SPOX: Herr De Colo, Ihr Vertrag läuft nach dieser Saison aus, auch wenn eine Option auf ein weiteres Jahr besteht. Es ist natürlich früh, aber gibt es schon eine Tendenz, was Sie tun werden?
Nando De Colo: Nein, ich bin noch weit von einer Entscheidung entfernt. Wir haben ja gerade erst wieder angefangen und momentan geht es mir nur um ZSKA. Wir wollen diese Saison jeden Titel gewinnen und nur darauf konzentriere ich mich Tag für Tag. Was danach passiert, wird sich erst im Sommer herausstellen.
SPOX: Nachdem Sie die NBA im Sommer 2014 verließen, erklärten Sie, dass Ihnen Ihre Rolle dort nicht gepasst hätte. Was müsste ein Team Ihnen denn anbieten, um Sie zurückzuholen?
De Colo: Ich will überhaupt nichts Schlechtes über die NBA sagen, ich habe dort viel Spaß gehabt. Es ist aber eben so gelaufen, dass ich dort sehr wenig gespielt habe, während ich nun bei einem absoluten Spitzenklub in Europa eine tragende Rolle einnehmen kann. Das macht ebenfalls viel Spaß! (lacht) Deswegen gehe ich auch nicht beim ersten Angebot zurück dorthin. Ich will nicht nur ein NBA-Spieler sein, um mich als "NBA-Spieler" bezeichnen zu können. Ich müsste auch wirklich spielen können, in einer ähnlichen Rolle wie in Moskau. Bevor ein Team mit einer solchen Möglichkeit an mich herantritt, muss ich meine tolle aktuelle Situation nicht aufgeben.
SPOX: Die Raptors halten ja immer noch Ihre NBA-Rechte. Hatten Sie diesen Sommer Kontakt mit Torontos Verantwortlichen?
De Colo: Wir haben von Zeit zu Zeit miteinander gesprochen. In meiner Zeit dort habe ich eine gute Verbindung mit ihnen aufgebaut. Sie wollten mich ja auch vor meinem Wechsel nach Moskau gerne behalten, ich habe mich aber wegen der größeren Spielanteile für Europa entschieden. Wir halten seitdem Kontakt, aber das ist alles unverbindlich. Ich könnte mir aber schon vorstellen, dorthin zurückzukehren. Die Stadt hat mir sehr gut gefallen, das Bankdrücken eher weniger. (lacht)
SPOX: Toronto holte Sie ja erst während der 2014er Saison, zuvor spielten Sie bei den Spurs - eigentlich ja der perfekte Ort für "internationale" Spieler. Wie erklären Sie es sich heute, dass es in San Antonio nicht so geklappt hat?
De Colo: Zu erst einmal würde ich nicht sagen, dass es dort nicht geklappt hat. Ich habe nicht so viel spielen können, trotzdem war die Zeit in San Antonio eine sehr schöne für mich. Die Möglichkeit, zur besten Franchise der NBA zu wechseln, hat mich von Anfang an sehr glücklich gemacht. Zum anderen kam ich dadurch natürlich auch zu einem Team, das bereits vor Qualität strotzte. Im Backcourt waren erfahrene Spieler wie Manu Ginobili und natürlich Tony Parker, da war es für mich schwer, als Rookie an Minuten zu kommen.
SPOX: Würden Sie heute mit einer anderen Einstellung dorthinkommen?
De Colo: Ja, ich würde mich weniger leicht frustrieren lassen. Ich wusste damals nicht wirklich, was von mir erwartet wurde und haderte mit meinem eigenen Spiel, es war ja die erste NBA-Erfahrung für mich. Ich musste die ganzen Abläufe dort erst lernen, das Spiel ist eben doch ein ziemlich anderes als in Europa. Ich war wohl ein bisschen überwältigt und konnte meine Qualität nicht so optimal zeigen. Allerdings hat mich das auch auf meine späteren Aufgaben vorbereitet.
SPOX: Vielen europäischen Guards ging es in der Vergangenheit ähnlich, wenn man mal von Parker oder Ricky Rubio absieht. Was ist für Sie der Hauptgrund?
De Colo: Es ist für mich in erster Linie von der Situation abhängig. Bei welchem Team landest du, welche Rolle ist dort für dich vorgesehen? Minnesota wartete lange auf Rubio und plante ihn dann aber nahezu direkt als Starter ein. Die Spurs schenkten Parker ihr Vertrauen, obwohl natürlich auch er anfänglich viele Fehler machte. Nicht jeder hat dieses Glück. Wenn du sozusagen als zweiter oder dritter Point Guard reinkommst und Fehler machst, bist du deine Minuten ganz schnell los und kriegst immer weniger Möglichkeiten, diese Fehler abzustellen. Aber man wird eben nicht besser, kann sein Spiel kaum weiterentwickeln, wenn man nur trainiert und kaum echten Wettkampf bekommt. Ganz abgesehen davon, dass man weniger Spaß hat. Deswegen sind Spieler wie Juan Carlos Navarro oder Sergio Rodriguez ja auch nach relativ kurzer Zeit wieder nach Europa zurückgekehrt.
SPOX: Einige machen den Sprung auch gar nicht - wie (bisher) Ihr Backcourt-Partner Milos Teodosic. Können Sie ein wenig beschreiben, wie er als Spieler tickt?
De Colo: Milos ist wirklich einzigartig. Als ich letzten Sommer herkam, ging er ständig auf mich zu und fragte mich, wo ich den Ball am liebsten bekomme und investierte viel Zeit, um unserer Zusammenspiel zu perfektionieren. Ihm lag viel daran, mich sofort zu integrieren und zu ermöglichen, dass wir das Beste auseinander rausholen. Ich spiele unglaublich gerne mit ihm.
SPOX: Dabei wirkt er den Großteil der Zeit gelangweilt...
De Colo: Das stimmt, aber innerlich ist er ganz anders. Ihm geht es nur um den Sieg, deswegen tickt er manchmal auch aus, wenn ihm ein Call oder eine Situation nicht gefällt. Das ist einfach sein Charakter. Seine Coaches und Teammates wissen aber alle, was sie von ihm erwarten können, ob er nun gelangweilt aussieht oder nicht.
Milos Teodosic im Interview: "Würden gegen NBA-Teams mithalten"
SPOX: Von einigen wird dieser Charakter als Grund ausgemacht, warum er die Euroleague beispielsweise noch nicht gewinnen konnte.
De Colo: Ja, aber das ist meiner Meinung nach Blödsinn. Ich kenne ihn und ich weiß, was für ein herausragender Spieler er ist und wie er alles dafür gibt, mit seinen Teams den größtmöglichen Erfolg zu erzielen. Klappt das immer? Natürlich nicht. Es ist jedoch unfair, Niederlagen dann alleine an ihm festzumachen.
SPOX: Wie zum Beispiel beim vergangenen Final Four: Teodosic war gegen Olympiacos nicht gut drauf, das galt aber auch für viele andere bei ZSKA. Macht es Sie noch wütend, an diesen Einbruch im letzten Viertel zurückzudenken?
De Colo: Es war schon unglaublich bitter. Für mich war es zwar das erste Mal, aber für den Klub war es ja schon das vierte Mal hintereinander, dass man es ins Final Four schaffte und dort dann unterlag. Über 35 Minuten haben wir ein richtig gutes Spiel gemacht, nur um dann am Ende noch einzubrechen. Allerdings muss ich dazu sagen: Wütend macht es mich nicht mehr. Das Spiel ist Vergangenheit, eine Erfahrung, aus der wir alle lernen konnten. Dieses Mal wollen wir es besser machen und die Fehler nicht wiederholen.
SPOX: Der Hauptgrund in besagtem Schlussviertel war Vassilis Spanoulis, der drei Viertel lang nicht zu sehen war und das Spiel am Ende dann trotzdem entschied. Ist er der unberechenbarste Gegenspieler in Europa?
De Colo: Er gehört auf jeden Fall zu den härtesten Aufgaben als Verteidiger. Spanoulis hat das Spiel komplett verstanden und er braucht nur ein paar Zentimeter Freiraum, um auf einmal heiß zu werden. Wie gesagt: Wir hatten ja 30-35 Minuten einen richtig guten Job gegen ihn gemacht, dann war er einmal frei und Boom! Danach ist ihm auch gegen perfekte Defense alles gelungen. Ihm gebührt mein größter Respekt, er ist auf jeden Fall einer der besten Spieler in Europa.
SPOX: Spanoulis, aber auch Rodriguez oder Juan Carlos Navarro verließen nach kurzer Zeit die NBA und sind in Europa mittlerweile absolute Legenden. Können Sie sich vorstellen dem nachzueifern oder wollen Sie es lieber nochmal in Amerika versuchen?
De Colo: Da spielen viele Faktoren mit rein, ich habe die NBA aber definitiv nicht abgeschrieben und kann mir weiterhin gut vorstellen, noch einmal dort zu spielen, wenn die Situation passt. Ich will mich aber so oder so nicht mit den dreien vergleichen - sie haben alles gewonnen und sind zu Recht lebende Legenden dieses Sports. Mir geht es erst einmal darum, zumindest einmal die Euroleague zu gewinnen. (lacht)
SPOX: Der Saisonstart verlief mit zwei Blowouts immerhin sehr vielversprechend. Nun geht es gegen Bamberg - wird der deutsche Meister ein härterer Test für Ihr Team?
De Colo: Die Bamberger haben ein starkes, sehr gut trainiertes Team. Sie verteidigen gut, können den Ball gut bewegen und werden auf jeden Fall bestens motiviert sein. Wir können uns gegen sie nicht viele Fehler erlauben. Es ist aber natürlich trotzdem unser Anspruch, zuhause gegen sie zu gewinnen.
SPOX: Die Ansprüche in Moskau sind natürlich ohnehin hoch - wäre alles andere als der Euroleague-Titel in diesem Jahr eine Enttäuschung?
De Colo: Das kann man schon so sagen, nachdem ZSKA die letzten Jahre so oft kurz vorm Ziel scheiterte. Wir haben auf jeden Fall das Gefühl, unser Ziel noch nicht erfüllt zu haben. Es gibt natürlich viele Top-Teams: Die Spanier, die Türken, die Griechen - mit ihnen allen ist jedes Jahr zu rechnen. Wir wären dennoch enttäuscht, wenn es erneut nicht klappt.