Jack Brabham war der erste dreifache Formel-1-Weltmeister nach Juan Manuel Fangio. Mehr noch: Als einziger Fahrer in der Geschichte der Königsklasse des Motorsports gewann er die Fahrer-WM mit einem von ihm konstruierten Auto. Die Queen schlug "Black Jack" dafür zum Ritter, doch in seiner australischen Heimat bekam er nie die Aufmerksamkeit, die ihm gebührt hätte.
800 Meter musste er noch überwinden. 800 Meter und er würde Geschichte schreiben: erster australischer Formel-1-Weltmeister überhaupt. Doch Sein Cooper-Climax verweigerte ihm den Dienst. In der letzten Runde vor dem Ziel. Kein einziger Tropfen Benzin war am 12. Dezember 1959 in Sebring mehr im Tank.
Das Ende des Traums? Nicht für John Arthur Brabham. "Black Jack", wie er von Fahrerkollegen aufgrund seiner entschiedenen Fahrweise und seinem schwarzen Haar getauft wurde, sprang aus dem Wagen und machte sich an die Arbeit. 435 Kilogramm auf vier Rädern, über ihm die Sonne Kaliforniens, die 800 längsten Meter seines Lebens.
"Ich wollte das Rennen einfach beenden", sagte er anschließend. Brabham schob das stählerne Ungetüm eigenhändig an. Er schwitzte, er fluchte: "Es ging nur bergauf. Ich habe geschoben und gedacht, es würde mich treffen." Brabham erreichte die Ziellinie. Erst als er sein Rennen beendet hatte, verließen ihn seine Kräfte. Er brach zusammen, während die Zuschauer ihn feierten. Erstmals hatte ein Auto mit Mittelmotor die Weltmeisterschaft der Formel 1 gewonnen.
Mit einem Rad in die Wiese
"Er war ein wirklich tougher Fahrer. Ich würde nicht dreckig sagen, aber er konnte einen rumschubsen", charakterisierte Sir Stirling Moss den Mann, mit dem er jahrelang auf Augenhöhe kämpfte.
Brabham zögerte nicht, mit einem Rad neben den Asphalt zu fahren, um seinem direkten Verfolger ein paar Steine ins Gesicht zu wirbeln. "Ich bin bis heute verwundert, dass ich keine Narben an meinem Körper habe", sagte Jackie Stewart lächelnd.
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"Auf der Strecke war er der härteste der harten Gegner. Manchmal so hart, dass ich mir Gedanken machte, wie einem außerhalb des Autos so netter Kerl solche Hörner und ein Schwanz wachsen konnten, wenn er in einem saß", ergänzte Moss.
Doch Brabham war mehr als ein zu allem entschlossener Pilot. Er ist bis heute das Paradebeispiel für einen fahrenden Ingenieur. Ein Beispiel: Vor seinem Erfolg in Sebring hatte er einen Unfall im Training. Er arbeitete anschließend die gesamte Nacht über an Aufhängung und Getriebe seines Cooper-Climax.
Erste Fahrversuche mit 12 Jahren
Das dafür nötige Wissen hatte er sich schon früh angeeignet. Mit 12 Jahren lehrte ihn sein Vater im familieneigenen Lebensmittelgeschäft das Fahren, mit 15 Jahren verließ das Einzelkind die Schule. Während er tagsüber als Mechaniker in einer Werkstatt arbeitete, erweiterte Jack mit Abendkursen am Technical College seiner Geburtsstadt Hurstville vor den Toren von Sydney sein Maschinenbau-Wissen. Das war der Grund, warum die Royal Australian Air Force seinen Wunsch nach einer Pilotenkarriere ablehnte, als Brabham einen Monat nach seinem 18. Geburtstag zum Zweiten Weltkrieg eingezogen wurde. Zwei Jahre diente er in England als Flugzeugmechaniker.
Diese Erfahrung zahlte sich aus. Nach seiner Rückkehr im Jahr 1946 machte Brabham seine eigene Werkstatt auf. Er reparierte Motorräder und Autos der Nachbarschaft. Das große Geld war so nicht zu verdienen, doch es brachte ihm den einen lohnenswerten Kontakt: Johnny Schonberg.
Der US-Amerikaner hatte eine der Nachbarstöchter der Brabhams geheiratet und baute mit Brabham ein Midget-Auto für seine Rennen auf den örtlichen Dirt-Tracks. "Ich hatte den Job bekommen, mich um seinen Rennwagen zu kümmern. Nach ein paar Unfällen hat seine Frau dafür gesorgt, dass er mit den Rennen aufhört und ich dachte mir: 'Versuche ich es doch selbst mal'", so Brabham.
Schon im dritten Anlauf gewann der 20-Jährige erstmals, 1947 holte er die Meisterschaft von New South Wales, die nächsten vier Jahre beendete er das australische Championat siegreich. "Man musste schnelle Reflexe haben, weil man von ihnen lebte oder womöglich durch sie starb", erklärte er seinen Erfolg. Brabham besaß die Reaktionsschnelligkeit. Er nutzte sie, um sich ein Geschäftsmodell aufzubauen.
Geglückter Umstieg auf die Rundstrecke
Die australischen Regelhüter waren alles andere als begeistert, als der frisch verheiratete Mann aus Sydney nach seinem Umstieg auf die Rundstrecke 1952 anfing, Werbung auf seinen gekauften Cooper zu pinseln. Die Offiziellen wollten seinen Start verhindern, Brabham klebte die Buchstaben ab. Unerklärlicherweise flog das Tape in der allerersten Runde weg.
Brabham überzeugte Down Under. Doch der Rest der Welt bekam davon nichts mit, bis Dean Delamont als Vertreter des britischen Royal Automobile Club zum Grand Prix von Neuseeland 1955 anreiste und ihn zu einer Saison in Europa überredete.
Die Mittelmotor-Revolution bei Cooper
"Er fing nicht wirklich an für uns zu arbeiten, er fing an mit uns zu arbeiten. Er kam einfach immer öfter vorbei und wir gewöhnten uns daran", erzählte Firmengründer John Cooper einige Jahre später: Er war eine Art Mechaniker-Schweißer-Fahrer - und er war bei allem verdammt gut."
Cooper stellte ihm einen Arbeitsplatz in seiner Fabrik zur Verfügung. "Als ich ankam, sagte ich ihm, er solle einen Bristol-Motor hinten einbauen", erklärte Brabham die innovative Idee des Mittelmotors: "Er sagte: 'Okay, da ist die Werkstatt. Bau etwas.' Das habe ich gemacht." Nach ein paar Rennen in England überführte Brabham das Auto nach Australien, gewann den dortigen Grand Prix und verkaufte den Wagen, um sich die Rückkehr nach Europa zu finanzieren.
Beim Großbritannien-GP 1955 gab er schließlich sein Debüt in der Formel-1-WM. Als 25. und Letzter hatte er sich auf seinem privaten Cooper-Bristol in Aintree qualifiziert und schied mit Motorschaden aus. Ein Jahr später ereilte ihn in Silverstone mit einem Maserati dasselbe Schicksal.
Cooper war von den Fähigkeiten des Australiers trotzdem beeindruckt. Brabhams Anteil an der Entwicklung des T51 mit innovativem Heckmotor war immens. Außerdem integrierte er Citroen-Getriebe, die wesentlich robuster waren als die Colotti-Teile, mit denen Moss bei der Konkurrenz von Rob Walker fuhr.
Auf den Monaco-Sieg folgt die Weltmeisterschaft
Cooper gab Brabham schließlich ein Werksauto, mit dem er in der Saison 1958 seine ersten WM-Punkte holte. Mit dem aktuellsten Material gelang in Monaco 1959 schließlich der erste Sieg - mit neuem Streckenrekord. Ein zweiter Platz in Zandvoort, ein dritter Platz in Reims und der Sieg in Silverstone legten den Grundstein für den in Sebring erschobenen Titel.
Zwei Rennen zuvor hätte die Karriere allerdings in Portugal nach einer Kollision mit einem langsamen Auto beinahe ein jähes Ende gefunden. "Ich bin über die Strohballen, ich sah den großen Hang mit Bäumen am unteren Ende. Ich dachte, ich würde mitten in diese Bäume fahren", erinnerte sich Brabham. Stattdessen traf er einen Telegrafenmast, das Auto wurde zurückgeschleudert: "Ich fiel auf die Strecke, ich rollte den Kurs entlang. Ich konnte nicht glauben, wo ich war. Das Auto fuhr weiter und zerstörte sich selbst, als es sich überschlug. Glücklicherweise hatte ich keinen Sicherheitsgurt. Wenn ich einen gehabt hätte, könnte ich nicht mehr darüber reden."
Dass Brabham bei aller Entschlossenheit selbst im Cockpit ein umgänglicher Mensch sein konnte, zeigte das letzte Rennen der Saison, der US-GP. "Als er nicht länger Stirling abwehren musste und weit vorn lag, wartete er auf mich. Jedes Mal, wenn ich einen Fehler machte, hielt er sich zurück", berichtete Bruce McLaren, den Brabham selbst bei Cooper als seinen Teamkollegen installiert hatte, nach dem für ihn siegreichen Rennen.
Trotz seines vorbildlichen Charakters und trotz seines sportlichen Erfolgs zweifelte die Öffentlichkeit am neuen Weltmeister. In Australien nahm sowieso niemand Notiz von Brabhams Erfolg.
Der Australier pulverisierte die Zweifel, als er im folgenden Jahr fünf aufeinanderfolgende Rennen gewann er. Der Große Preis von Frankreich wäre fast nicht in die Wertung eingegangen, weil Brabham zu schnell war: Die 50 Runden à 8,302 Kilometer absolvierte er in 1:57:24,9 Stunden, laut Reglement musste ein Rennen aber mehr als zwei Stunden dauern.
"Man sagt Brabham nicht, welche Taktik er anwenden muss", erklärte Teambestizer Cooper das Ausnahmetalent: "Man hält ihn nur über das allgemeine Bild auf dem Laufenden und überlässt es ihm, das zu tun, was angebracht ist."
Brabham verteidigte seinen WM-Titel. Doch die Hochstimmung fand schnell ein Ende. Der Champion wurde zunehmend unzufriedener mit der Arbeit der Cooper-Ingenieure. Sie entwickelten das Auto nicht so, wie er es sich vorstellte. Zudem passte Brabhams aggressiver Fahrstil überhaupt nicht zu den neuen 1,5-Liter-Motoren.
Die Gründung des Brabham-Teams
Die Schwierigkeiten bei Cooper brachten einen alten Bekannten ins Spiel: Ron Tauranac. "Ich lernte ihn kennen, als er einen Motorradmotor von mir kaufte, um ihn in ein von ihm designtes Rennauto zu bauen", erzählte Black Jack über seinen Landsmann: "Als ich für Cooper fuhr, schickte ich ihm heimlich Konstruktions- und Entwicklungspläne von Dingen, die wir am Auto probieren wollten. Ron gab mir Beratung."
Brabham überredete ihn schließlich, nach England überzusiedeln. Tauranac sollte mit ihm ein neues Team aufbauen. "Er hatte wegen seiner hohen Ansprüche den Ruf eines Zuchtmeisters", so Brabham: "Ich fand es großartig mit ihm zu arbeiten. Ich verstand ihn, aber ich glaube, dass nicht viele andere das taten."
Gemeinsam gründeten sie Motor Racing Developments und traten unter dem Namen Brabham in der Formel 1 an. Die Abkürzung MRD ("merde") wäre in Frankreich schlecht angekommen. Beim Solitude-GP, der nicht zur Weltmeisterschaft zählte, gelang 1963 der erste Sieg. Dan Gurney gewann 1964 den WM-Lauf im französischen Rouen für das Team.
Der historische Titel als Fahrer-Konstrukteur
Der Erfolg des Doppelweltmeisters aber stellte sich erst ein, als die 1,5-Liter-Motoren zur Saison 1966 gegen 3,0-Liter-Aggregate getauscht wurden. Brabham hatte seinen eigenen Motor organisiert. Die Firma Repco aus Melbourne sollte einen haltbaren V8 bauen. Als Vorlage brachte Brabham selbst ein Oldsmobile-Aggregat aus der Nähe von Los Angeles mit, das nie in Serie gegangen war.
"Ich glaubte, dass die großen Teams bei den ersten Rennen der neuen Formel mit den komplexen Motoren in Probleme geraten würden", erklärte Brabham den Ansatz. Der Plan ging auf. Zwar fehlte etwas Leistung, doch der Block war leichter als die der Konkurrenz und zudem wesentlich zuverlässiger.
Abermals legte Brabham zur Saisonmitte eine Siegesserie hin. Wie zu Midget-Zeiten driftete er quer durch die Kurven, was mit den kleineren Motoren unmöglich war. In Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden und Deutschland kam er als Erster ins Ziel.
Am Ende gewann er seinen dritten WM-Titel. Dies war vor ihm nur Juan-Manuel Fangio gelungen. Bis heute unerreicht: Kein einziger Formel-1-Pilot schaffte es jemals, als Konstrukteur gleichzeitig den Fahrer-Titel einzufahren - weder davor noch danach.
Rücktritt nach dem Todesjahr
Obwohl seine Ehefrau mehr und mehr Druck auf ihn ausübte, hängte Black Jack seinen Helm drei weitere Jahre nicht an den Nagel. Er schloss die Saison 1967 nur fünf Punkte hinter seinem Teamkollegen Danny Hulme als Vizeweltmeister ab. Die Konstrukteurs-WM holte der Privatrennstall in beiden Jahren. Erst nach der Saison 1970 überredeten ihn Gattin und Vater doch noch, im Alter von 44 Jahren Schluss zu machen.
"Wir haben in dem Jahr drei Fahrer durch tödliche Unfälle verloren - Bruce McLaren, Piers Courage und Jochen Rindt. Piers starb in einem Kunden-Brabham, das war besonders hart", sagte Brabham kurz vor seinem Tod im Jahr 2014. Letztlich gab der Verlust seines engen Freunds McLaren den entscheidenden Impuls zum Abschied: "Während meiner Karriere habe ich fast 30 Männer durch Unfälle auf der Rennstrecke verloren, viele davon waren enge Freunde für mich. Ich wollte kein Teil dieser Ehrentafel werden."
Der Weltmeister verließ Europa nach 126 GP-Starts, 13 Pole Positions und 14 Siegen. Er verkaufte seine MRD-Anteile an Tauranac, der sie ein Jahr später an Bernie Ecclestone übertrug. Erst der spätere Formel-1-Promoter stellte die Produktion der Kundenautos ein, die Brabham zwischenzeitlich zur größten Rennwagenschmiede der Welt gemacht hatte. Zwei Fahrertitel fuhr Nelson Piquet in den 80er Jahren für den Rennstall ein. Da hatte die Queen den dreifachen Weltmeister für seine Verdienste um den Motorsport schon zum Ritter geschlagen.
Die verkannte Legende
"Das Wort Legende wird häufig benutzt, um erfolgreiche Sportler zu beschreiben, obwohl es deren Status oft überhöht - in Jacks Fall ist es aber zweifellos gerechtfertigt", sagte der heutige McLaren-Boss Ron Dennis, der bei Cooper und Brabham als Mechaniker seine ersten Sporen in der Formel 1 verdient hatte, nach dessen Tod.
Brabham repräsentierte sein Land stolz. Er legte die Grundlage für den Aufstieg von Mark Webber und Daniel Ricciardo. Er baute weltweite Kontakte auf und betätigte sich als Diplomat mit Fingerspitzengefühl. Als der Honda-Motor seines Formel-2-Autos sich in Frankreich in seine Einzelteile zerlegt, baute er ein Getriebeteil an der Strecke aus und steckte es in die Tasche. Er schützte so die Japaner und erklärte das Ausscheiden mit eigenem technischem Versagen.
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Trotz seiner herausragenden Verdienste als fairer Sportler wurde Brabham die ihm gebührende Wertschätzung bis zum Ende nie entgegengebracht. Jim Clark und Stirling Moss bekamen öffentlich die Aufmerksamkeit. 50 Prozent seiner Fanbriefe habe er von Deutschen bekommen, gestand Brabham in einer australischen TV-Dokumentation. Das 50-jährige Jubiläum seiner ersten Weltmeisterschaft vergaß sein Heimatland Australien.
Aus dem Plan seiner Frau, den drei gemeinsamen Söhnen in der australischen Einöde die Begeisterung für den Motorsport auszutreiben, wurde übrigens nichts. Geoff, Gary und David fanden unisono den Weg in den Motorsport. Auch die Enkel Sam und Matthew griffen später ins Lenkrad. Letzterer will beim 100. Indianapolis 500 im Jahr 2016 starten. An die Erfolge ihres Vorfahren werden sie nie herankommen. Eine Weltmeisterschaft als Fahrer-Konstrukteur wird es nie wieder geben.
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