Und schon diese beiden Titel wollen wir gewinnen, sie gehören in unser Klub-Museum. Danach setzen wir dann alles daran, die Liga und die Champions League zu gewinnen... und irgendwann danach kann ich mir Gedanken um die EM machen. Doch schon jetzt hoffe ich, dass ich dann 100 Prozent fit bin und mit Spanien um den Titel kämpfen kann.

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