Während Red Bull beim Großen Preis von Spanien mit der Teamorder nicht fair, aber absolut richtig handelt, meldet sich Mercedes langsam zurück im Rennen um Siege. Haas setzt bei Mick Schumacher derweil auf die falsche Strategie und kostet den Deutschen die ersten WM-Punkte. Die Erkenntnisse zum Spanien-GP.
1. Red Bull spielt unfair - aber nachvollziehbar
"Wir müssen nach dem Rennen noch einmal reden", meinte Sergio Perez bei der Zieleinfahrt via Funk zu seinem Renningenieur Hugh Bird und spielte dabei auf die vorangegangene Stallorder an, von der Red Bull während des GPs Gebrauch gemacht hatte, um Teamkollege Max Verstappen an ihm vorbeizuschleusen.
Trotz seines zweiten Platzes war der Mexikaner mit dem Ergebnis nämlich überhaupt nicht zufrieden. Seiner Meinung nach hätte er auf dem Circuit de Catalunya gegen Verstappen um den Sieg fighten können - hätte sich sein Rennstall an die getroffene Vereinbarung gehalten. Denn Perez hatte Verstappen zu Rennbeginn vorbeigelassen, als dieser nach seinem Dreher hinter ihn zurückgefallen war. "Mir wurde gesagt, dass ich den Platz zurückbekommen würde", richtete sich der Mexikaner vorwurfsvoll an sein Team.
Doch selbst wenn es für Perez tatsächlich eine realistische Chance auf den Sieg gegeben hätte, tat Red Bull letzten Endes gut daran, Verstappen am Mexikaner vorbeizuwinken. Denn unabhängig davon ob man das Vorgehen des österreichischen Teams als fair oder wertschätzend empfindet, ist es vor allem eines: absolut logisch und richtig.
Über die Dauer einer gesamten Saison mag es einige Wochenenden geben, an denen es Perez gelingt, mit seinem Teamkollegen auf Augenhöhe zu performen. Das gab es bereits im vergangenen Jahr und das wird es - speziell wegen der mittlerweile sehr guten Anpassung des Mexikaners an den RB 18 - auch in dieser Saison geben. Dennoch ist Verstappen ein absoluter Ausnahmefahrer. Auf ein komplettes Kalenderjahr gesehen zieht Perez in 99 von 100 Fällen den Kürzeren, wenn es um die WM-Punkte-Ausbeute geht. Warum also die Weltmeisterschaft gefährden, wenn Verstappen dort die offensichtlich besseren Karten hat?
Perez gibt den loyalen Teamplayer
Bei Red Bull war man sich nach dem Rennen ohnehin sicher, dass es für Perez in keinem Szenario gereicht hätte. "Es war kein fairer Kampf", analysierte Teamchef Christian Horner. "Max hatte einen großen Reifenvorteil, und natürlich hätten Checos Reifen auch nicht bis zum Ende durchgehalten." Beide Autos gegeneinander kämpfen zu lassen, hätte "keinen Sinn" ergeben. Zwar hätte man tendenziell beide Fahrer gegeneinander fahren lassen, "aber es ist unsere Verantwortung, beide Autos mit so vielen Punkten wie möglich nach Hause zu bringen."
Auf der abschließenden Pressekonferenz gab sich dann auch Perez wieder etwas handzahmer und unterstrich die Qualitäten, für die ihn Red Bull einst ins Team geholt hatte: unbedingte Loyalität und die Fähigkeit, in wichtigen Momenten auch zurückstecken zu können.
"Es ist ein sehr gutes Teamergebnis. Die Saison ist noch jung, und das Momentum im Team ist gut. Wir müssen ein paar Dinge intern klären, aber es gibt nichts, worüber ich besorgt bin. Ich kann nur sagen, dass die Atmosphäre und das Momentum beispiellos sind. Darüber freue ich mich", betonte Perez.
2. Mercedes ist plötzlich wieder da
Für Mercedes verlief das bisherige F1-Jahr alles andere als berauschend. Den Status als Branchenprimus ist man los, hinter Ferrari und Red Bull reichte es in den ersten fünf Saisonläufen nur noch mit Mühe zum Prädikat "dritte Kraft".
In Barcelona brachten die Silberpfeile nun aber erstmals in diesem Jahr ein umfangreicheres Update-Paket an den Start. So folgte man dem Beispiel von Aston Martin, Ferrari und Red Bull und baute an die Unterseite des Chassis einen sogenannten "Bib-Wing", der das große Problem des Porpoising (Hüpfen des Autos) beheben soll. Die Form des Unterbodens entlang des Flügels sowie das Design der Bodenkante wurden ebenfalls geändert und überarbeitet.
Und diese Änderungen scheinen Früchte zu tragen. Während George Russell über weite Teile des Rennens dem späteren Sieger Max Verstappen Kopfschmerzen bereitete und teilweise die Pace des Niederländers mitgehen konnte, gelang Lewis Hamilton nach einem frühen Zusammenstoß mit Haas-Pilot Kevin Magnussen noch der Sprung auf Platz vier, nachdem er zwischenzeitlich auf den 19. Rang zurückgefallen war.
"Das ist ein großartiges Zeichen, dass wir in die richtige Richtung gehen", freute sich Hamilton im Ziel, nachdem er zwischenzeitlich sogar mit dem Gedanken gespielt hatte, das Rennen vorzeitig aufzugeben. "Ich dachte, es wäre unmöglich, wieder in Punkte zu kommen", meinte der Rekordweltmeister. "Aber das Team sagte: 'Nein, du fährst um P8.' Ich konnte das am Anfang nicht verstehen und dachte, dass sie sicher super optimistisch sind. Das gibt mir die große Hoffnung, dass wir an einem gewissen Punkt um Siege kämpfen werden."
Hamilton zwischenzeitlich auf Augenhöhe mit Verstappen
Dass Mercedes tatsächlich nicht so weit von der Pace des Rennsiegers weg war, beweisen auch die Zahlen. Nach dem Reifenschaden in der ersten Runde und dem erzwungenen Boxenstopp lag Hamilton 54 Sekunden hinter Verstappen. In Runde 62, als Überhitzungsprobleme bei den Silberpfeilen einsetzten, betrug sein Rückstand auf den Red-Bull-Piloten dann nur noch 39 Sekunden. In dieser Zeit tilgte der Mercedes-Pilot dementsprechend 15 Sekunden.
Zwar hatte auch Verstappen während der angesprochenen Zeitspanne mit Problemen zu kämpfen (Ausritt ins Kiesbett und Festhängen hinter Russell), dennoch stimmt die Entwicklung die Silberpfeile vorsichtig optimistisch. "Ich bin eigentlich sehr zufrieden, aber natürlich nicht euphorisch, ekstatisch. Aber wir haben einen großen Schritt nach vorne gemacht. Wir haben uns vom Mittelfeld freigespielt", meinte Teamchef Toto Wolff zur Leistung seiner Truppe.
Die Performance von Barcelona gibt bei Mercedes zumindest die Zuversicht, dass man in dieser Saison noch Siege einfahren kann. Denn vor allem im Rennen zeigte die Kurve zuletzt stark nach oben.
3. Haas-Strategie kostet Schumacher Chance auf Punkte
Zunächst sah alles so gut aus. Von Position zehn kommend fand sich Mick Schumacher schon nach dem ersten Umlauf auf Platz sechs wieder. Daniel Ricciardo (McLaren) und Valtteri Bottas (Alfa Romeo) kassierte er im Startgetümmel, danach profitierte er von Crash zwischen Hamilton und Teamkollege Magnussen.
Doch anstatt endlich seine ersten WM-Punkte bejubeln zu dürfen, wurde der 23-Jährige kontinuierlich nach hinten durchgereicht. Dass es am Ende nur zu Platz 14 reichte, führt er vor allem auf schlechte strategische Entscheidungen seines Teams zurück. "Ich glaube, dass es daran gelegen hat, dass wir jetzt nicht in den Punkten sind. Die Strategie war dann doch etwas anders als vorhergesehen."
Neben Landsmann Sebastian Vettel, Bottas und Magnussen war Schumacher nur einer von vier Piloten, bei dem man sich für eine Zweistopp-Strategie entschied. Außer dem Alfa-Romeo-Pilot konnte keiner dieser Fahrer in die Top 10 fahren. Mit ganzen 35 Runden auf seinem letzten Stint mit dem Medium-Reifen fuhr Schumacher zudem den längsten Stint von allen Fahrern auf einem Reifensatz bei hohen Temperaturen in Barcelona.
"Die Reifen haben nicht so lange gehalten, wie wir erwartet hatten", bestätigte Schumacher die Probleme des Haas bei Hitze. "Und dann haben wir die falsche Entscheidung getroffen, Plan A beizubehalten und nicht auf eine Dreistopp-Strategie zu gehen."
Schumacher blickt optimistisch auf Monaco
Den Blick will der Deutsche dennoch nach vorne richten. Er selbst absolvierte ein fehlerfreies Rennen und hofft nun auf erste Zähler in Monaco am kommenden Wochenende. "Unser Auto ist selbst ohne Upgrades immer noch sehr stark, speziell in der Qualifying-Performance, was in Monaco letztendlich zählt."
Er selbst habe sich zumindest im vergangenen Jahr in der Hafenstadt sehr wohl gefühlt: "Hoffentlich ist es dieses Jahr besser und wir können unsere Performance dann auch zeigen."
- Fahrerwertung:
Platz | Fahrer | Team | Punkte |
1 | Max Verstappen | Red Bull | 110 |
2 | Charles Leclerc | Ferrari | 104 |
3 | Sergio Perez | Red Bull | 85 |
4 | George Russell | Mercedes | 74 |
5 | Carlos Sainz | Ferrari | 65 |
6 | Lewis Hamilton | Mercedes | 46 |
7 | Lando Norris | McLaren | 39 |
8 | Valtteri Bottas | Alfa Romeo | 38 |
9 | Esteban Ocon | Alpine | 30 |
10 | Kevin Magnussen | Alfa Romeo | 15 |
- Konstrukteurswertung:
Platz | Team | Punkte |
1 | Red Bull | 195 |
2 | Ferrari | 169 |
3 | Mercedes | 120 |
4 | McLaren | 50 |
5 | Alfa Romeo | 39 |
6 | Alpine | 34 |
7 | AlphaTauri | 17 |
8 | Haas | 15 |
9 | Aston Martin | 6 |
10 | Williams | 3 |
*Der Russland-GP wurde aufgrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ersatzlos gestrichen. Ursprünglich hatte die Formel 1 für die Saison 2022 23 Rennen eingeplant.
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