Mercedes deutlich unter Wert geschlagen

Von Alexander Mey
Michael Schumacher musste in Melbourne seinen Mercedes mit Getriebeschaden abstellen
© xpb

Vor dem Australien-GP gab es jede Menge Fragezeichen bezüglich des Kräfteverhältnisses. Der Saisonauftakt hat einige Antworten geliefert. Die Lehren aus dem ersten Rennen.

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McLaren und Red Bull spielen in der ersten Liga:

Was nach den Wintertests wahrscheinlich schien, nach dem Qualifying aber in Zweifel geriet, scheint sich nun doch zu bestätigen. Red Bull und McLaren kämpfen in ihrer eigenen Liga um Siege und womöglich auch um den WM-Titel. Beide Teams nehmen sich dabei nicht viel. McLaren war auf dem speziellen Kurs in Melbourne im Qualifying deutlich, im Rennen nur noch ganz leicht überlegen. Das kann sich kommende Woche in Malaysia schon umdrehen.

"Beide Teams scheinen ähnlich gut aufgestellt zu sein", sagte der Vierte in Melbourne, Mark Webber. "Schauen wir einmal, wie es in einer Woche läuft. Es ist noch sehr früh. Es sieht aber ganz danach aus, dass wir ein schönes Duell haben."

Für dieses Duell sieht sich McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh sehr gut gerüstet: "Das Interessante bei den Tests war die Erkenntnis, dass wir im vergangenen Jahr die Traktion hatten und Red Bull in den schnellen Kurven besser war - nun ist es genau umgekehrt. Wenn diese Tendenz bestätigt wird, dann haben wir auch in Malaysia gute Karten."

Sebastian Vettel baut dagegen eher auf die Erfahrungen aus der Vergangenheit: "Das ist eines der Wochenenden, an denen wir weniger gut zurechtkommen sollten. Darauf, trotzdem noch mit einem Podium davongekommen zu sein, bin ich sehr stolz."

Der Streit darüber, wer denn nun von beiden Top-Teams besser aufgestellt ist, mündete in Melbourne sogar schon in den ersten Trashtalk der Saison. Zum einen unter den Teamchefs.

McLaren-Boss Whitmarsh verkündete, mit beiden Autos fast das ganze Rennen über im Spritspar-Modus gefahren zu sein. "Wir haben mehr als knapp kalkuliert. Ab der achten Runde waren wir in einem extremen Spritspar-Modus. Sonst wären wir nicht ins Ziel gekommen", sagte Whitmarsh und fügte prompt hinzu: "Wir hätten zweifellos ein wenig schneller fahren können."

Angesichts dieses Muskelspiels ließ sich Red-Bull-Kollege Christian Horner nicht lange bitten: "Ich denke, wir sind eher unter unseren Möglichkeiten geblieben, als dass McLaren überragend stark gewesen wäre. Das ist die wahre Geschichte. Wir waren im Rennen genauso schnell und hätten sogar schneller sein können. Das können wir im nächsten Rennen beweisen."

Auch zwischen den Fahrern gab es erste verbale Scharmützel, allerdings - wie zwischen Vettel und Button üblich - auf humorvoller Ebene. So formte Button nach seinem Sieg mit den Händen noch etwas unbeholfen ein "W" für "Winner". Ein Seitenhieb auf den berühmten Vettel-Finger.

"Die Geste war noch nicht ideal, aber ich plane, mehr Übung darin zu bekommen. Den ausgestreckten Finger wollen wir in diesem Jahr jedenfalls nicht mehr sehen. Ich hoffe, das hat ein Ende", frotzelte Button in Richtung Vettel. Der entgegnete: "Ich will wieder gewinnen und denke, dass es nicht allzu lange dauern wird, bis ich das wieder tue."

Die Frage, wer von beiden Top-Teams wo die Nase vorn haben wird, verspricht Spannung für die kommenden Rennen. Klar scheint allerdings, dass hinter diesen beiden Teams eine Lücke klafft. Nach den Eindrücken von Melbourne gibt es kein drittes Team, das aus eigener Kraft gewinnen kann.

Rennanalyse: Button gewinnt vor Vettel - Schumi scheidet aus

Mercedes wurde deutlich unter Wert geschlagen:

Womit wir bei der vermeintlichen Nummer drei wären. Mercedes steht nach einem enttäuschenden Rennen mit null WM-Punkten da, genauso wie 2011. Doch trotzdem sind diesmal die Vorzeichen ganz anders.

Nico Rosberg sagte nach seinem zwölften Platz: "Heute hat man nicht viel von unserem Potenzial gesehen. Ich denke aber, das entspricht nicht der Wahrheit. Wir waren heute nicht ideal abgestimmt. Im Qualifying waren wir noch gut unterwegs. Nur im Rennen haben wir es nicht so gezeigt. Ich bin guter Dinge, dass wir in Malaysia den Aufwärtstrend fortsetzen."

In Melbourne trat das schon gelöst geglaubte Problem der starken Reifenabnutzung bei den Silbernen wieder auf. Keine sehr beruhigende Erkenntnis, wenngleich auffiel, dass Rosberg darunter deutlich mehr litt als Schumacher. Das spricht für ein Set-Up- und kein grundsätzliches Problem.

Entsprechend gelassen blieb Schumacher: "Wer hätte nach dem letzten Jahr gedacht, dass wir hier mit Red Bull kämpfen können? Ich bin eigentlich ein bequemes Tempo gefahren und habe auf die Reifen aufgepasst. Klar war Sebastian etwas schneller, aber es war jetzt nicht so, dass ich mich besonders anstrengen oder die Reifen stark strapazieren musste."

Schumachers Zuversicht in Ehren, aber auch ohne seinen Getriebeschaden hätte er Vettel sicher nicht halten können, Webber wahrscheinlich auch nicht. Aber Platz fünf und damit die Bestätigung des dritten Platzes unter den Teams wäre realistisch gewesen.

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Bei Ferrari lebt die Hoffnung:

Blickt man nur auf das Rennergebnis, war Ferrari statt Mercedes die Nummer drei. Aber das ernsthaft anzunehmen, wäre extreme Augenwischerei. Immerhin sorgte ein überragend fahrender Fernando Alonso dafür, dass es für die Scuderia nicht mehr ganz so finster aussieht wie nach den Plätzen zwölf und 16 im Qualifying.

Es ist aber bei weitem auch noch nicht alles in Ordnung. Klammert man mal Alonso aus, dann hat Felipe Massa gezeigt, wo das Auto eigentlich steht. Er fuhr im Rennen immer um Platz zehn herum und hatte große Probleme mit dem Reifenverschleiß. Es gibt also trotz Alonsos Schadensbegrenzung noch einen Haufen Arbeit.

"Nach diesem Qualifying auf Platz fünf zu fahren und damit hinter den Red Bull und den McLaren zu stehen, ist ein ziemlich gutes Ergebnis", sagte Alonso, wusste aber auch: "Offensichtlich ist: Wir müssen das Auto verbessern. Wir möchten nämlich ganz vorne mitmischen."

Der Weg bis ganz nach vorne ist aber noch sehr weit. Viel enger ist es in die andere Richtung, immerhin wurde Alonso bis zur letzten Runde von einem Williams gehetzt.

Das Mittelfeld hat deutlich aufgeholt:

Im Prinzip die überraschendste Erkenntnis des Wochenendes. Das Mittelfeld ist nicht nur in sich noch dichter zusammengerückt, es hat auch die Lücke zur Spitze merklich verkleinert. Lotus überzeugte im Qualifying durch den dritten Platz von Romain Grosjean und im Rennen nach dessen Aus durch eine tolle Aufholjagd von Kimi Räikkönen bis auf Platz sieben.

Sauber trumpfte mit beiden Autos im Rennen ganz groß auf. Dass Sergio Perez mit einem Reifenwechsel durch kam, spricht dafür, dass der Sauber seine große Stärke aus dem Vorjahr, die Schonung der Reifen, beibehalten hat.

Trotzdem wird auch Sauber bessere Qualifyings brauchen, um sich auf Dauer die ebenfalls gut aufgelegten Toro Rosso, Force India und Williams vom Leib zu halten. Besonders das Rennen von Pastor Maldonado im Williams war furios. Ein Jammer für ihn und das Team, dass er in der letzten Runde den sicheren sechsten Platz weggeworfen hat.

"Ein großes Dankeschön an das Team an der Strecke und alle Mitarbeiter in Hinwil, die ein sehr gutes Auto gebaut haben. Wir sind mit großen Erwartungen in diese Saison gegangen und waren heute in der Lage, diese zu erfüllen", sagte Sauber-Teamchef Peter Sauber.

Lotus-Rückkehrer Kimi Räikkönen meinte: "Die Fehler im Qualifying haben mich viel Boden gekostet. Anderenfalls hätte das Rennen viel besser laufen können. Es fühlt sich an, als wäre ich nie weg gewesen."

Williams-Unglücksrabe Maldonado sagte, nachdem er von Geschäftsführer Adam Parr getröstet worden war: "Ich glaube, unser Speed überrascht so einige Beobachter. Wir können aber noch weiter zulegen. Die Basis ist sehr gut. Ich habe den Zweikampf mit Fernando sehr genossen."

Zu seinem Unfall in der letzten Runde sagte er: "Es ging alles sehr schnell. Ich habe nur gespürt, dass ich das Heck verloren habe. Dann landete ich auch schon in der Mauer. Das war es dann. Schade."

Viel wichtiger als dieser eine Fehler ist für das Traditionsteam Williams ohnehin die Erkenntnis, nach dem Debakel von 2011 wieder da zu sein. Mittendrin im Kampf um WM-Punkte - allerdings gegen jede Menge Konkurrenz.

Bleibt zum Abschluss nur die Frage, welches der Teams das höchste Entwicklungstempo während der Saison anschlagen kann. Davon hängt ab, wer sich auch nach fünf, zehn oder 15 Rennen noch als Gewinner der Saison fühlen darf.

Das Rennergebnis des Australien-GP in Melbourne