So funktioniert die Aerodynamik

Von mySPOX-User Manül
Das ist der Heckflügel des neuen Red Bull von Sebastian Vettel
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Die Stärke des Drag ergibt sich aus dem Reibungswiderstand, den die festen Moleküle, also beispielsweise der Heckflügel, gegen die Luftmoleküle ausüben. Angegeben wird die Stärke des Luftwiderstandes üblicher Weise als Drag Koeffizient(0 = perfekt; 1 = Stop). Eine glatte Oberfläche bietet weniger Reibungsfläche als eine raue Oberfläche (vgl. Abbildung). Aber auch der Reibungswinkel oder ein gebogene Form einer glatten Oberfläche erzeugt Widerstand. An diesem NASA-Modell könnt ihr ein bisschen herumspielen und mit den verschiedenen Einflüssen herumexperimentieren.

Hier ein paar Zahlen um das Zusammenspiel zwischen Drag und Downforce in der Formel 1 einordnen zu können:

Laut simplen CFD-Simulationen  erreicht die Luft bei den 2011er Boliden den Heckflügel mit circa 31 - 34% weniger Geschwindigkeit als noch an der Front und fast ohne Geschwindigkeitsverlust unter dem Fahrzeug.

Eine Steigerung des Downforce (bei gleich bleibendem Drag) um 10% entspricht in etwa einer Verbesserung um eine Sekunde pro Runde (5 km).

Die Steigerung des Downforce kommt in etwa einer virtuellen Erhöhung des Fahrzeuggewichtes gleich. Weil das Fahrzeug aber tatsächlich nicht schwerer wird, nimmt auch bei Kurvenfahrten die Querbeschleunigung (durch Fliehkraft) nicht zu.

Die Abbildung zeigt zwei unterschiedliche Situationen. Betrachten wir zuerst Situation eins. Auf der oberen Seite des im Querschnitt dargestellten Flügels wird die Luft durch das Auftreffen verlangsamt. Der Flügel hindert die Strömung daran, direkt weiterzufließen, weswegen sie konvergierend nach oben abgelenkt wird. So erhöht sich der Luftdruck an der Flügeloberseite.

Die unter dem Flügel strömende Luft wird beschleunigt, was an der Flügelunterseite einen Druckabfall bewirkt. Dieser Unterdruck wirkt in Kombination mit dem Druck auf den Flügel oberhalb als abwärtsgerichtete Kraft, die über die Flügelbefestigung an das Fahrzeug weitergeleitet wird.

Es entsteht der sogenannte Anpressdruck. Je steiler der Flügel nun im Wind steht, desto höher der Widerstand, woraus sich der streckenabhängige Abstimmungs-Kompromiss ergibt. Die Verstellmöglichkeit des oberen Flügels ab dieser Saison ermöglicht eine flachere Flügelstellung auf der Geraden mit weniger Luftwiderstand, woraus eine höhere Endgeschwindigkeit resultiert (bei den Tests in Barcelona etwa 7 - 10 km/h mehr auf der Start-/Zielgeraden).

So funktioniert der verstellbare Heckflügel

Situation zwei zeigt den Abtriebsverlust zwischen einem zweiten Flügelelement und der Hauptplatte. In dieser Situation wird durch einen schnelleren direkten Luftstrom die oberhalb des Flügels strömende Luft umgelenkt und durch die beiden Flügelelemente hindurch gezwungen. Dadurch findet keine Separation des Luftflusses statt, wodurch am Flügel selbst keine Geschwindigkeitsunterschiede entstehen. Daraus wiederum resultieren Druckunterschiede und Downforce. Dies ist der Effekt, den der so viel diskutierte F-Duct in der vergangenen Saison bewirkte.

Die daraus resultierenden höheren Endgeschwindigkeiten wurden hier also durch eine Verringerung des Downforce bewirkt, während in dieser Saison eine Verringerung des Luftwiderstandes zu höherer Endgeschwindigkeit führen wird. Da der Heckflügel bis zu 25% des gesamten Downforce eines Autos ausmachen kann, erklärt sich dieses Geschwindigkeitsplus. Durch Eingriffe ins Reglement wurde seit 2001 immer wieder die Anzahl der Heckflügelelemente verringert, Haltungen definiert oder Luftschlitze verboten, um den Abtrieb und so vor allem Kurvengeschwindigkeiten zu verringern.

Unterhalb des Heckflügels befindet sich der Diffusor. Im Gegensatz zu Front- oder Heckflügel drückt der Diffusor die Luft nicht hoch, sondern saugt sie in gewisser Weise hoch. Das Volumen des Diffusors erhöht sich zum Ende hin, was einen divergierenden Luftstrom bewirkt.

Die gleichbleibende Anzahl Luftmoleküle verteilt sich auf ein größeres Volumen, was den Luftdruck senkt. Luft hat immer das Verlangen, gleichen Luftdruck herzustellen, weswegen eine Ausgleichsströmung hin zum tieferen Luftdruck entsteht, die kanalisiert unter dem Auto noch weiter beschleunigt. Je größer das Volumen des Diffusors, desto stärker dieser Effekt. Durch das Verbot des Doppeldiffusors hat der Diffusor anno 2011 jedoch circa 30% weniger Volumen als noch in der vergangenen Saison.

Auspuffvarianten sollen Diffusor effektiver nutzen

Dementsprechend ist es bei der Entwicklung der diesjährigen Boliden besonders interessant gewesen, welche Wege die Teams eingeschlagen haben. Da weniger Diffusorvolumen nicht automatisch bedeutet, dass der dadurch verlorene Abtrieb nicht wieder gewonnen werden kann. Denn je mehr Luft unter das Auto geleitet wird (zum Beispiel bei Renault durch die neue Auspuffvariante) und dort kanalisiert und beschleunigt werden kann, desto stärker der Saugeffekt.

Jedoch ist es dabei von Bedeutung, dass seitlich zugeführte oder wärmere Luft (was beides auf diese Variante von Renault zutrifft) den Luftstrom nicht stört. Denn Verwirbelungen oder höherer Luftdruck (je wärmer die Luft desto höher der Luftdruck) bergen die Gefahr eines Strömungsabrisses.

Frontflügel leiten die Luft

Dementsprechend ist das Design des Frontflügels und des Splitters (unter der Fahrzeugnase) ausgelegt. Der Frontflügel generiert natürlich auch Downforce, seine Hauptaufgabe ist aber die Luftführung um die Vorderräder herum und unter das Auto. Da die Front der 2011er Boliden ohnehin nicht so schwer ist (45,5% - 46,7% des Fahrzeuggewichtes von min. 640kg), wäre gleich großer Abtrieb wie im Heckbereich für die Fahrzeugbalance ohnehin eine Katastrophe.

Die Endplatten des Frontflügels leiten die Luft in kontrollierter Verwirbelung über die Reifen oder zu den Barge Boards beziehungsweise Seitenkästen, während der mittlere Teil um die Flügelaufhängung an der Fahrzeugnase den Luftstrom unter das Auto führt. Aus diesem Grund haben die Teams seit 2001 immer wieder mit geschwungenen Flügeln oder verschiedenen Nasenhöhen experimentiert.

Mercedes-Experimente mit drei Layouts

Der aktuelle Mercedes MGP W02 ist ein gutes Beispiel. Nach den umfassenden Modifikationen zum Barcelona-Test hin experimentierte man mit drei verschiedenen Layouts, bis man sich für eine Variante entschied. Die ab Tag zwei gefahrene Variante hat einen auffällig großen freien Bereich unter der hohen Fahrzeugnase (ein Erfolg versprechender Trend anno 2011) und einen Splitter mit zwei senkrechten Finnen, die die Luft fast wirbelfrei unter die Seitenkästen und unter das Auto führen.

Eine ähnliche Version hat Williams gewählt, während Ferrari zum finalen Test mit zwei merklich verlängerten Frontflügelhalterungen anrückte, die den gleichen Effekt bewirken. Dadurch wird eine präzisere und resistentere Luftströmung (gegen Strömungsabriss durch z.B. wechselnde Windrichtung, Kurvenfahrt, Kerbüberfahrt, etc.) auf/unter den Splitter geleitet, der von dieser Saison an nicht mehr flexibel sein darf.

Auch die Kühlung der KERS-Batterien bereitete Ferrari auffallend wenige Probleme, weswegen spekuliert werden darf, dass dieses Frontflügeldesign die Luftführung zu den sehr kleinen Seitenkästeneinlässen optimiert hat.

Die Abbildung zeigt das aerodynamische Gesamtkonzept der 2011er Boliden (hier der Force India VJM04). Auffällig ist die nicht vorhandene ab dieser Saison verbotene (mit dem Heckflügel verbundene) Haiflosse (vgl. FIA Technical Regulations 3.9.1.). Auch die Heckflügelaufhängung, Slots in der Heckflügelplatte und den Beam Wings, sowie eine klarere Definition der Crashzone (Verbot des Doppeldiffusors) sorgen für gravierende Einschnitte in das Heckleitwerk.

Nicht nur, dass daraus insgesamt weniger Ansaugkraft und Anpresskraft im Heckbereich resultieren, auch der Luftfluss unter dem Auto ist durch die geringere Saugkraft langsamer als noch 2011, was die Autos bei Kerbüberfahrten anfälliger für einen Strömungsabriss macht. Genau an diesem Problem hapert es massiv bei McLarens MP4-26, weswegen man schon fast panisch den Fokus in Barcelona auf neue seitliche Endplatten des Heckflügels setzte, die den Diffusor unterstützen.

Williams wirkte dieser Problematik mit einem extrem niedrigen Heck (neues Getriebe & Differential) und einem extremen Neigungswinkel (14°) der Antriebswelle entgegen, um den Schwerpunkt des Fahrzeugs zu senken. Denn ein Nachteil fällt neben weniger Grip auf der Hinterachse in dieser Saison noch stärker ins Gewicht: der Reifenabrieb.

Red Bull und Ferrari haben Reifen im Griff

Strömungsabriss oder generell wenig Grip an der Hinterachse führen zu einem leichten Yaw-Effekt in jeder Kurve, also einer seitlichen Rutschbewegung des Autos, was den Reifenabrieb gravierend erhöht. Da die neuen Pirelli-Reifen im Vergleich zu ihren Vorgängern von Bridgestone besonders anfällig (weil weichere Mischung) sind, liegt hier enormes Potential. Ein weiteres Plus für Ferrari und Red Bull, die mit ausdauernden Long Stints beeindruckten, was ein weiteres Indiz für deren exzellente Arbeit über den Winter ist.

Doch die Testeindrücke mit teils überraschenden Innovationen sind keine endgültige Rangordnung für das erste Saisonrennen, da es einige Teams - vor allem McLaren und Force India - gibt, die schon fast nichts mehr zu verlieren haben und dementsprechend risikoreich aus den Ergebnissen der letzten Testfahrt radikale Veränderungen nach Melbourne schleppen werden.

Und auch über die Saison hinweg ist das Rennen um Innovationen das Hauptaugenmerk der Teams und wird uns auch in diesem Jahr viel Spannung und Gesprächsstoff liefern. Nun denn: Gentlemen, start your Engines!

Alle Teams und Fahrer der Saison 2011 im Überblick