Großbritannien-GP: Sainz gewinnt Chaos-GP in Silverstone - Schumacher feiert erste WM-Punkte

Von Christian Guinin
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© getty

Carlos Sainz hat seinen ersten Karriere-Sieg eingefahren und den Großen Preis von Großbritannien gewonnen. In einem packenden Rennen setzte sich der Ferrari-Pilot vor Sergio Perez (Red Bull) und Lewis Hamilton (Mercedes) durch.

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Seine ersten WM-Punkte beim 31. Formel-1-Rennstart holte sich Haas-Pilot Mick Schumacher als Achter. Der viermalige Weltmeister Sebastian Vettel (Aston Martin) erreichte an seinem 35. Geburtstag den neunten Platz. "Es hat lang genug gedauert", scherzte Schumacher am Sky-Mikrofon: "Wir haben viel probiert beim Setup und dabei vielleicht im Saisonverlauf ein paar Fehler gemacht. Aber jetzt zahlt sich das aus. Wir sind ein Team. Wir gewinnen und verlieren als Team."

Auch Vettel war mit seiner Leistung zufrieden. "Das war so nicht zu erwarten. Dass wir heute Punkte mitgenommen haben, ist klasse", meinte der Heppenheimer. Später drückte Vettel im Doppel-Interview mit Schumacher auch seine Freude für die ersten WM-Punkte seines Landsmannes aus. "Ich freue mich auch für Mick. Ich habe gesehen was passiert ist und dass er die Lücke (zu Max Verstappen, Anm.d.Red.) schließen konnte. Tatsächlich bin ich in meinem Auto gesessen und habe 'Go Mick, Go Mick!' geschrien."

Weltmeister und WM-Spitzenreiter Max Verstappen, der fünf der vorherigen sechs Rennen gewonnen hatte, musste sich nach Problemen an seinem Red Bull mit Platz sieben begnügen. In der WM bleibt der 24-Jährige dennoch deutlich in Front. Verstappen hat nun 181 Punkte auf dem Konto, ihm folgen Perez (147) und Charles Leclerc im zweiten Ferrari (138), der am Sonntag Rang vier belegte.

"Ja, wir haben es geschafft. Vamos", funkte Sainz nach der Zieldurchfahrt. "Ich weiß nicht, was ich sagen soll", erklärte er später: "Das ist ein besonderer Tag, den ich niemals vergessen werde." Hamilton, der in Silverstone zum 13. Mal auf das Podium stürmte, sagte: "Das war die größte Show. Ich habe alles gegeben. Die Jungs waren einfach zu schnell auf den Geraden für mich."

Überschattet wurde das zehnte Saisonrennen von einer Massenkollision in der ersten Runde. Der Chinese Zhou Guanyu im Alfa Romeo landete mit seinem Boliden im Fangzaun, er musste ebenso wie Williams-Pilot Alexander Albon zu Untersuchungen ins Medical Center gebracht werden. Noch während des Rennens wurde Zhou für fit erklärt, Albon als "Vorsichtsmaßnahme" in ein Krankenhaus gebracht. Das Rennen war für eine knappe Stunde unterbrochen.

Großbritannien-GP: Die Analyse

Aus der Spitzengruppe kam Verstappen am Besten vom Fleck und kassierte Sainz noch vor dem Anbremsen auf Kurve eins. Dahinter nutzte Hamilton den kollektiven Tiefschlaf von Charles Leclerc (Ferrari) und Perez und schlüpfte bis auf Position drei durch.

Überschattet wurde das Startgetümmel jedoch vom heftigen Abflug von Zhou. Der Chinese war unter hoher Geschwindigkeit von George Russell (Mercedes) gedreht worden und kopfüber über die Streckenbegrenzung hinaus in den Fangzaun gekracht. Die Regie zeigte zunächst keine TV-Wiederholung der Szene, ein Alfa-Romeo-Sprecher und die FIA gab später aber Entwarnung.

Neben Zhou und Russell waren auch Albon, Esteban Ocon (Alpine) und Yuki Tsunoda (AlphaTauri) in den Crash involviert. Die Rennleitung unterbrach das Rennen daraufhin umgehend und ließ das Feld an die Boxengasse zurückkehren, die fünf am Crash beteiligten Fahrer konnten den GP jedoch nicht mehr fortsetzen.

Erst mit mehr als einer dreiviertel Stunde Verspätung gab die Rennleitung das Rennen wieder drei. Gestartet wurde jedoch, da das Feld beim ursprünglichen Start den ersten Sektor noch nicht passiert hatte, in der Reihenfolge der Qualifying-Startaufstellung. Verstappen musste somit Sainz wieder vorbei lassen, Hamilton wurde auf P5 zurückgestuft.

Im zweiten Versuch machte es Sainz besser. Hart aber fair schmiss der Spanier beim Restart die Tür innen zu und behielt die Führung. Hinter dem Spitzenduo startete Perez eine Attacke auf Leclerc, verlor dabei aber einen Teil seines Frontflügel und verabschiedete sich mit einem frühen Boxenstropp zunächst aus dem Rennen um den Sieg.

Teamkollege Verstappen erging es nur wenig besser. Mit einem vermeintlichen Reifenproblem musste er zunächst seinen zwischenzeitlich eroberten ersten Platz wieder an Sainz abdrücken, wenig später bog er ebenfalls zur Abfertigung in die Box ab. Später stellte sich ein Problem an der Hinterachse heraus, wodurch der Niederländer pro Runde rund eine Sekunde verlor. Mit dem Kampf um den Sieg sollte er nichts mehr zu tun haben.

Großbritannien-GP: Chaotischen Schlussphase

So drehten an der Spitze zunächst die Ferraris und Hamilton die schnellsten Zeiten. Mit beeindruckender Lonrun-Pace und einem - im Gegensatz zu den beiden Scuderia-Piloten - sehr geringen Reifenverschleiß zog der Ex-Weltmeister seinen Stint weit nach hinten, um den Vorteil zu haben, im späteren Verlauf mit deutlich frischeren Reifen zu attackieren.

Doch daraus wurde nichts. Ein technisches Problem bei Esteban Ocon (Alpine) sorgte 15 Runden vor dem Ende für eine Safety-Car-Phase, die auch Perez noch einmal in die Verlosung um den Sieg werfen sollte. Alle bis auf Leclerc nutzen die günstige Gelegenheit für einen erneuten Reifenwechsel.

Die packende und enge Schlussphase sollte letztlich Sainz für sich entscheiden. Bereits kurz nach dem Restart kassierte er Teamkollege Leclerc und hatte dann Glück, dass dieser Perez und Hamilton noch einige Runden hinter sich halten konnte.

Während der Spanier vorne in Richtung Sieg fuhr, lieferten sich Leclerc, Perez und Hamilton einen packenden Kampf um die verbleibenden Podestplätze. Den frischen Reifen der beiden Konkurrenten hatte der Monegasse aber nichts entgegen zu setzten und musste sich mit dem vierten Platz zufriedengeben.

Die Top Ten komplettierten Fernando Alonso (5./Alpine), Lando Norris (6./McLaren), Verstappen (7./Red Bull)), Schumacher (8./Haas), Vettel (9./Aston Martin) und Kevin Magnussen (10./Haas).

Großbritannien-GP: Die Reifenstrategie

Durch die frühe Rennunterbrechung hatten die Fahrer die Möglichkeit, ihren Startreifen bereits nach einer Runde zu tauschen. Gebrauch machte davon unter anderem Verstappen, welcher anstatt seiner weichen Reifen beim Restart auf den Medium zurückgriff.

Taktisch interessant war dann vor allem der Kampf an der Spitze. Mit guter Lonrun-Pace und starkem Reifenmanagement schaffte es Hamilton, mit seinem Medium gegen Ende des ersten Stints die Ferraris zu attackieren.

Die Scuderia splittete deshalb die Strategie und holte zunächst Sainz zum Reifenwechsel an die Box, um Hamilton unter Druck zu setzen. Mercedes jedoch coverte den Stopp des Spaniers nicht und zog Hamiltons Stint stattdessen - da dieser äußerst geringen Reifenverschleiß vermeldete - noch weiter in die Länge. Denn selbst mit den frischeren Reifen hatten die Roten Probleme, wirklich bessere Rundenzeiten zu fahren.

Die späte Safety-Car-Phase warf dann alles noch einmal durcheinander. Mit Ausnahme von Leclerc, welcher als Führender seine Track-Position nicht verlieren wollte, holten sich beinahe alle Fahrer frische Reifen ab, mit denen sie das Rennen beendeten.

Highlight des Rennens: Dreikampf Hamilton-Perez-Leclerc

In spektakulärer Manier lieferten sich die drei Streithähne in der Schlussphase einen Dreikampf, der mit Sicherheit einen Platz in den Saisonhighlights finden wird. Quasi im Kurventakt wechselten Perez, Hamilton und Leclerc ihre Positionen, wobei sie sich dabei immer genügend Platz zum kontern ließen.

Top des Rennens: Mick Schumacher

Ist es der erhoffte Dosenöffner? Mit einem unscheinbaren aber sehr sicheren und fehlerfreien Auftritt fuhr der Deutsche seine ersten WM-Zähler ein. Ebenfalls stark: Perez, der sich von seinem frühen Flügelschaden nicht unterkriegen ließ und am Ende noch Zweiter wurde.

Flop des Rennens: AlphaTauri

In der Start-Karambolage waren Gasly und Tsunoda fairerweise nur schuldlose Beifahrer, später aber versaute man sich mit dem Verweigern einer Teamorder ein besseres Ergebnis. Es kam wie es kommen musste: Beide Piloten berührten sich im Fight und verloren wichtige Plätze. Gasly musste anschließend ganz aufgeben, Tsunoda wurde 14. und Letzter.

Formel 1: Der WM-Stand (nach 10 von 22* Rennen)

  • Fahrerwertung:
PlatzFahrerTeamPunkte
1Max VerstappenRed Bull181
2Sergio PerezRed Bull147
3Charles LeclercFerrari138
4Carlos SainzFerrari127
5George RussellMercedes111
6Lewis HamiltonMercedes93
7Lando NorrisMcLaren58
8Valtteri BottasAlfa Romeo46
9Esteban OconAlpine39
10Fernando AlonsoAlpine28
  • Konstrukteurswertung:
PlatzTeamPunkte
1Red Bull328
2Ferrari265
3Mercedes204
4McLaren73
5Alpine67
6Alfa Romeo51
7AlphaTauri27
8Haas20
9Aston Martin18
10Williams3

*Der Russland-GP wurde aufgrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ersatzlos gestrichen. Ursprünglich hatte die Formel 1 für die Saison 2022 23 Rennen eingeplant.

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