Als sich die Party in Bamberg so langsam dem Ende nährte und der Blick nach vorne ging, konnte man die alte Leier bereits wieder leise vernehmen. Trevor Mbakwe, Finalheld in Spiel 5 (20 Punkte, 13 Rebounds), hatte das kleine deutsche Team als Übergangsstation genutzt: Eine starke Saison bei den Baskets, schon packte der Defensiv-Anker wieder seine Koffer.
Für Mbakwe ging es zu Maccabi Tel Aviv, zum von Real Madrid entthronten Champion der Turkish Airlines Euroleague. Mit dem Geld, das dort gezahlt wird, könne man ja ohnehin nicht mithalten, hieß es. Dazu passte Geschäftsführer Rolf Beyers Zitat, noch bevor Mbakwe sich entschieden hatte: Es werde "eine Frage zwischen Preis und Leistung."
Einfach Geld reinpumpen, wie es in diesem Sommer beispielsweise von den türkischen Klubs Anadolu Efes oder Darussafaka Dogus zelebriert wurde und wird, könne man im kleinen Bamberg eben nicht. Nur zur Klärung: Bei den allermeisten deutschen Klubs, sogar bei Alba Berlin, ist dies auch immer noch richtig.
Der FC Bayern wird immer als Erstes genannt, wenn es um Ausnahmen geht. Die Marke spricht schließlich auf der ganzen Welt für sich, auch Geld ist beim Vizemeister von der Isar sicherlich vorhanden. Spätestens dieser Sommer hat jedoch gezeigt, dass Bamberg diesen Ausnahmestatus ebenfalls innehat - und die dank Hauptsponsor Brose verfügbaren finanziellen Mittel auch bereitwillig einsetzt.
Kein Vergleich zu Alba
Blickt man auf den Aderlass, den Alba wieder einmal zu verkraften hatte, wird schlagartig deutlich, wie drastisch sich die Situationen beider Teams unterscheiden. Abgesehen von Mbakwe blieben Darius Miller und Josh Duncan die einzigen namhaften Abgänge bei Bamberg, anders als Alba haben die Baskets auch keinen Neuaufbau über junge, unbekannte Spieler nötig. Stattdessen wurden von vielen europäischen Spitzenklubs umworbene Hochkaräter geholt, um den Kader für die anstehende Saison zu verbreitern - und besser zu machen.
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Aber der Reihe nach. Die fraglos wichtigste Personalie war der Mann, der die Baskets durch die Saison und zum Titel geführt hatte, der sowohl All-Star-Game- als auch Finals-MVP wurde: Brad Wanamaker. Der neben Jamel McLean prägende Akteur der vergangenen Saison war vermeintlich ein klassischer Kandidat dafür, schnell wieder weiterzuziehen und anderswo Kapital aus seinem nun exzellenten Ruf zu schlagen. Stattdessen verlängerte er in Bamberg.
Deutlich höheres Gehalt
Nach SZ-Informationen wurde sein Gehalt massiv angehoben, er verdient nun im "höheren sechsstelligen Bereich" und ist damit einer der Topverdiener der Liga. Ein wahrer Coup, den man kaum hoch genug einschätzen kann, zumal Wanamaker von etlichen Topklubs aus Spanien und der Türkei umworben wurde. Zeitgleich wurde auch mit dem talentierten Shooter Janis Strelnieks verlängert, auch sein Gehalt wurde angehoben.
Insbesondere durch die Wanamaker-Verlängerung war gewährleistet, dass Bamberg sich im Sommer nicht komplett neu aufstellen, sondern nur punktuell verstärken musste. Und das ist den Baskets bis hierhin extrem gut gelungen. Der Kader ist mit seiner Mischung aus Jugend und Erfahrung hervorragend aufgestellt für die neuen Aufgaben.
Talent und Erfahrung
Patrick Heckmann, der vom Boston College nach Bamberg wechselt, und Malik Müller, der zuletzt an der Virginia Tech University spielte, sind zwei vielversprechende Youngster, gerade Müller gilt als Investition für die Zukunft und hat eine Doppellizenz, wird also auch in der ProA für Kooperationspartner Baunach auflaufen. Gleiches gilt für den Slowenen Aleksej Nikolic, der aus Sarajevo geholt wurde.
Mit Yassin Idbihi und Lucca Staiger kamen zwei Spieler, die in München nur noch bedingt eingesetzt wurden, die Bamberg aber sehr nützlich sein können. Idbihis Toughness unter dem Korb ist gerade angesichts des Mbakwe-Abgangs ein Trumpf, dem Beyer bedenkenlos "10 bis 15 Minuten" einräumt, "wenn es die Situation erfordert."
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Staiger fehlte es in der bisherigen Karriere zwar stets an Konstanz, allerdings auch an einer klar definierten Rolle. Beides könnte sich in Bamberg ändern. Selbst wenn nicht, ist er als klassischer "Streaky Shooter" kaum zu stoppen, wenn er von draußen heiß läuft (siehe Spiel 5 der Finals). Und auch "sein Beitrag zu Verteidigung wird viele Zuschauer verblüffen", wie Sportdirektor Daniele Baiesi ankündigte.
Melli statt Kleber
All diese Verpflichtung sind zur Verbreiterung des Kaders gedacht, weniger zur Verbesserung in der Spitze. Auch in dieser Hinsicht waren Baiesi, Beyer und Coach Andrea Trinchieri aber aktiv. Ebenso wie im Vorjahr bemühte man sich nach SPOX-Informationen um Nationalspieler Maxi Kleber, der sich bekanntlich für die Bayern entschied. Dafür kamen andere Hochkaräter.
Da wäre zunächst Nicolo Melli, Trinchieris absoluter Wunschspieler, der ebenfalls bereits im vergangenen Jahr geholt werden sollte. Damals blieb er bei EA7 Emporio Armani Milan, jetzt kommt der Power Forward tatsächlich. Dass der 24-Jährige in Bamberg sogar einen Dreijahresvertrag unterschrieben hat, darf man durchaus als Ansage bezeichnen.
Melli ist athletisch nicht auf Mbakwes Niveau, wird weniger Blocks sammeln und ganz sicher nicht so viele Alley-Oops durch die Reuse drücken wie sein "Vorgänger". Dafür ist aber auch er ein guter Rebounder und bringt eine Komponente mit, die Mbakwe nicht hatte: Shooting. In seiner statistisch besten Saison für Milano (2013/2014) traf er über 37 Prozent vom Perimeter, eine nützliche Eigenschaft für die Pick'n'Roll-lastige Offense der Bamberger.
Baiesi hieß den italienischen Nationalspieler wie folgt willkommen: "Nicolo ist zumeist Starter der italienischen Nationalmannschaft, besitzt eine tolle, sehr kommunikative Persönlichkeit. Er ist ein großartiger Verteidiger und passt hervorragend mit unseren Großen zusammen, die wir schon haben und noch holen werden."
Die Euroleague als Traktor
Baiesi sprach auch die Euroleague-Erfahrung des Italieners an - und die Rolle, die die Aussicht auf die Königsklasse bei seiner und den anderen Verpflichtungen des Sommers spielte. "Die Euroleague ist ein Traktor", verriet Beyer auf denkbar kryptische Weise der SZ. Sie spielte auch die entscheidende Rolle bei der spektakulärsten Verpflichtung Bambergs.
Das Resümee von Nikos Zisis spricht für sich: Europameister 2005 (inklusive FIBA Rookie of the Year), Vizeweltmeister von 2006, Euroleague-Champion 2008, etliche domestische Titel in Griechenland, Russland und Italien. Der Guard spielte zuletzt bei Fenerbahce, ehe sein Vertrag vor kurzem auslief. Dass er sich für Bamberg entschieden hat, ist ein großer Gewinn für die gesamte Liga und zeigt auch das gestiegene Ansehen der BBL in Europa.
Zumal Zisis mit 31 noch lange nicht zum alten Eisen gehört. Er wird den Bambergern mit seinem Shooting und seiner überbordenden Erfahrung helfen, zudem kennt er Trinchieri bereits aus seiner Zeit bei Unics Kazan. Er kann Wanamaker entlasten und auch neben ihm spielen, da er es mit seinen 1,98 m auch defensiv mit Shooting Guards aufnehmen kann.
Zisis: Ein Signal an Europa
Zisis ist als Leader bekannt und hatte bei nahezu jeder seiner Stationen Erfolg - national wie international. Er ist seit Jahren Kapitän der griechischen Nationalmannschaft und soll auch in Bamberg eine prägende Figur werden - Beyer geht davon aus, dass Zisis die Baskets "durch die Euroleague tragen wird."
Die Verpflichtung hat auch für die internationale Konkurrenz Signalwirkung - abgesehen vielleicht von Bo McCalebb ist Zisis der wohl größte nicht-deutsche Name, der sich seit Jahrzehnten für einen Wechsel nach Deutschland entschieden hat. Er offenbart die Möglichkeiten, aber auch die Ambitionen, die in Bamberg entstanden sind.
Nicht nur die Bayern, auch der Rest Europas ist gewarnt. Die Baskets sind dabei, eine weitere Stufe in ihrer Entwicklung zu nehmen. Im Frankenland entsteht etwas Großes.