Tor: Oh Deutschland, du Land der Torhüter. Ob Fußball, Handball oder eben Eishockey: Auf der Goalie-Position gab es noch nie ein Problem - und es wird wohl auch nie ein Problem geben. Der Sieg beim Deutschland Cup war nur möglich, weil die DEB-Auswahl in drei Spielen drei hervorragende Torhüter im Kasten hatte. Rob Zepp glänzte bei seinem Debüt mit einigen Big Saves gegen die USA, Dennis Endras ließ die slowakischen Schützen verzweifeln, und Dimitri Pätzold spielte gegen die Schweiz wie eine wahre Nummer eins. Der Ingolstädter ist Krupps Mann und wird auch bei den Olympischen Spielen im Tor stehen.
Als Nummer 1B wird Thomas Greiss in Vancouver dabei sein. Der 23-Jährige sitzt zwar in San Jose hinter Jewgeni Nabokow fest, hat aber in dieser Saison schon gezeigt, dass sein Durchbruch in der NHL nur eine Frage der Zeit ist. Spannend ist die Frage, wer als dritter Mann mitfährt.
Endras dürfte aufgrund seiner Jugend aber einen kleinen Vorteil gegenüber Zepp haben. Auch Dimitrij Kotschnew (HK Spartak Moskau) ist nicht völlig chancenlos. Bezeichnend für die deutsche Torhüter-Stärke: Der statistisch beste Goalie der bisherigen DEL-Saison heißt Jochen Reimer (Wolfsburg), spielt in den Planungen aber nur eine sehr untergeordnete Rolle.
Verteidigung: Deutsche Verteidiger bekommen normalerweise Rollen mit folgender Aufgabenbeschreibung: Zerstören, physisch sein, Scheibe raushauen. Das war einmal. Mit den eingebürgerten Jakub Ficenec und Jason Holland hat Krupp zwei Jungs zur Verfügung, die auch in ihren Klubs tragende Rollen im Powerplay spielen.
Kein Wunder also, dass das deutsche Überzahlspiel im Vergleich zu früheren Jahren nicht wiederzuerkennen war. Debütant Ficenec deutete einige Male mit seinem Hammer von der blauen Linie seine Gefährlichkeit an, kann aber sogar noch viel besser spielen. An der Seite von Ficenec spielte der junge Andre Reiß ein starkes Turnier, Michael Bakos bleibt die Zuverlässigkeit in Person - und Chris Schmidt bewies einmal mehr, dass er internationales Niveau verkörpert. Sein PP-Treffer gegen die Schweiz, als er die Scheibe ins Tor abfälschte, war erste Klasse.
Wenn die deutsche Defense für Olympia durch die NHL-Stars noch verstärkt wird, lässt sich das mehr als sehen. Christian Ehrhoff ist bei den Canucks auf dem Weg zum All Star, Dennis Seidenberg ist in Florida fast schon der No.1-Verteidiger und Christoph Schubert blüht in Atlanta auf, weil er endlich einen Stammplatz als Verteidiger hat.
Diese drei haben ihren Platz sicher. Vor allem Ehrhoff und Seidenberg, die das Spiel auch von hinten mit guten Breakout-Pässen aufbauen können, werden das Team auf ein anderes Niveau heben. Alexander Sulzer muss sich in Nashville durchsetzen, sonst wird er es schwer haben. Zumal Robert Dietrich, der in der AHL gute Leistungen zeigt, auch eine Option ist.
Sturm: Es lebe die GMW-Reihe. Thomas Greilinger, T.J. Mulock, Michael Wolf. In Anlehnung an Krutow, Larionow, Makarow ab sofort hier der deutsche Atomblock genannt. Im Ernst: Deutschland hatte selten eine Reihe, die bei jedem Wechsel Gefahr ausstrahlt. War die erste deutsche Reihe auf dem Eis, spielte sich das Geschehen praktisch nur im gegnerischen Drittel ab. Greilinger, Mulock und Wolf ergänzten sich perfekt, obwohl ein Trio voller Rechtsschützen durchaus ungewöhnlich ist.
Aber DEL-Topscorer Greilinger zeigte, dass er auch auf dem linken Flügel spielen kann. Angesichts der Überangebots an guten Rechtsaußen eine wichtige Erkenntnis für Krupp. Was das reine Talent angeht, ist Greilinger sowieso eine Klasse für sich. Der Junge hat "NHL-Hände". Wolf ackerte und rackerte, wie man es von ihm kennt - und gegen die Schweiz wurde er dafür mit einem Tor belohnt. Nach einer kleinen Durststrecke im DEB-Dress ein ganz wichtiger Treffer für den Sniper.
Der dritte Mann in der Reihe, T.J. Mulock, war schlicht der beste Spieler des gesamten Turniers. Als Krupp ihn in der letzten Saison in den Kader holte, wurde er dafür belächelt. Was soll ein Zweitliga-Spieler aus Bad Tölz schon bringen? Inzwischen ist Mulock Leistungsträger bei den Eisbären und aus dem DEB-Team nicht mehr wegzudenken. Es gibt nichts, was der 24-Jährige nicht gut macht. Mulock hat Übersicht, Mulock hat Scorer-Qualitäten, Mulock hat Spielintelligenz, Mulock hat internationalen Speed.
Marco Sturm und Jochen Hecht werden in Vancouver ohne Zweifel dabei sein. Marcel Goc kommt bei den Predators nicht über eine Mitläuferrolle hinaus und muss ein bisschen zittern. Krupp hat schließlich klar gesagt, dass die NHL-Spieler keinen Freifahrtsschein haben. Sollten die Verletzungsprobleme auf der Center-Position andauern, wäre Felix Schütz (AHL/Portland) eine Alternative. Auch dessen Teamkollege Philip Gogulla darf sich Hoffnungen machen. Krupp wird alle Nordamerika-Kandidaten in den nächsten Wochen genau beobachten.
Coach: Der Deutschland Cup hat gezeigt, dass das Verhältnis zwischen Trainer und Mannschaft mehr als nur intakt ist. Uwe Krupp hat es geschafft, die Spieler aus dem Berner Elend zu holen und ihnen neues Selbstvertrauen eingeimpft. Der Bundestrainer war an der Bande unglaublich engagiert, gab lautstark Anweisungen und zeigte bei den deutschen Toren große Emotionen. Ohne Frage: Nach der ganzen Kritik hat Krupp der Deutschland Cup sehr, sehr gut getan.
Uwe Krupp im SPOX-Interview: "Ich mache diesen Job mit viel Stolz"
Fazit: "Wir können uns mit der Schweiz nicht vergleichen. Sie sind uns haushoch überlegen. Punkt", hatte Uwe Krupp im Gespräch mit SPOX gesagt. Und er hat ja Recht. Die Schweiz ist auf allen Positionen individuell besser als Deutschland. Dennoch gewann die DEB-Auswahl nach sechs Jahren mal wieder gegen den Erzrivalen. Und sie brannte dabei ein für deutsche Verhältnisse lange nicht gesehenes Offensivfeuerwerk ab. Natürlich gibt es aber immer zwei Seiten der Medaille.
Variante 1: Die Schweizer befinden sich in einer Trainer-Krise (Ralph Krüger wird nach der Saison ersetzt) und lieferten gegen Deutschland ein erbärmliche Vorstellung ab. Die Slowaken sind seit Jahren nicht mehr so gut, wie sie einmal waren - und die US-Amerikaner... Ja, bei denen spielten Leute, die Kyle Klubertanz heißen. Oder sie heißen P.J. Fenton und spielen in der zweiten deutschen Liga in Heilbronn. Es gibt also keinen Grund, in Euphorie auszubrechen, nur weil man gegen solche Gegner den Deutschland Cup gewonnen hat.
Variante 2: 39 Schüsse gegen die USA, 46 Schüsse gegen die Slowakei, 31 Schüsse gegen die Schweiz. Deutschland dominierte drei Spiele auf internationalem Niveau und schoss dabei aus allen Rohren. Jeder einzelne Spieler war mit Energie, Willen und Leidenschaft dabei, das stark ersatzgeschwächte Team hat alles abgerufen, was es zu leisten imstande ist. Auch die Chancenverwertung stimmte. Diese wird gerne als großes Manko beschrieben, dabei war sie das eigentlich nur bei der letzten WM in Bern. Eine Ausnahme.
Stimmt nun Variante 1 oder Variante 2? Die Wahrheit liegt wie so oft irgendwo dazwischen. Fakt ist, dass die Auftritte Mut machen und dass es zwar unwahrscheinlich, aber nicht völlig abwegig ist, dass eine komplette deutsche Mannschaft in Bestform auch mal bei Olympia eine Sternstunde erleben kann. Deutschland ist auf jeden Fall wieder konkurrenzfähig, und das nicht, weil wie in Zach-Zeiten gemauert wird, sondern mit richtig attraktivem offensivem Eishockey.
Das Team für Vancouver: Bis zum 30. Dezember muss Uwe Krupp den 23-köpfigen Kader für die Olympischen Spiele benennen. Wie könnte die Line-Up aussehen, wenn es am 17. Februar gegen Olympiasieger Schweden geht und alle fit sind? Die SPOX-Prognose...
Tor | ||
Dimitri Pätzold | ||
Thomas Greiss | ||
Dennis Endras | ||
Härtefall: Zepp | ||
Verteidigung | ||
Christian Ehrhoff | Dennis Seidenberg | |
Chris Schmidt | Jason Holland | |
Christoph Schubert | Jakub Ficenec | |
Alexander Sulzer | Michael Bakos | |
Härtefälle: Mo. Müller, Reiß, Holzer, Osterloh | ||
Sturm | ||
Jochen Hecht | Michael Hackert | Marco Sturm |
Thomas Greilinger | T.J. Mulock | Michael Wolf |
Sven Felski | Alexander Barta | Manuel Klinge |
John Tripp | Christoph Ullmann | Yannic Seidenberg |
Härtefälle: Hager, Hospelt, Goc, Gogulla |