Mick Schumacher steht bei seinem Rennstall Haas vor dem endgültigen Aus. Noch in dieser Woche soll die Ablösung des 23-Jährigen verkündet werden, Schumacher würde dann ohne Cockpit für die Formel-1-Saison 2023 da stehen. Doch wie kam es überhaupt dazu? Was bedeutet es für Schumacher konkret? Und welche Zukunftsoptionen hat er überhaupt noch? SPOX beantwortet die wichtigsten Fragen.
1. Wie ist der aktuelle Stand?
Mehreren übereinstimmenden Medienberichten zufolge wird Mick Schumacher in der kommenden Saison nicht mehr für Haas in der Formel 1 fahren. Der US-amerikanische Rennstall lässt den Vertrag mit dem Deutschen auslaufen.
Anstatt Schumacher soll Nico Hülkenberg künftig neben Kevin Magnussen im Haas-Cockpit sitzen. Der 35-Jährige war zwischen 2010 und 2019 schon einmal Teil der Königsklasse des Motorsports, kam in den vergangenen drei Saisons aber nirgends als Stammfahrer unter.
Noch am heutigen Dienstag könnte Hülkenberg seinen Vertrag bei Haas unterschreiben, mit einer Bestätigung des Teams wird dann am Mittwoch gerechnet. Dass es eine Verkündung noch vor dem Saisonfinale in Abu Dhabi geben soll, bestätigte Teamchef Günther Steiner bereits am Rande des Brasilien-GPs am vergangenen Wochenende.
Das Ziel ist, dass der künftige Haas-Fahrer in der kommenden Woche an den Pirelli-Tests im Golfstaat teilnehmen kann, die unmittelbar nach dem letzten Rennen stattfinden. "Wir müssen nur noch Details klären, wie wir das tun, was wir tun werden. Ich sage aber nicht den Tag, sonst warten alle auf den Tag. Aber es wird nächste Woche passieren", sagte Steiner in Sao Paulo.
Die Entscheidung soll jedoch bereits feststehen. Vor dem Rennen in Brasilien fiel die Wahl demnach pro Hülkenberg - Schumacher soll von seinem Aus bei Haas auch erst im Anschluss erfahren haben.
imago images2. Warum möchte Haas mit Mick Schumacher nicht verlängern?
Steiner machte im Verlauf der Saison mehrmals unmissverständlich klar, was er von seinen Fahrern fordert: Nämlich WM-Punkte. Schumacher sammelte derer zwölf - lediglich in England und Österreich schaffte er den Sprung unter die besten zehn Piloten im Rennen. Teamkollege Magnussen sammelte im Vergleich mehr als das Doppelte an Punkten (25 WM-Zähler, sieben Rennen in den Top Ten), geht aus dem direkten Vergleich also deutlich als Sieger hervor.
In vielen Fällen trug Schumacher dafür nicht die Hauptschuld. Schließlich gehörte der VF-22 nicht zu den schnellsten Boliden im Feld und auch der Haas-Kommandostand hatte mit teils schlampigen und falschen Strategien seinen Anteil daran, dass dem 23-Jährigen ein ums andere Mal die Chance auf Zähler verbaut wurde. Tatsache ist jedoch auch, dass Schumacher aus den wenigen Möglichkeiten, die sich ihm boten, insgesamt zu wenig machte.
Auch Schumachers Anfälligkeit für Crashes stieß der Führungsriege, vor allem Teambesitzer Gene Haas, bitter auf. Zu viel Geld kosteten die Abflüge den finanziell nicht unbedingt auf Rosen gebetteten Rennstall über das Jahr gesehen. "Mick kostet ein Vermögen und hat viele Autos zerstört, die uns viel Geld gekostet haben; Geld, das wir nicht haben. Wenn du Verstappen bist und regelmäßig Punkte einfährst, können wir damit umgehen. Aber wenn du hinten bist und Autos kaputt machst, ist das sehr schwierig", übte Haas bereits vor einigen Wochen öffentliche Kritik an Schumacher.
Und dann wäre da noch der Schumacher-Clan. Speziell Teamchef Steiner soll zu diesem, darunter gehören neben Micks enger Familie um Mutter Corinna und Schwerster Gina auch Managerin Sabine Kehm und Onkel Ralf, nicht das allerbeste Verhältnis haben. Vor allem die oftmals kritischen Vorwürfe von Ralf in seiner Position als TV-Experte bei Sky sollen Steiner überhaupt nicht gefallen haben. Das ging so weit, dass der Südtiroler ab Mitte der Saison jegliche Interviews und Gespräche mit Sky boykottierte und sich zum Sachverhalt um Mick nicht mehr äußerte.
Wie sehr das Verhältnis belastet ist, sieht man auch an den jüngsten Aussagen Ralfs, in denen er Steiner scharf attackiert. "Mit normalen Maßstäben ist das ganze Verhalten nicht zu erklären, das muss schon fast etwas Persönliches sein. Ich glaube, dass Günther Steiner nicht damit klarkommt, dass jemand anderes aus dem Team den Fokus auf sich hat. Er ist sehr gern derjenige, der im Vordergrund steht", schrieb Schumacher in seiner Sky-Kolumne.
getty3. Was bedeutet die Situation für Mick Schumacher?
Sollte Schumacher nicht doch noch bei Williams unterkommen, wovon aufgrund der bevorstehenden Superlizenz des designierten Cockpit-Aspiranten Logan Sargeant niemand mehr ausgeht, wird er für das Jahr 2023 definitiv keinen Stammplatz in der Formel 1 bekommen. Alle 20 Cockpits sind bereits vergeben.
Für den 23-Jährigen bleibt somit nur der Gang in die zweite Reihe. Mercedes-Teamchef Toto Wolff äußerte sich bereits und erklärte, dass man jemanden aus der Schumacher-Familie stets mit offenen Armen willkommen heiße. "Ich weiß nicht, was der Stand mit Mick und Haas ist. Ich mache aber kein Geheimnis daraus, dass die Familie Schumacher zu Mercedes gehört und dass wir Mick sehr schätzen", sagte Wolff in Brasilien.
Bei Mercedes könnte Schumacher dann den Posten des Ersatz- und Entwicklungsfahrers einnehmen, womit er nicht gänzlich von der Bildfläche verschwinden würde. Zwar bekommen Ersatzfahrer in der Regel keine Chance auf Einsätze bei Rennen, er könnte aber an diversen Testfahrten teilnehmen und Zeit im Simulator verbringen, um auf ein mögliches Comeback hinzuarbeiten.
4. Hat Mick Schumacher in der Formel 1 noch eine Zukunft?
Auch wenn das Aus bei Haas sicherlich ein großer Rückschlag in der Karriere Schumachers ist, so ist es keineswegs das endgültige Ende seines Engagements in der Formel 1. Dass eine Rückkehr nach einer Auszeit möglich ist, zeigen unzählige Beispiele aus der Vergangenheit.
Unter anderem die beiden Ex-Weltmeister Fernando Alonso und Kimi Räikkönen. Während der eine auch mit über 40 Jahren in der Formel 1 noch aktiv ist und seit seinem Comeback von seiner Klasse nichts verlernt zu haben scheint (Alonso), erlebte der andere 2012 einen zweiten Karriere-Frühling in der Königsklasse, nachdem er zwei Jahre in der Rallye unterwegs gewesen war (Räikkönen). Sogar Schumachers eigener Vater Michael verschwand zwischenzeitlich von der Bildfläche, ehe er 2010, nach drei Jahren Pause, ein sensationelles Comeback verkündete.
Und nicht ausschließlich Ausnahmefahrer schaffen diesen Sprung. Auch Esteban Ocon (Alpine), Alexander Albon (Williams) und Schumachers Teamkollege Magnussen sind aktuelle Beispiele, denen nach einem Jahr Abwesenheit der Weg zurück in die Formel 1 gelang.
Langfristig stehen die Chancen ohnehin nicht schlecht, dass wir Schumacher noch einmal in einem Formel-1-Auto sitzen werden. Nach der Bekanntgabe Audis, ab 2026 als Motorenlieferant für Sauber (Alfa Romeo) in die Königsklasse einzusteigen, wird der Name des Deutschen dort heiß gehandelt.
Audis Plan ist es, so berichten mehrere Medien, Schumacher als Zugpferd für das eigene F1-Projekt zu engagieren. Offiziell steigt der Automobilhersteller zwar erst in drei Jahren bei Sauber ein, schon ab 2024 will Audi aber demnach wichtige Posten beim derzeitigen Alfa-Romeo-Rennstall besetzen. Unter anderem will man sich das Recht einräumen, über ein Cockpit frei verfügen zu können. Das könnte dann Schumacher auf den Plan rufen, der dann nicht nur im besten Rennalter wäre, sondern für Audi auch auf dem deutschen Markt viele interessante Optionen bietet.
5. Ist Nico Hülkenberg für Haas die bessere Wahl als Mick Schumacher?
Auch wenn Hülkenberg seit nunmehr drei Jahren keinen F1-Stammplatz mehr bekleidet hat, ist die fahrerische Klasse, die der 35-Jährige mitbringt, unumstritten. An der Seite von Teamkollegen eines Kalibers wie Carlos Sainz und Daniel Ricciardo präsentierte sich Hülkenberg über Jahre auf Augenhöhe. Auch als er hier und da als Ersatzpilot für Sergio Pérez, Lance Stroll und Sebastian Vettel bei Racing Point bzw. später dann Aston Martin einsprang, zeigte er durchweg ansprechende Leistungen.
Darüber hinaus bringt Hülkenberg mit 181 Rennstarts eine ordentliche Portion Erfahrung mit, was bei der Vergabe des Cockpits durchaus eine Rolle gespielt haben soll. "Es gibt nicht viele Leute mit meiner Erfahrung, die noch hier dabei sind oder woanders fahren. Es gibt nicht so viele Alternativen. Es gibt zwar viele junge und talentierte Fahrer in der Formel 2, aber sie haben halt alle keine Formel-1-Erfahrung", sagte er erst kürzlich in einem Interview. Selbstredend, dass sich die Haas-Bosse von ihm deutlich weniger Fehleranfälligkeit und mehr Konstanz erhoffen als von Schumacher.
Doch es gibt auch Zweifel. Mit 35 Jahren ist Hülkenberg nicht mehr der Jüngste. Wie lange er noch auf hohem Niveau fahren kann, darf in Frage gestellt werden, vor allem da mit Magnussen ebenfalls kein Jungspund in der Garage nebenan sitzt. Bei Haas wird sich in den kommenden Jahren die Frage nach langfristigen Optionen aufdrängen, wirklich gute junge Piloten sind aber rar. Schumacher wäre hier auf lange Sicht die sinnvollere Option gewesen.
Auch die Vermarktungsmöglichkeiten sind mit einem Schumacher im Cockpit deutlich vielfältiger als mit Hülkenberg. Die mediale Aufmerksamkeit wird nach dem Abgang des 23-Jährigen eine ganz andere sein, Haas könnte im schlimmsten Fall die graue Maus im Feld werden, die sie vor Micks Ankunft bereits waren. Nicht, dass Hülkenberg auf dem deutschen Markt keine Sympathien hätte, an den Namen Schumacher kommt er aber bei Weitem nicht heran.
Unterm Strich ist Hülkenberg also nur die kurzfristig bessere Option für die US-Amerikaner. Für die kommenden ein, zwei Saisons kann sich die Verpflichtung des 35-Jährigen für Haas durchaus auszahlen, langfristig macht man sich damit aber keinen Gefallen.
Mick Schumacher im Steckbrief
Name | Mick Schumacher |
Geburtsdatum | 22. März 1999 |
Alter | 23 Jahre |
Nationalität | Deutsch |
Größe | 1,76 Meter |
Aktuelles Team | Haas |
Vorherige Teams | Van Amersfoort Racing (F4), Prema Racing (F4-F1) |
Erster GP-Start | Bahrain-GP 2021 |
GP-Starts | 42 |
WM-Punkte | 12 |
Führungsrunden | 1 |
Startnummer | 47 |