Ralph Krueger war 14 Jahre als Eishockey-Trainer aktiv, bevor er zum Fußball in den Vorstand des FC Southampton wechselte. Für den World Cup of Hockey kehrt er noch einmal in "seine" Sportart zurück. Im Interview spricht er über das Turnier, die vielschichtige Vorbereitung und ein vergleichbares Modell im Fußball.
SPOX: Herr Krüger, seit mittlerweile vier Jahren sind Sie beim FC Southampton, etwa zweieinhalb davon im Vorstand. Weshalb der Wechsel zurück zum Eishockey?
Ralph Krueger: Als vor einem Jahr der Anruf von Franz Reindl (Präsident des DEB und Mitglied im IHF Council, d. Red.) kam, konnte ich nicht "Nein" sagen. Ich liebe Eishockey noch immer, so einfach ist das manchmal. Außerdem ist der World Cup of Hockey ein extrem spannendes Projekt. Es ist eine riesige Ehre, die verschiedenen europäischen Nationen als Trainer repräsentieren zu dürfen.
So läuft der World Cup of Hockey
SPOX: Haben Sie quasi auf die Chance gewartet, in den Eishockey-Sport zurückzukehren oder waren Sie nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort?
Krueger: Ich habe das Engagement als Gelegenheit gesehen, mich als Führungsperson noch einmal weiterzuentwickeln. Dass ich das in "meiner" Eishockey-Welt tun darf, ist natürlich etwas ganz Besonderes. Durch meinen Sohn Justin, der selbst aktiv Eishockey spielt, und meine 25 Jahre als Spieler und Funktionär habe ich den Sport auch während meiner Zeit in Southampton weiter verfolgt. Aktiv nach einem Job im Eishockey habe ich aber nicht gesucht.
SPOX: Apropos Southampton. Gab es Probleme mit dem Klub, weil sich ihre beiden Aufgaben im Weg stehen könnten?
Krueger: Die ersten Worte, die ich Franz [Reindl] sagte, waren: "Franz, wenn Katharina (Liebherr, die Besitzerin des FC Southampton, d. Red.) 'ja' sagt, mache ich es sofort." Sie hat in unserem Gespräch nicht einen Augenblick gezögert. Sie findet das Projekt auch sehr spannend.
SPOX: Zudem war, als die Vorbereitung auf das Turnier am 4. September begann, das Transferfenster längst geschlossen.
Krueger: Ja, das war für mich als Vorstandsvorsitzender natürlich nicht schlecht. Im September muss ich mich nicht parallel auf dem Transfermarkt umschauen. Außerdem verpasse ich durch die Länderspielpause effektiv nur vier, vielleicht fünf Spiele.
SPOX: Nach zwölfjähriger Pause findet der World Cup of Hockey nun zum dritten Mal statt. Weshalb gab es diese lange Pause?
Krueger: Die Verzögerung resultiert daraus, dass der World Cup of Hockey zu 50 Prozent der NHL und zu 50 Prozent der NHLPA (der NHL-Spielervereinigung, d. Red.) gehört. Damit dieses Turnier stattfinden kann, müssen beide Parteien absolut davon überzeugt sein, dass eine Austragung den Eishockey-Sport nach vorne bringt. Man dachte wohl, dass es im Kalender keinen Platz gibt.
spoxSPOX: Wissen Sie, warum es gerade dieses Jahr das Comeback gibt?
Krueger: Ich denke, dass beide Parteien nach den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi gemerkt haben, dass eine Austragung im Vierjahres-Rhythmus wohl doch gut in den Kalender passen würde. Nun findet das Turnier zumindest in diesem Jahr wieder statt und ich hoffe, dass es ein regelmäßiges Format wird.
SPOX: Kalender ist ein gutes Stichwort. Die nominierten Spieler fehlen ihren Klubs einen Monat in der Vorbereitung und der World Cup of Hockey endet etwa zwei Wochen vor Saisonstart. Gab es deshalb Probleme?
Krueger: Nein, absolut nicht. Das Projekt geht von der NHL aus und da die Klubs sich für eine Austragung ausgesprochen haben, gab es in dieser Hinsicht keine Probleme. Bei den Spielern das Gleiche. Ich habe im vergangenen Oktober eine Reise durch die USA gemacht und unter anderem mit Dennis Seidenberg gesprochen. Alle die wir gefragt haben, wollen unbedingt dabei sein. Ohne Wenn und Aber. Sowas habe ich noch nie erlebt. Es ist, als ob die Spieler zu den Olympischen Spielen fahren würden.
Erlebe den World Cup of Hockey live auf DAZN! Sichere dir jetzt deinen Gratismonat
SPOX: Beim World Cup of Hockey treffen nur Spieler aus der NHL aufeinander. Wie ordnen Sie den Stellenwert des Wettbewerbs ein?
Krueger: Wie Sie schon sagen, sind nur NHL-Profis dabei. Da ist natürlich auch eine ganz andere Leistungsdichte als beispielsweise bei der WM. Jeder kann Erster oder Achter werden. Deshalb ist der World Cup of Hockey deutlich höher anzusiedeln als die Weltmeisterschaft. Olympia ist immer noch Olympia, deshalb würde ich den World Cup knapp darunter einordnen.
performSPOX: Sie sind Trainer einer europäischen Allstar-Auswahl. Wie genau muss man sich den Rekrutierungsprozess vorstellen?
Krueger: Die Vorbereitungen auf das Turnier laufen nun schon seit etwa einem Jahr. Der Prozess war sehr kompliziert. Wir hatten ein Team von sechs Scouts, die sich insgesamt um die 500 Spiele angeschaut und Videos analysiert haben. Ausschnitte davon habe ich dann erhalten. Im Prinzip ist es aber nichts anderes, als die Zusammenstellung einer Nationalmannschaft.
SPOX: Nach welchen Kriterien haben Sie den Kader zusammengestellt?
Krueger: Man arbeitet sich durch die einzelnen Positionen, Spieler für Unter- oder Überzahl und wählt dementsprechend aus. Bei den Torhütern ist das etwas einfacher, man nimmt einfach die drei Besten. (lacht) Mit Frederik Andersen, Jaroslav Halak und Thomas Greiss hatten wir drei absolute Top-Torhüter. Nach Andersens Verletzung wurde Philipp Grubauer nachnominiert..
SPOX: Haben Sie auf eine ausgewogene Nationen-Verteilung geachtet?
Krueger: Ich kenne die verschiedenen Nationen noch aus meiner Zeit als Schweizer Nationaltrainer. Aber auf eine Verteilung habe ich nicht geachtet. Ich habe erst am Ende des Auswahlprozesses gesehen, wie viele Spieler aus den jeweiligen Ländern dabei sind.
Erlebe den World Cup of Hockey live auf DAZN! Sichere dir jetzt deinen Gratismonat
SPOX: Wie gehen Sie die Vorbereitung auf das Turnier an?
Krueger: Zu Beginn habe ich im Spaß gesagt: "Jetzt muss ich erstmal Trainingspläne machen." Auf einmal war ich wieder in meiner Welt. (lacht) Es gilt, alle Spieler auf eine Linie zu bringen und ich denke für mich ist das vergleichsweise leicht. Ich war insgesamt 14 Jahre als Trainer bei Weltmeisterschaften und Olympia vertreten. Da wir nur absolute Top-Spieler in unseren Reihen haben, geben wir einen einfachen Rahmen vor, in dem Sie sich bewegen sollen. Die Spieler haben mit diesen Vorgaben genügend Freiheiten, um ihr Talent optimal zu nutzen.
spoxSPOX: Wie schätzen die Sie Chancen ihres Teams oder auch der nordamerikanischen U23-Auswahl ein? Im Vergleich mit den reinen Nationalmannschaften ist die Abstimmung vielleicht nicht ganz so gut.
Krueger: Man denkt, dass es recht kompliziert ist. Vergleicht man es beispielsweise mit der deutschen Nationalmannschaft, finden sich dort auch 25 Spieler aus verschiedenen Klubs und Ligen, die auch noch unterschiedliche Systeme spielen. Am Ende muss man alle auf eine Linie bringen. Man darf nicht vergessen, das sind alles NHL-Spieler, die meisten absolute Stars ihren Mannschaften. Deshalb, und weil die Klubs alle relativ ähnlich spielen, denke ich nicht, dass die Vorbereitung schwerer sein könnte, als für die USA oder Kanada.
SPOX: Aus deutscher Sicht sind mit Thomas Greiss, Tobias Rieder, Leon Draisaitl, Dennis Seidenberg und Christian Erhoff fünf Spieler vertreten. Sehen wir diese vielleicht auch einmal gesammelt auf dem Eis?
Krueger: Ich denke eher nicht. In meiner Aufstellung haben die Nationen keine Bedeutung. Es geht rein nach sportlicher Leistung und nach der aktuellen Spielsituation.
SPOX: Als aktueller Stanley Cup Champion steht Tom Kühnhackl nicht im Kader. Eine bewusste Entscheidung?
Krueger: Tom Kühnhackl wäre mittlerweile sicherlich auch ein Kandidat, sollte sich in der Vorbereitung noch jemand verletzen. Wir haben den endgültigen Kader etwa zwei Wochen vor seinem Sieg im Stanley Cup bekannt gegeben. Er kam für dieses Jahr einfach zu spät auf den Radar. Sollte seine Entwicklung weiter derart nach oben zeigen, wäre er in vier Jahren sicher ein Top-Kandidat.
SPOX: Wen sehen Sie als Favoriten im Turnier?
Krueger: Durch die Leistungsdichte kann man eigentlich nicht vorhersagen, wer das Turnier gewinnt. Für mich ist Kanada das einzige Team, das als favorisiert angesehen werden kann. Sie haben eine wirklich gute Mannschaft und zudem den Heimvorteil. Aber die anderen sieben Mannschaften sind auf einem Niveau. Sie können alle das Finale erreichen.
SPOX: Könnten Sie sich ein vergleichbares Turnier im Fußball vorstellen?
Krueger: Interessant wäre es sicherlich. Aber im aktuellen Kalender sehe ich dafür absolut keinen Platz. Man muss nur mal nach England schauen. Neben der Liga gibt es zwei Pokalwettbewerbe und zusätzlich noch Champions League oder Europa League. Hinzu kommen vier Länderspielpausen. Ich weiß nicht, wo wir ein solches Turnier noch unterbringen sollten.
SPOX: Spinnen wir einfach mal losgelöst vom Kalender. Hätte ein Turnier mit Kontinental-Auswahlen nicht seinen ganz eigenen Reiz?
Krueger: Das wäre ein sehr spannendes Projekt. Teams aus Südamerika, Europa, Asien, Afrika, Nordamerika und Ozeanien, gespickt mit den jeweiligen Superstars. Ein so attraktiv besetztes Turnier würde bei den Fans bestimmt gut ankommen. Man könnte auch für den guten Zweck spielen. Beispielsweise könnte die Hälfte der Einnahmen in die Verbesserung von Infrastruktur oder Sportanlagen verwendet werden.
SPOX: Was erwarten Sie in dieser Saison vom FC Southampton, welche Ziele hat sich der Verein gesteckt?
Krueger: Seit ich im Verein bin, haben wir uns vom achten auf den sechsten Platz in der Tabelle geschoben. Das ist auch unser Ziel für die kommende Saison. Wir wissen, dass der nächste Schritt deutlich größer ist, vor allem in dieser Saison. In England werden, wenn man nicht Manchester United, City oder FC Chelsea heißt, um nur drei Beispiele zu nennen, normalerweise die Top Sieben anvisiert und das ist auch unsere Zielsetzung. In der Europa League haben wir mit Inter Mailand, Sparta Prag und Hapoel Beer-Sheva eine interessante, aber auch nicht zu unterschätzende Gruppe erwischt. Nichtsdestotrotz wollen wir in die K.o.-Phase einziehen.
perform