"Barcelona muss sich verbessern!"

Von SPOX
Gerard Pique hat mit dem FC Barcelona die beste Saison seiner Karriere hinter sich
© Getty

Gerard Pique ist einer der weltbesten Innenverteidiger. Zwei Meisterschaften, Champions League, Weltpokal, Weltmeisterschaft - in den vergangenen gut zwölf Monaten gewann der 24-Jährige alles, wovon ein Fußballspieler träumt. Beim FC Barcelona bildet Pique das Herzstück der Defensive. Während der Vorstellung des neuen Nike-Fußballschuhs Tiempo Legend IV gab der Barca-Star ein Interview, das SPOX exklusiv von Nike zur Verfügung gestellt wurde. Pique gibt darin einen ausführlichen Einblick ins Innenleben des FC Barcelona, spricht über seinen kongenialen Partner Carles Puyol und erklärt die Barca-DNA.

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Frage: Weltmeister, Champions-League-Sieger und spanischer Meister... und das alles in nur einem Jahr. Nicht schlecht, Herr Pique, oder?

Gerard Pique: Ganz und gar nicht. Es war ein unglaubliches Jahr! Aber wenn man gleichzeitig für die beste Nationalmannschaft der Welt und das beste Klub-Team der Welt spielt, lässt einen das einfach nach so hohen Zielen streben. Ich bin in der glücklichen Lage, Teil dieser beiden Teams zu sein und konnte deshalb mit Spanien Weltmeister werden - etwas, das meinem Land zuvor noch nie geglückt ist. Das war Wahnsinn. Und dann zusätzlich auch noch zum dritten Mal hintereinander die Meisterschaft zu gewinnen und nach 2009 erneut Champions-League-Sieger zu werden, war eine erstaunliche Erfahrung. Im Finale gegen ManUtd waren wir brillant! Eine großartige Leistung.

Frage: Hatten Sie mit einem solchen Erfolg gerechnet? Schließlich war es eine intensive Saison - gespickt mit vier Clasicos in nur 18 Tagen. Oder waren Sie am Ende doch überrascht?

Pique: Überrascht? Nicht wirklich. Wir wussten, dass besonders das Champions-League-Halbfinale gegen Real Madrid unsere Nerven strapazieren würde. Wir wussten, dass beide Teams so spielen würden, wie es ihnen liegt. Dass sie mit den Waffen kämpfen würden, die ihnen wie auf den Leib geschneidert sind. Und am Ende waren wir es eben, die dem Gegner die eigene Spielweise aufgezwungen haben. Und das, weil wir immer auf unsere Philosophie vertraut und dementsprechend Fußball gespielt haben.

Frage: Und im Finale?

Pique: Da waren wir uns die ganze Zeit sicher, dass wir das bessere Team sind. Dieses Selbstbewusstsein und diese Überzeugung zahlen sich am Ende aus. Wir waren einfach großartig! Von der ersten Minute bis zum Schluss hat man gesehen, wie sehr wir diesen Titel wollten. Und dann auch noch die Qualität unserer Spieler... ach, es war einfach großartig!

Frage: Das klingt so, als wären Sie sehr von Ihrem Team überzeugt. Dennoch sagen viele Experten, dass es die härteste Saison für Barcelona seit langem war. Nicht nur wegen der vielen Spiele gegen Real Madrid, sondern besonders wegen dem, was abseits des Platzes passiert ist...

Pique: Das stimmt. Man hat uns viel unterstellt - Vorwürfe, die einfach nicht stimmen. Und es ist schwer, damit zu leben. Man hat immer im Hinterkopf, dass es viele Menschen gibt, die einfach alles glauben, was die Medien schreiben. Für die ist das wahr, was in der Zeitung steht. Ob es nun stimmt oder nicht. Man versucht, das alles zu ignorieren, aber das ist nicht so einfach. Wir hatten das Gefühl, dass wir uns jeden Tag neu beweisen mussten. Den Menschen jeden Tag aufs Neue zeigen mussten, dass wir die Besten sind, weil wir am härtesten arbeiten, das meiste Talent haben und einen Fußball spielen, wie ihn in Europa niemand sonst spielt. Und sonst nichts.

Frage: Daher vermutlich auch der überschwängliche Jubel nach dem letzten Heimspiel der Saison, als Sie die Fans erst mit Paprikaschoten bewarfen, um einer katalanischen Tradition gemäß ihre Courage zu beweisen, und sich später ein Mikrofon schnappten und erklärten: "Wir nehmen keine Drogen, wir machen keine Schwalben, wir kaufen keine Schiedsrichter. Wir spielen einfach nur Fußball." Das klang schon sehr nach einer Rechtfertigung. Hat Sie die Kritik so geärgert?

Pique: Das hat sie, sehr sogar. Und das Schlimmste ist, dass man rein gar nichts dagegen tun kann. Das sind nun mal die Waffen, mit denen uns unsere Gegner über den Haufen schießen wollen. Mit denen sie uns ablenken und verhindern wollen, dass wir unseren besten Fußball spielen. Wir müssen trotzdem unseren Job machen und uns auf das konzentrieren, was wir beeinflussen können. Und das ist Fußball. Wir dürfen nicht auf das hören, was die Kritiker sagen - sondern uns nur auf Titel konzentrieren, die wir gewinnen wollen. Im Moment klappt das gut. Die Herausforderung lautet jetzt aber, alles daran zu setzen, dass es genau so weitergeht.

Frage: Besonders für Sie muss das alles sehr bewegend sein - die Erfolge und die Kritik. Denn schon Ihr Großvater hat für den Klub gearbeitet, Sie selbst sind Katalane und seit Geburt Barcelona-Fan. Wie fühlt es sich an, wenn man als Fan und Spieler eine solche Saison durchlebt?

Pique: Ich glaube, dass die Fans sehr stolz auf den FC Barcelona sind. Wir haben unser Bestes gegeben und den Klub stolz gemacht. Wir haben gezeigt, was wir für unseren Verein erreichen können - und wenn man Titel gewinnt, dann sind auch die Fans glücklich. Diese Freude berührt wiederum die Spieler und im nächsten Jahr wollen wir alles dafür tun, dass die Menschen glücklich bleiben.

Frage: Doch wie wollen Sie das schaffen? Es erscheint fast unmöglich, noch besser zu werden...

Pique: Natürlich wird es jedes Jahr härter. Schließlich schlafen unsere Gegner nicht. Ganz im Gegenteil. Sie verbessern sich sogar, holen tolle neue Spieler und kämpfen immer härter - und alles nur, um uns zu schlagen. Trotzdem standen wir in den vergangenen Jahren immer konstant an der Spitze, haben unser hohes Niveau also gehalten. Schon nach unserer ersten Meisterschaft haben die Leute gesagt, dass wir satt sind und einbrechen werden. Und was haben wir gemacht? Wir haben den nächsten Titel geholt. Genauso nach der WM. Da haben viele gemeint, dass sich die spanischen Nationalspieler nicht mehr so reinhängen würden. Und es war wieder falsch. Sie sehen also: Wir bleiben hungrig und wollen weitere Titel gewinnen!

Frage: Viele andere würden nach einer solchen Saison an Rücktritt denken ...

Pique: Viele... aber nicht wir. Wir streben nach mehr, in unserer Vitrine ist noch Platz. Ich will am Ende auf meine Karriere zurückblicken und sagen können, dass ich alles mitgenommen habe. Als Fußball-Rentner lebt man schließlich von den Erinnerungen an die großartigen Momente - und deshalb will ich noch so viele wie möglich davon in mich aufsaugen. Deshalb strebe ich nach weiteren Titeln. Denn am Ende sind Erfolge einfach die größte Befriedigung.

Frage: Gab es denn in der abgelaufenen Saison einen Schlüsselmoment in Bezug auf die Motivation des Teams? Etwas, dass das Team noch einmal richtig zusammengeschweißt hat?

Pique: Das Copa-del-Rey-Finale war ein Schlag ins Gesicht. Es war wirklich hart, das wegzustecken. Aber wir haben schon oft bewiesen, dass wir nach solchen Momenten zurückkommen können. Auch dank Coach Pep Guardiola. Er hat wirklich großen Einfluss auf uns. Seine Worte erreichen Dich, sie überzeugen Dich. Er weiß einfach, wie man motiviert. Als wir beim Champions-League-Halbfinale ins Bernabeu eingelaufen sind, Mann waren wir da heiß!

Frage: Was hat er nach dem Copa-Finale gesagt?

Pique: Er hat gesagt, dass wir immer noch das gleiche Team sind, das Real schon geschlagen hat. Mit dem gleichen Talent. Und dass wir, wenn wir weiter hart arbeiten, besser sind als Madrid.

Frage: Und welchen Einfluss hat Guardiola auf sie persönlich?

Pique: Sportlich? Einen großen. Er verlangt viel von mir. In seinem Spielsystem übernehmen die Innenverteidiger viel Verantwortung, defensiv und offensiv. Es liegt an uns, die Bälle hinten rauszubringen und die Angriffe einzuleiten. Außerdem haben wir die Aufgabe, das Team zu organisieren und sicherzustellen, dass alle auf ihren Positionen sind. Wir müssen das Spiel lesen und ausrichten. Das verlangt er von mir. Und nur deshalb sind wir erfolgreich.

Frage: Sie sprechen die Verantwortung an, die Sie im Barca-System haben. Die Verteidiger sind dabei sehr weit vorne positioniert. Dadurch können sie zwar den Gegner früh unter Druck setzen und viele Angriffe im Keim ersticken, wenn aber doch mal ein Pass durchkommt, haben die Angreifer viel Platz. Ist dieses System für Sie eher ein Fluch oder ein Segen?

Pique: Beides. Es ist ein Segen, wenn wir in Ballbesitz sind, das Spiel kontrollieren und konzentriert arbeiten. Denn dann funktioniert das System. Wenn wir es aber nicht schaffen, den Ball schnell laufen zu lassen und ihn dadurch immer wieder verlieren, dann sind wir anfällig für schnelle Konter. Und dann wird es richtig hart. Zurück zum eigenen Tor rennen zu müssen, ist die mieseste Situation, die man sich als Verteidiger vorstellen kann. Aber wir wissen damit umzugehen.

Teil II: Die Barca-DNA und die EM 2012

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