"Ich kenne Maodo Lo sehr gut"

Marko Pesic zieht seit 2011 bei Bayern München die Fäden
© getty
Cookie-Einstellungen

SPOX: Wie konkret war Ihr Flirt mit Tibor Pleiß? Hätten Sie mit Bryant verlängert, wenn Pleiß gekommen wäre?

Pesic: An Tibor haben wir grundsätzlich immer Interesse, trotzdem gab es keinerlei Verhandlungen. Und es gab keinen Zusammenhang zu John. Wir einigten uns mit ihm schon eine Woche nach dem letzten Finale.

SPOX: Der erst 20-jährige Daniel Mayr wird als dritter Center hinter Bryant und Seiferth näher ans Profiteam herangeführt. Richard Freudenberg, erst am Montag 17 Jahre jung geworden, durfte sich im Vorbereitungslager in Trentino ebenfalls bei der ersten Mannschaft ausprobieren. Sind die Bayern dazu verpflichtet, den Talenten eine Perspektive aufzuzeigen, wenn man sie nicht verlieren will?

Pesic: Vorweg: Der deutsche Nachwuchs hat sich in den letzten fünf, sechs Jahren enorm verbessert. Ich habe fast alle Spiele der U 18 und der U 16 bei der EM in diesem Sommer gesehen und beide DBB-Mannschaften gehören qualitativ zu den Top 3 in Europa. Dass es für die U 18 nur zu Platz acht und für die U 16 zu Platz sieben gereicht hat, hing viel mit Pech zusammen.

SPOX: Die erhöhte Qualität bedingt allerdings, dass immer mehr deutsche Talente nicht nur von Colleges, sondern auch aus dem europäischen Ausland umworben werden. Welche Schlüsse ziehen Sie daraus, dass beispielsweise Artlands Isaiah Hartenstein in Litauen bei Zalgiris Kaunas unterschrieben hat?

Pesic: Ich diskutiere häufig kontrovers mit den Managern anderer Teams. Es gibt zwei Fraktionen. Die einen sagen, dass man Talente so schnell es geht an sich binden muss, damit sie einem nicht weggeschnappt werden. So geht Bamberg vor. Ich gehöre zur anderen Fraktion. In Spanien sind mit Barca, Real Madrid und Caja Laboral drei große Vereine sehr aktiv in der Verpflichtung von Talenten. Wobei ich von Nikola Mirotic abgesehen niemanden sehe, der diesen Vereinen dabei geholfen hat, auf Profilevel etwas Wichtiges zu gewinnen. Die Regel sind eher Karrieren wie die von Bojan Bogdanovic: Er ging mit 16 zu Real Madrid, doch der Durchbruch gelang ihm erst, als er nach Kroatien zurückkehrte. Unsere Philosophie ist etwas anders: Natürlich sind wir interessiert, wenn Riesentalente wie Paul Zipser verfügbar sind. Ansonsten wollen wir Nachwuchsspieler aus der Region entwickeln. Der Gewinn der deutschen U19-Meisterschaft zeigt den jungen Basketballern in München und dem Umfeld, dass sie bei uns eine echte Chance erhalten. Und das ist unser Pfund.

Pesic-Interview zur Talent-Problematik im deutschen Basketball

SPOX: Sie sprechen von Riesentalenten, für die Sie eine Ausnahme machen. Was ist mit Maodo Lo, der nächstes Jahr nach seinem College-Abschluss verfügbar ist?

Pesic: Sagen wir es so: Ich kenne ihn sehr gut. (lacht)

SPOX: Bei der EM wird Lo den Backup für Dennis Schröder geben. Wie ist das Verhältnis zum NBA-Profi, nachdem es zwischen ihnen während der BBL-Finals wegen der Ticket-Vergabe zu Verwerfungen kam?

Pesic: Die gesamte Story war unschön für alle Beteiligten. Eigentlich pflegen Dennis und ich ein super Verhältnis und ich weiß, dass er ein guter Junge ist. Es ist seit Kai Nürnberger der erste überragende Aufbauspieler, der für Deutschland spielt. Und vor seinem Sprung in die NBA habe ich größten Respekt. Wir sollten die Episode einfach vergessen, es ist ja eine Banalität.

SPOX: Wie stark ist das DBB-Team mit Schröder und Lo bei der EM?

Pesic: Genau wegen den beiden sowie Anton und Heiko bin ich der Ansicht, dass Deutschland mit der besten Mannschaft seit unserer Bronzemedaille bei der WM 2002 antritt - und das trotz der Ausfälle. Mit den vier Guards haben wir auf den kleinen Positionen erstmals die Mischung aus Qualität, Erfahrung und Athletik. So etwas besaßen wir noch nie. Dazu auf der Small-Forward-Position mit Paul Zipser und Niels Giffey zwei Spieler, die Qualität, Elan und Enthusiasmus mitbringen. Auf den großen Positionen ist das Angebot ausgedünnt, aber bei Chris Fleming bin ich mir sicher, dass er die richtige Rotation finden wird.

Der alte Mann und die FlexGang - Das DBB-Team im Kadercheck

SPOX: Sie sprechen die Ausfälle an: Können Sie die Flut an Absagen verstehen? Vor allem jene aus privaten Gründen wie von Ohlbrecht und Lucca Staiger?

Pesic: Wir sollten bei der Diskussion den Blickwinkel ändern und eher darauf schauen, was entscheidend ist. Nämlich, dass Dirk Nowitzki, Tibor und Dennis alle zugesagt haben. Dirk legte sich so früh fest wie selten, Dennis hätte sich mit der Zusage ebenfalls Zeit lassen können und bei Tibor wäre es für jeden verständlich gewesen, wenn er auf die EM verzichtet und sich auf Utah konzentriert hätte. Stattdessen sind alle dabei und setzen so ein wichtiges Zeichen an den Rest. So war es bei den Serben im letzten Jahr, als alle NBA-Spieler von Anfang an dabei waren - und sie gewannen am Ende WM-Silber.

SPOX: Für Unruhe sorgt allerdings die ungewisse Zukunft von Chris Fleming, der ab kommender Saison als Assistant Coach bei den Denver Nuggets anfängt.

Pesic: Der DBB muss alles unternehmen, um endlich Kontinuität auf dem Bundestrainer-Posten zu bekommen. In diesem Moment ist Chris der ideale Coach für die Nationalmannschaft und der Verband sollte alles unternehmen, um ihn über die EM hinaus zu halten. Auch wenn es damit einhergeht, dass die Doppelfunktion auf Dauer erlaubt wird.

SPOX-Kommentar zur Posse um Chris Fleming: Planlos in den nächsten Umbruch

SPOX: Wobei der DBB mehrmals betont hat, einen hauptamtlichen Bundestrainer zu wollen.

Pesic: Wen interessiert es, was vor sechs Monaten gesagt wurde? Das kann nur zweitrangig sein. Die entscheidende Frage lautet: Was ist die beste Lösung für die Nationalmannschaft? Die Antwortet lautet: Chris Fleming.

SPOX: Vorausgesetzt, das DBB-Team erreicht zumindest das Olympia-Qualifikationsturnier im Juli 2016 oder zieht in das EM-Finale ein und ist im August 2016 direkt bei Olympia dabei: Wie soll Fleming die Nationalmannschaft bestmöglich vorbereiten, wenn in der weit entfernten NBA bis in den April hinein die Regular Season mit 82 Spielen läuft und eventuell noch die Playoffs anstehen?

Pesic: Ich finde das Konstrukt mit Henrik Rödl als Flemings Co-Trainer ideal. Henrik hat keinen Verein und ist so das perfekte Pendant während der Saison. Zumal Henrik perspektivisch der nächste Bundestrainer sein muss - und werden wird. Er kann Flemings Aufgaben sehr gut übernehmen, wann immer der Zeitpunkt sein wird, ob jetzt 2015, 2016 oder 2017. Bei der Universiade hat er mit dem zweiten Platz für das DBB-Team einen sehr guten Job erledigt. Genauso, wie wir es von ihm aus Trier gewohnt sind.

SPOX: Viele Experten im deutschen Basketball sagen jedoch, dass Rödl bei aller Kompetenz und Freundlichkeit zu weich für eine derart exponierte Position wie die des Bundestrainers ist.

Pesic: Was die Experten alles so von sich geben... Ich kenne Henrik seit Jahrzehnten und er ist von der Persönlichkeit und von seinen Kenntnissen her ein hervorragender Coach. Und was ich bisher vom DBB gehört habe, bestätigt das nur. Henrik pflegt einen engen Draht zu den Nationalspielern und harmoniert sehr gut mit Fleming, so dass er ohne Probleme als Bundestrainer nachfolgen kann.

Seite 1: Pesic über die NBA-Pläne des FCB

Seite 2: Pesic über Bayerns Ziele und die Kaderplanung

Seite 3: Pesic über Pleiß und die Chancen des DBB-Teams

Der DBB-Kader im Überblick

Artikel und Videos zum Thema