"Würden gegen NBA-Teams mithalten"

Haruka Gruber
13. April 201511:46
Milos Teodosic stand mit Serbien im WM-Finale gegen die USAimago
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Er ist Hirn und Herz von Europas teuerstem Team. Milos Teodosic wurde bei ZSKA Moskau vom Borderline-Playmaker zum dominanten Superstar des Kontinents. Jetzt geht es in den Viertelfinal-Playoffs der Turkish Airlines Euroleague gegen Panathinaikos Athen. Der 27-jährige Serbe über das Interesse der NBA, seinen Ruf als "bester Passgeber des Planeten" und Vasilije Micic, seinen legitimen Nachfolger vom FC Bayern München.

SPOX: Milos Teodosic, in Deutschland weiß kaum jemand, dass Sie und Novak Djokovic, der Führende der Tennis-Weltrangliste, befreundet sind. Wie kam es dazu?

Milos Teodosic: Vor allem, weil ich ein riesiger Fan von Novak bin. Ganz Serbien ist ein Fan von ihm und wie ganz Serbien schaue ich mir so viele seiner Tennis-Matches an wie möglich. Dieses Jahr gab es mit den Australien Open und in Indian Wells schon viele Highlights. Wir sind richtig stolz auf ihn und ich bin glücklich, dass Serbien als kleines Land einen Spieler wie Novak hervorbringt, der uns in der besten Art und Weise repräsentiert.

SPOX: Und sieht er auch Ihre Basketball-Spiele und lobt Sie für Ihre grandiosen Auftritte in dieser Saison?

Teodosic: Sorry, aber das müssen Sie ihn selbst fragen. Ich bin mir sicher, dass er die serbische Nationalmannschaft während der WM 2014 angefeuert hat. Ob er die Zeit findet, um ZSKA Moskau zu verfolgen, weiß ich nicht.

SPOX: Sollte Djokovic Ihre Leistungen in der Euroleague sehen, würde er wie jeder Experte sagen: "Das ist der beste Teodosic aller Zeiten." Wie bewerten Sie sich? Vor allem im Vergleich zu 2010, als Sie bereits zum Euroleague-MVP und Europas Basketballer des Jahres gewählt wurden? Mit 16,1 Punkten liegen Sie auf Platz 4, mit 7,16 Assists auf Platz eins.

Teodosic: Puh, 2010. Das ist eine lange Zeit her und ich hoffe doch sehr, dass ich mich in den letzten fünf Jahren verbessert habe. Alles andere wäre eine Enttäuschung. Ich habe an vielen Facetten meines Spiels gearbeitet und bin kompletter als früher. Andererseits hoffe ich inständig, dass ich noch nicht der beste Teodosic aller Zeiten bin, sondern dass ich noch stärker werden kann. Selbst nach einem guten Spiel fokussiere ich mich vor allem auf die negativen Aspekte. So ticke ich nun mal.

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SPOX: Was besonders auffällt, obwohl das nur bedingt in den Boxscores zu lesen ist, ist Ihre Defense. Sie verteidigen mit mehr Engagement als je zuvor. Woher kommt das?

Teodosic und Djokovic unterstützen sich gegenseitigMilan Tabasevic / @tabashbgd

Teodosic: Eigentlich kann jeder Basketballer Defense spielen. Die Frage ist nur, ob man es möchte oder nicht. Deswegen bin ich mittlerweile der Meinung, dass man als Basketballer ohne eine gute Defense ein Niemand ist. Und das ist wohl der Hauptgrund dafür, dass ich so intensiv verteidige wie nur möglich. Ich möchte kein Niemand sein.

SPOX: Wie wichtig war dabei Ihr neuer Trainer Dimitris Itoudis? Der Grieche hatte lange Jahre als Assistent vom legendären Zeljko Obradovic bei Panathinaikos gearbeitet und war nur ein Jahr als Headcoach beim türkischen Klub Banvit tätig, bevor er etwas überraschend das teuerste Team der Euroleague übernahm.

Teodosic: Dimitris ist in vielerlei Hinsicht wichtig für mich. Als er sich entschloss, das Angebot von ZSKA anzunehmen, war ich sehr glücklich. Ich kenne ihn schon lange, ich habe häufig mit Olympiakos gegen ihn und Panathianikos gespielt. Und ich wusste, dass seine Art des Basketballs zu mir passt. Er lässt extrem viele Pick'n'Roll-Situationen laufen und gibt uns als Mannschaft sehr viele Freiheiten. Das ist perfekt, weil wir prädestiniert sind für genau diesen Stil: Wir verfügen einerseits über viele Ball-Handler und andererseits über große, bewegliche Spieler. Dieses Vertrauen von Dimitris in uns wollen wir mit Leistung zurückgeben. Das gilt genauso für mich, egal ob offensiv oder defensiv. Ich muss sagen: Zurzeit spielen wir wirklich sehr guten Basketball.

SPOX: Eine weitere Signifikanz bei Ihnen: Sie treffen den Dreier deutlich zuverlässiger, die Quote stieg von 34,7 auf imposante 41,2 Prozent. Wie wichtig war dabei die Zusammenarbeit während der WM 2014 mit dem serbischen Nationaltrainer Aleksandar Djordjevic, der in den 90er Jahren zu den besten Scharfschützen gehörte?

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Teodosic: Sasa war selbst früher ein überragender Point Guard, vielleicht sogar der beste in der Geschichte Serbiens. Dass man von so einer Legende enorm viel lernt, ist klar: Wie löst man Pick'n'Rolls noch besser auf? Auf was sollte man beim Playmaking achten? Wie wählt man gezielter die Würfe aus, die man nehmen oder nicht nehmen sollte? Und er brachte mir während der WM etwas bei, das ich vorher so nicht kannte: die Kraft der positiven Energie. Ich hatte es zuvor noch nie in meinem Leben verstanden, wie viel das bringen kann. Nur so konnten wir bei der WM als Kollektiv bis ins Finale einziehen und die Silbermedaille gewinnen. Wir schöpften daraus unendlich viel Selbstvertrauen - und das spiegelt sich bei mir unter anderem in den Wurfquoten wieder. SPOX

SPOX: Bei der zweigeteilten Wahl zu Europas Basketballer des Jahres 2014 wurden Sie knapp Zweiter hinter Tony Parker. Sie bekamen von den Fans zwar fast dreimal so viele Stimmen wie der Franzose, doch die Experten sahen Parker vorne - dem misst die FIBA eine deutlich größere Bedeutung bei. Was sagt das über das Basketball-Geschäft aus?

Teodosic: So tiefschürfend würde ich die Wahl nicht hinterfragen. Ganz klar: Tony hat den Award mehr als verdient. Er gewann mit den Spurs die NBA-Meisterschaft und er ist seit über einem Jahrzehnt ein wichtiger Baustein bei einem der großartigsten Teams der Geschichte. Es ist unglaublich, auf was für einem gleichbleibend hohen Niveau Tony spielt. Daher ist die Wahl genau so richtig abgelaufen.

SPOX: Parker ist charmant, intelligent - und ein Superstar in der NBA. Dennoch erhielt er im Vergleich zu Ihnen nur ein Bruchteil der Fan-Stimmen. Warum werden Sie von der Masse so geliebt?

Teodosic: Ehrlich, ich weiß es nicht. Ich wundere mich immer wieder darüber.

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SPOX: Sie selbst haben individuelle Preise gewonnen, aber noch nie einen großen internationalen Titel. 2012 standen Sie kurz davor: Im denkwürdigen Euroleague-Finale gegen Olympiakos spielten Sie MVP-reif - doch es folgte der Einbruch und eine der bittersten Niederlagen überhaupt. Wie oft denken Sie daran zurück?

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Teodosic: Ich kann bis heute diesen Abend nicht vergessen. Eigentlich war es nur ein Spiel und irgendwie auch viel mehr als das. Wir hörten zehn Minuten vor dem Ende einfach auf und ließen uns den 19-Punkte-Vorsprung aus der Hand gleiten. Daraus habe ich viel gelernt. Ich weiß jetzt, dass man bis zum letzten Spielzug alles geben muss und dass man sich nie zurücklehnen darf. Diese Erinnerung ist ein Mahnmal für mich.

SPOX: In der Saison darauf wurde der Trainerstab ausgetauscht, unter anderem kam der damals namenlose Assistent Quin Snyder, der nun die Utah Jazz als Headcoach verantwortet. Snyder sagte jüngst: "Milos ist der beste Passgeber des Planeten."

Teodosic: Ich habe das Zitat gelesen, und ich werde ihn kontaktieren, um mich zu bedanken. Quin ist ein toller Mensch und ein toller Coach und ich fühlte mich ihm sehr verbunden, obwohl wir nur ein Jahr zusammenarbeiteten. Als er zurück in die Vereinigten Staaten ging, war ich sehr traurig. Er hat sich sehr um mich gekümmert und ich war mir sicher, dass er es mit seiner Ansprache und seiner Kompetenz als Headcoach in die NBA schafft und Erfolge feiern wird.

SPOX: Snyders Aussage über Sie sorgte für Aufsehen. Nachdem sie bei ZSKA bis 2017 verlängert haben: Ist ein Wechsel in die NBA für immer ausgeschlossen? Sie hätten sich im Sommer 2014 als Vertragsloser den NBA-Klub aussuchen können und nicht in Moskau bleiben müssen.

Teodosic: Zurzeit denke ich nicht einmal ansatzweise an die NBA. Ich bin in meiner ersten Saison eines Drei-Jahres-Vertrags und wenn dieser ausläuft, bin ich 30 Jahre alt. Ob das ein Ausschlusskriterium ist, weiß ich nicht. Vielleicht ja, vielleicht nein. Vielleicht bin ich zu alt und keiner will mich. Vielleicht läuft es wie bei Pablo Prigioni, der mit 35 rüberging und dort trotz des Alters guten Basketball spielt.

SPOX: Wie sehen Sie den Leistungsstand zwischen der NBA und Euroleague? Waren die Siege von ZSKA gegen Minnesota 2013 und Alba gegen San Antonio 2014 die Indizien, dass eine Angleichung stattfindet?

Teodosic: Vor 10, 15 Jahren gab es einen großen, sehr großen Unterschied, der nicht wegzudiskutieren war. Seitdem lässt sich allerdings eine schrittweise Annährung beobachten. Ich weiß nicht, ob die NBA schwächer oder die Euroleague stärker wurde, doch es ist auffällig. Vor einigen Jahren haben es selbst die allerbesten Euroleague-Spieler nicht geschafft, in der NBA Minuten zu bekommen. Jetzt gehen junge Spieler aus Europa rüber und setzen sich locker durch. Wer hätte das früher gedacht? Deswegen bin ich überzeugt, dass es zwischen den Ligen viel ausgeglichener ist. Wenn man die NBA und die Euroleague in eine Liga mischt, glaube ich, dass die Top 7 der NBA weiter unantastbar und dominant wären - aber alle Teams dahinter für Euroleague-Teams besiegbar sind und wir mithalten würden.

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SPOX: Allerdings wird von vielen weiterhin der NBA-Basketball als Ideal verstanden. Das zeigt sich vor allem auf Ihrer Position des Point Guards. Die europäischen Topteams besetzen die Spielmacher-Position häufig mit US-Amerikanern, die klein und dafür athletisch sind und viel scoren. Sie hingegen verkörpern die klassische europäische Point-Guard-Schule: Nicht ganz so athletisch, dafür groß und mit dem Gespür für den Pass. Finden Sie es schade, dass Ihre Gattung langsam ausstirbt? Mit Dimitrios Diamantidis nährt sich einer der Letzten dem Karriereende.

Teodosic: Das ist kein NBA/Europa-Phänomen, sondern eher ein generelles Phänomen. In der NBA gab es ebenfalls Vertreter der alten Schule wie Steve Nash und Jason Kidd. Die beiden habe ich als Teenager genau wie die europäischen Point Guards bewundert und mir viel abgeschaut. Heutzutage sind wir klar in der Minderheit, in Europa gibt es vielleicht noch drei, vier Point Guards dieser Art. Der Rest setzt sehr auf Physis - wobei ich es nicht schlimm finde. Es ist, wie es ist. Und ich muss mich den Gegebenheiten anpassen und Wege finden, dennoch meinen eigenen Stil durchzuziehen.

SPOX: Was halten Sie davon, dass abgesehen von Serbien sehr viele osteuropäische Länder für ihre Nationalmannschaft US-amerikanische Point Guards einbürgern?

Teodosic: Rational kann ich es verstehen. Sie wollen eben etwas gewinnen und nicht immer verlieren, deswegen holen Sie sich Hilfe. Persönlich finde ich es hingegen sehr schade. Im Sport sollte die Einstellung zählen: "Egal was passiert, ich kämpfe nur mit dem, was ich habe!" Daher hoffe ich, dass Serbien niemals einen Amerikaner einbürgert. Das gehört sich nicht, wenn man das Selbstverständnis und die Tradition als Basketball-Land aufrechterhalten möchte. Wir Serben brauchen das nicht. Wir haben unsere Spieler und wir ziehen mit ihnen in jede Schlacht. SPOX

SPOX: Erstaunlich in Zeiten der Point-Guard-Flaute: Serbien verfügt nicht nur über Sie, sondern auch über einen zweiten Teodosic. Bayerns Vasilije Micic wird gemeinhin als nächster Milos Teodosic beschrieben. Ist der 21-Jährige wirklich so gut?

Teodosic: Ich kenne ihn sehr gut - und natürlich gibt es große Ähnlichkeiten. Man kann sagen, dass er so spielt wie ich. Micic kreiert für die Mitspieler, er versucht mit Pässen zu überraschen und ihm gefallen Pick'N'Rolls. Er ist mit Abstand eines der größten Talente der letzten zehn Jahre. Ich habe ihn in letzter Zeit häufig beobachtet und mir gefällt jetzt schon, was ich sehe. Und er kann noch viel besser werden, wenn er erfahrener ist. Der Weg zu den Bayern war die richtige Entscheidung und Svetislav Pesic ist der perfekte Trainer für ihn.

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SPOX: Im SPOX-Interview von 2012 erklärten Sie, dass Sie ein großer Pesic-Fan seien und irgendwann unter ihm spielen wollen würden. Ist ein Wechsel zu den Bayern theoretisch denkbar?

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Teodosic: Es ist auffällig, wie sich die Bundesliga jedes Jahr steigert. Dass Alba Berlin bis zum letzten Top-16-Spieltag sogar die Chance auf das Viertelfinale hatte und gleichzeitig in der BBL nicht einmal Erster ist, zeigt die Stärke der Liga. Und sie wird noch stärker, davon bin ich felsenfest überzeugt. Es ist nicht unrealistisch, dass die Bayern in absehbarer Zukunft ein Budget besitzen, um ernsthaft den Euroleague-Sieg als Ziel auszugeben. Von daher: Man weiß nie, was passiert und wohin es einen führen kann. Ich will es definitiv nicht ausschließen.

SPOX: Eine Rückkehr nach Deutschland steht für Sie im Herbst dieses Jahres an, wenn Sie mit Serbien in der EM-Vorrunde unter anderem auf das DBB-Team treffen. Dabei kommt es zum Duell mit Dennis Schröder. Kennen Sie ihn?

Teodosic: Ich habe ihn leider noch nicht selbst gesehen, aber ich hörte schon viele gute Sachen über ihn. Ich freue mich schon, gegen ihn anzutreten.

SPOX: Obwohl es ihm kaum jemand zugetraut hatte, wollte Schröder mit aller Vehemenz in die NBA. Selbst Wunderkind Mario Hezonja möchte unbedingt in die USA, obwohl er in Barcelona unter Vertrag steht, und sprach zuletzt darüber, dass er der Nummer-eins-Pick beim Draft 2015 sein sollte. Auch wenn er die Aussage nun dementiert: Wie ist Ihre Meinung zur nach wie vor herrschenden NBA-Fixiertheit?

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Teodosic: Ich finde das nicht schlimm, selbst wenn Hezonja es wirklich gesagt hat. Er besitzt sehr großes Selbstvertrauen, das steht außer Frage. Doch er besitzt auch sehr großes Talent und wenn er in Barcelona Minuten bekommt, spielt er immer gut. Wenn er also der Meinung ist, dass er der Nummer-eins-Pick ist, dann sehe ich das nicht negativ, sondern erstmal positiv. Ohne Selbstvertrauen erreicht man im Basketball nichts. Ich weiß nicht, ob er wirklich als Erster gezogen wird, aber er landet definitiv in den Top 10.

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