"Brawn hat Ideen für seine Zukunft"

Mercedes Motorsportdirektor Toto Wolff (r.) bestreitet den Abschied von Ross Brawn (l.)
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SPOX: Wie das Team von Sebastian Vettel vor ein paar Jahren haben sie hinter den Kulissen ordentlich aufgerüstet. Ehemalige Technikdirektoren, Aerodynamikchefs und Chefdesigner anderer Rennställe tummeln sich in Brackley: Geoff Willis, Aldo Costa, Mike Elliot, Bob Bell,...

Wolff: ... Paddy Lowe. Die Bereiche sind sehr klar abgesteckt. Wir dürfen eins nicht vergessen: Wir haben in der nächsten Saison die wahrscheinlich größte technische Revolution der Formel-1-Geschichte. Wir haben ein völlig neues Antriebskonzept und aerodynamische Reglementänderungen. Da kommen so viele Themen auf uns zu, dass wir ein paar intelligente Menschen mehr brauchen.

SPOX: Was macht Paddy Lowe eigentlich aktuell genau - die Bezeichnung "Executive Director" sagt nicht viel aus.

Wolff: Er ist sechs Monate früher gekommen als gedacht. Deswegen ist er derzeit wie ein Libero. Er schaut in alle Bereiche hinein und guckt, wo es Optimierungsbedarf gibt. Gleichzeitig berichtet er an Ross Brawn.

SPOX: Den aktuellen Teamchef soll er nach dessen Aussage irgendwann ablösen. Am Montag gab es Gerüchte, dass ihr Brawn schon Aufsichtsratschef Niki Lauda informiert hat, Mercedes am Ende der Saison zu verlassen. Hat er Ihnen das auch mitgeteilt?

Wolff: Wir sind alle involviert. Ross Brawn hat gewisse Ideen für seine Zukunft. Wir als Team wollen uns gemeinsam mit Ross Brawn weiterentwickeln. Das diskutieren wir ständig. Und da gab es in den letzten Tagen keine Neuigkeiten - auch intern nicht. Deswegen ist es etwas verwunderlich, wo das jetzt herkam.

SPOX: Also würde sich Ross Brawn gerne verändern, Sie wollen aber, dass der Vertrag eingehalten wird?

Wolff: Nein, ganz und gar nicht. Es ist keine Rede davon, Verträge einzuhalten oder davon, dass Ross Brawn sich verändern will. Es ist ein gemeinsamer Diskurs, wie man miteinander weitermacht - alles in bestem Einvernehmen für das Team und zwischen den handelnden Personen.

SPOX: Kann ein gutes Ingenieurteam die Fahrer bei der Entwicklung des Wagens ersetzen?

Wolff: Nein, da braucht man den Racing Spirit. Man muss den Fahrer in wesentliche Konstruktions- und Setupentscheidungen involvieren. Ein guter Ingenieur ist in der Lage, einen Kompromiss zwischen Daten und dem, was ihm der Fahrer sagt, einzugehen.

SPOX: Worin unterscheiden sich ihre Piloten?

Wolff: Rosberg ist der akribischere Arbeiter und auf Daten orientiert, Hamilton fährt mehr aus dem Bauch heraus. Wenn man Verständnis füreinander hat, dann gibt es keine Probleme. Deshalb erzielen wir als Team jetzt bessere Ergebnisse, weil hier von beiden Fahrern und den Ingenieuren gemeinsam an einem Strang gezogen wird.

SPOX: Wäre das anders, wenn Mercedes mit Michael Schumacher weitergemacht und nicht Lewis Hamilton verpflichtet hätte?

Wolff: Ich habe den größten Respekt vor Michael Schumacher. Er ist mit sieben Weltmeistertiteln der Fahrer mit den größten Erfolgen, das kommt nicht von irgendwo. Die Situation, die ich vorgefunden habe, war Hamilton/Rosberg. Ob es mit Schumacher anders gewesen wäre, das weiß ich nicht. Das ist nur Theorie.

SPOX: In der DTM hat Mercedes vor dieser Saison einiges verändert. Statt mindestens einem Ex-F1-Fahrer wie Ralf Schumacher starteten neben Gary Paffett nur junge Piloten. Ist die DTM jetzt eine Nachwuchsakademie?

Wolff: Nein. Ganz und gar nicht. Die DTM ist die zweitprofessionellste Motorsportserie Europas. Da fahren Profis gegeneinander. Unsere Fahrer sind sehr jung, aber sie sind reif für die DTM. Dafür haben wir uns bewusst entschlossen, um einen Generationenschnitt zu machen. Uns war auch klar, dass wir Rückschläge haben werden. Da ist alles unter Kontrolle.

SPOX: Christian Vietoris und Robert Wickens sind gegenwärtig als beste Mercedes-Fahrer Dritter und Vierter der Gesamtwertung. Audi und BMW hatten in der Markenwertung die Nase vorn. Wer hat von den fünf Jungspunden die größten Chancen auf einen Aufstieg in die F1?

Wolff: Das ist sehr schwierig. Wenn jemand in einer Juniorkategorie oder in der DTM sehr erfolgreich ist, bedeutet das nicht viel für die Formel 1. Es ist sehr schwierig, da überhaupt hinzukommen. Es fehlen Tests und der ökonomische Faktor wird einigen Formel-1-Teams immer wichtiger.

SPOX: Sie sprechen die Pay-Driver an...

Wolff: Deswegen ist es nicht absehbar, ob da jemand Herausragendes heranwächst. Die Entwicklung ermöglicht einem nicht mehr, akkurate Einschätzungen zu machen. Unsere Junioren haben alle großes Talent. Pascal Wehrlein zum Beispiel ist sehr jung und hat großes Potenzial. Er hat uns schon in der Formel 3 sehr viel Freude bereitet und kann sicherlich eine sehr erfolgreiche Karriere machen.

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