The Rise of Rice

Von Robert Heusel
Tyrese Rice gewann 2015 mit Kimkhi Moskau den Eurocup und wurde zum MVP gewählt
© getty

Tyrese Rice gehört inzwischen zu den besten Aufbauspielern im europäischen Basketball, doch der 28-Jährige hat eine Karriere voller Höhen und Tiefen hinter sich. Innerhalb von fünf Jahren hat sich der Linkshänder an die Spitze des Kontinents gespielt. Nach dem Überraschungssieg gegen Real Madrid trifft Rice mit Khimki Moskau am Abend auf seinen Ex-Klub Bayern München (ab 20.45 Uhr im LIVETICKER).

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Die Karriere von Tyrese Rice liest sich wie der klassische amerikanische Traum. "From rags to riches" trifft es vermutlich ganz gut. Rice stammt aus Richmond, Virginia. Er besuchte die L.C. Bird High School und hegte schon früh den Traum vom Profi-Basketballer.

Dass er nur wenige Jahre später der wertvollste Spieler eines Euroleague-Finalturniers sein sollte, hätte der junge Rice wohl nicht zu träumen gewagt. Doch genau das geschah 2015: Der Aufstieg von Tyrese Rice hat einen vorläufigen Höhepunkt erreicht.

Schlüsselspieler

Zu Beginn seiner Laufbahn zweifelten viele Experten in Virginia, ob dieser kleine Junge dort auf dem Court, dieser Tyrese Rice, überhaupt das Niveau hätte, um auf College-Level bestehen zu können. Doch Rice hatte keine Lust, sich mit Zweiflern aufzuhalten.

Ein erstes Ausrufezeichen setzte er im Jahr 2005, als er gegen die Oak Hill Academy, deren Star ein gewisser Kevin Durant war, eine 30-Punkte-Gala auf das Parkett zauberte.

Dieses Spiel war gewissermaßen der Türöffner für Rice' Karriere. Das renommierte Boston College und das College von East Carolina boten ihm ein Stipendium an. Der Spielmacher entschied sich für Beantown - die Zeit am College bezeichnete er im Nachhinein als die beste seines Lebens.

Rice blieb die vollen vier Jahre und steigerte sich stetig. 21,0 Punkte und 5,0 Assists waren seine Höchstwerte und der Traum von einem Engagement in der NBA wurde immer konkreter. Die Anmeldung zum Draft 2009 war der folgerichtige nächste Schritt.

Der Traum platzt

"Als ich mit dem College fertig war, dachte ich, dass ich genug getan hätte, um gedraftet zu werden. Vielleicht war es doch nicht genug", so Rice, nachdem klar wurde, dass sein Traum von der NBA vorerst geplatzt war. Zwar waren einige Franchises am 1,85 Meter großen Wirbelwind interessiert, doch letztlich entschied sich keines der Teams dazu, Rice auszuwählen.

"Ich weiß nicht, woran es letztlich gelegen hat. Aber als Spieler muss ich mich immer verbessern." Dieser Satz unterstreicht Rice' unbändigen Ehrgeiz. Als es nach einem Einsatz in der Summer League wieder nicht mit einem NBA-Vertrag klappt, entschied sich Rice nach Europa zu gehen.

Verloren in Athen

Aus den großen Hallen der USA hin ins Mittelfeld der griechischen Liga. Die erste europäische Station von Rice war Panionios Athen; graues Mittelmaß auf der Peloponnes. Rice war auf sich alleine gestellt, verlief sich in Athen sogar einmal kolossal.

"Ich dachte ich wäre auf dem richtigen Weg, doch als ich einen Polizisten fragte, ob ich richtig sei, lachte er mich nur aus", so Rice: "Ich war mindestens 90 Minuten von meiner Wohnung entfernt. Als ich endlich ankam, war es schon 3 Uhr morgens."

Die Saison bei Panionios endete mit einem Aus in der ersten Playoff-Runde gegen Panathinaikos. Rice legte mit durchschnittlich 12 Punkten ein gelungenes Europadebüt hin und unterschrieb für das Folgejahr einen Vertrag in Deutschland.

Abenteuer Quakenbrück

Die Artland Dragons sicherten sich die Dienste des Point Guards und marschierten in der BBL-Postseason bis ins Halbfinale, wo sie knapp dem späteren Meister aus Bamberg unterlagen. 16,6 Punkte und 5,1 Assists sorgten dafür, dass Rice Begehrlichkeiten weckte, denen die Dragons finanziell nicht gewachsen waren.

Nach einer Saison beim litauischen Traditionsverein Rytas Vilnius, die mit dem Einzug ins Halbfinale des Eurocup durchaus erfolgreich verlief, holte der FC Bayern München Rice zurück in die BBL. Und Rice überzeugte wieder: 15,8 Punkte (52 Prozent Wurfquote) und 4,4 Assists sowie der erneute Einzug ins Playoff-Halbfinale standen am Ende der Saison 2012/13 zu Buche.

Im Sommer ging Rice den Weg vieler Amerikaner in Europa und schloss sich einem neuen Nationalteam an - kurioserweise dem montenegrinischen. Gemeinsam mit Nikola Vucevic von den Orlando Magic führte er den Balkanstaat bei der EuroBasket an, doch für den Einzug in die K.o.-Phase reichte es trotz starker Leistungen der beiden Leader nicht.

Durchbruch

Die Bayern hätten Rice im Sommer 2013 liebend gerne in ihren Reihen gehalten, doch als mit Maccabi Tel Aviv ein wahres Schwergewicht der Euroleague anklopfte, war klar, dass Rice seine Zelte wieder abbrechen und weiterziehen würde.

Der Wechsel nach Israel war exakt der richtige Schritt, wie sich spätestens im nächsten Frühjahr herausstellen sollte. Maccabi spielte sich etwas überraschend ins Final Four der Turkish Airlines Euroleague in Mailand. Rice kam zumeist als Backup für Ricky Hickman von der Bank, verlieh dem Spiel der Israelis immer wieder neue Energie.

Beim Finalturnier war Rice schließlich der Spieler des Wochenendes. Halbfinale zwischen ZSKA Moskau und Maccabi, die Russen führten 67:66: Rice nahm sein Herz in beide Hände, zog zum Korb und legte den Ball zum Sieg rein.

Spätestens als ihm dann im Finale gegen Real Madrid auch noch 26 Zähler gelangen, Maccabi den Titel gewann und er zum MVP gewählt wurde, kannte ganz Basketball-Europa den Namen Tyrese Rice.

Ein Schritt zurück, zwei nach vorn

Als sich Rice nach dem größten Erfolg seiner Karriere dazu entschied, Maccabi zu verlassen und bei Khimki Moskau anzuheuern, war das Unverständnis groß. Ein Team, das nicht einmal in der Turkish Airlines Euroleague, sondern lediglich im zweitklassigen Eurocup spielt!

Doch die finanziellen Verlockungen der russischen Klubs sind bekannt und sie bewogen Rice, zum ersten Mal in seiner Karriere einen Dreijahresvertrag zu unterschreiben. Zuvor waren seine Arbeitspapiere immer nur für eine Saison gültig.

Besser als Briefmarken

Aber Rice wäre nicht Rice, wenn er sich nicht auch in Russlands Hauptstadt durchgesetzt hätte. Mit Khimki marschierte er durch den Eurocup und war mit durchschnittlich 17,0 Punkten und 5,5 Assists einer der dominantesten Akteure des Wettbewerbs.

Schlussendlich stemmte Rice sowohl die Eurocup-Trophäe als auch die Auszeichnung zum MVP des gesamten Wettbewerbs in die Höhe und gewann als Sahnehäubchen die Wahl zum wertvollsten Spieler der Finalserie.

Der Wechsel nach Moskau hat sich mehr als gelohnt, denn mittlerweile spielt der erst 1997 gegründete Klub im Konzert der ganz Großen mit. In dieser Saison möchte Rice nun mit Khimki die Turkish Airlines Euroleague aufmischen und an die Erfolge mit Maccabi anknüpfen.

Unterwegs mit Sohnemann

Was neben dem ganzen sportlichen Ruhm oft zu kurz kommt, ist die familiäre Seite von Tyrese Rice. Seinen 9-jährigen Sohn Ashawn betreut Rice alleine. Die beiden sind ein Herz und eine Seele.

"Er ist mein ein und alles. Ashawn ist überall, wo ich auch bin", so der stolze Vater. Rice richtete seinen Tagesablauf so gut es geht nach dem Sohnemann aus: "Das Leben von Ashawn hat höchste Priorität".

Der Sportler und der Vater Tyrese Rice: Zwei Beispiele, was man mit Ehrgeiz und unbändigem Willen erreichen kann. Der NBA wird Rice aktuell wohl nicht mehr hinterhertrauen, denn er lebt seinen Traum. Den amerikanischen Traum in Europa.

Tyrese Rice im Steckbrief

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