Große Politik statt großer Sport

Maurizio Arrivabene, Toto Wolff und Christian Horner vereint - ein äußerst seltenes Bild
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Für die Krise in der Formel 1 tragen auch die Motorenhersteller die Verantwortung: Sie berieten die FIA bei der Ausarbeitung des seit der Saison 2014 gültigen Reglements. Dabei guckten sie allerdings ausschließlich auf ansprechende Hybridtechnik. Die für Entwicklung, Herstellung und Einsatz nötige Geldsumme blieb unbeachtet. Deshalb müssen die Kundenteams derzeit bis zu 30 Millionen Euro einplanen, um ihre Fahrer überhaupt aufs Gaspedal drücken zu lassen. Manors Jahresbudget ist lediglich doppelt so hoch.

"Wenn man es betrachtet, waren die Teams allesamt in spektakulärer Weise unfähig, Lösungen und sinnvolle Heilmittel für die Probleme zu finden", räumte Horner die Schuld aller Teams ein: "Ich denke, es gibt eine fundamentale Frage, die beantwortet werden muss. Sie ist: Was soll die Formel 1 sein?"

FIA geht Probleme an

Der Automobilweltverband hat das mittlerweile verstanden. Die Ausschreibung eines Alternativmotors ohne Energierückgewinnung zur Saison 2016 sollte das Problem beseitigen, Ferraris Vetomöglichkeit bei Regeländerungen umgehen. Doch die Teams stimmten dagegen.

Für die FIA ist das kein Problem. Das Ziel des Alternativmotors: Kostensenkung für die Kunden und garantierte Belieferung der Teams. Die Strategiekommission der Formel 1, bei der neben allen Teams, Automobilverband und F1-Rechteinhaber CVC auch acht Streckenbetreiber, zwei Sponsoren, ein Motorhersteller und der Reifenhersteller stimmberechtigt sind, beschloss vier Punkte bis zur Saison 2018 umzusetzen:

  • Belieferungsgarantie
  • Preisreduzierung für Kundenteams
  • Vereinfachung der Regularien bezüglich der Power Units
  • Verbesserter Lärm

Das politische Taktieren von Todt und Ecclestone hat also gewirkt. "Es ist eine gute Lösung für den Motorsport. Wir gehen jetzt in die richtige Richtung", sagte selbst Mercedes-F1-Aufsichtsratschef Niki Lauda: "Eine Meisterschaft mit zwei unterschiedlichen Motorenkonzepten wäre ein Wahnsinn gewesen und hätte die Formel 1 zerstört."

In Abu Dhabi setzten sich die Hersteller erstmals zusammen. Sollten sie bis Mitte Januar 2016 keine überzeugenden Lösungen präsentieren, wird der Alternativmotor wieder auf den Plan gerufen. Die Bewerber brauchen circa ein Dreivierteljahr, bis der Verbrenner ausgeliefert wird. Schon bei zwei Abnehmern wäre das Projekt refinanziert.

Haben die Teams endlich den Durchblick?

Es gibt eine Hoffnung, dass Horners Wunsch Realität wird. Die Teams scheinen endlich verstanden zu haben, dass sie in Strategiegruppe und Formel-1-Kommision den Sport verbessern sollen, statt sich eigensinnig Vorteile gegenüber der Konkurrenz zu erstreiten.

Die neue Aerodynamik-Formel, die in Artikel 3 des Technischen Reglements festgehalten ist, wurde bestätigt. Nachdem Red Bull das Grundgerüst geliefert hatte, die anderen Teams und die Experten der FIA ihren Input geliefert hatten, setzte Williams die Vorschläge in Papierform um.

"Am Ende kam ein größerer Diffuser, ein solider Frontflügel und ein für mich ziemlich attraktives Styling heraus", erklärte Williams' Technikchef Pat Symonds: "Es ist ein bisschen Retro, aber die Anweisung der Strategiegruppe war, die Autos schneller und das Aussehen besser zu machen. Ich denke, die beiden Sachen haben wir gemacht."

Neues Reglement birgt noch mehr Langeweile-Gefahr

Lediglich über die Konsequenzen streiten sich die Experten noch. Werden die Autos 2017 bei gleichbleibender Leistung der Hybridantriebe durch zusätzlichen aerodynamischen und durch breitere Reifen wesentlich erhöhten mechanischen Grip leichter zu fahren? Wird durch die Möglichkeit, später zu bremsen und durch stärkere Luftverwirbelung hinter den Autos das Überholen noch schwerer?

Beides ist wahrscheinlich. "Je mehr Downforce man beim Auto hat, desto schwerer ist es, einem anderen zu folgen. Und diese Autos haben mehr Downforce", sagt Simmonds: "Ich denke, das ist simpel aber nichtsdestotrotz ein zutreffender Ausblick."

Was soll die Formel 1 eigentlich sein?

Wo also geht die Reise der Formel 1 hin? Von der Optimallösung ist sie weit entfernt. "Basisdemokratie funktioniert in der Formel 1 nicht. Deswegen sind wir in der Situation, dass keine Entscheidungen getroffen werden", sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff schon in Spielberg.

"Ich glaube, die Formel 1 sollte Unterhaltung sein", sagte Horner: "Es sollte ein technologisches Interesse geben, aber die Promoter und Rechteinhaber des Sports müssen zusammen mit den Regelgebern entscheiden, was das Produkt ist. Sie müssen eine Reihe von Regeln entwickeln, nicht die Ingenieure diese schreiben lassen."

Auch wenn die Teams sich nun offenbar endlich einig sind, wie die Zukunft der Serie aus ihrer Sicht aussehen soll, unabhängige Personen fehlten beim Verfassen der Regeln.

Ross Brawn, Mike Gascoyne, Gary Anderson sind nur einige Namen von erfahrenen Formel-1-Ingenieuren, die aktuell für kein Team arbeiten. Hätten sie das neue Reglement entwickelt, würde nie der Verdacht aufkommen, die Interessen Einzelner hätten es geprägt.

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