Wenn sich Max Verstappen in den vergangenen Jahren neben seiner Tätigkeit, Formel-1-Boliden in phänomenalster Manier über die Rennstrecken dieser Welt zu bewegen, einen Ruf erarbeitet hat, dann gewiss den, dass er kein Kind von Traurigkeit ist. Egal ob auf oder abseits der Strecke - der Niederländer stellt nur allzu oft seine Qualitäten im Austeilen unter Beweis. Kurzum: Mit Verstappen ist selten zu spaßen.
Diese Charaktereigenschaft mag auf den ersten Blick in einer Individualsportart wie der Formel 1 förderlich wirken. Vielleicht ist sie sogar einer der Gründe, warum der Niederländer seit nunmehr fünf Jahren zur absoluten Weltspitze der Königsklasse des Motorsports gehört, im zarten Alter von 25-Jähren bereits zwei WM-Titel eingeheimst hat und sich auf dem besten Weg befindet, einer der größten Piloten in der Geschichte des Rennsports zu werden.
So ganz ohne jede Hilfe kommt man aber auch in der Formel 1 nicht aus. Hinter einer erfolgreichen F1-Karriere stehen zumeist eine Vielzahl von Menschen, die einem den Weg dorthin ebnen. Familienmitglieder, (finanzielle) Förderer, Teamchefs, Ingenieure, Mechaniker - und eben Teamkollegen.
Bezüglich Letzteren hat Verstappen mit Sergio Pérez eigentlich den perfekten Partner an seiner Seite. Der Mexikaner bewies sich seit seinem Wechsel zu den Bullen als loyaler und hilfsbereiter Mitstreiter, ohne dabei aber genügend eigene Gefahr auszustrahlen, um Verstappen und dessen Ambitionen im Weg zu stehen. Man erinnere sich an das Saisonfinale im vergangenen Jahr, als Pérez mit seinen Verteidigungsmanövern gegen Mercedes-Rivale Lewis Hamilton nicht unwesentlichen Anteil daran hatte, dass Verstappen den WM-Titel letztlich einfuhr.
Red Bull vermeidet öffentliche Verstappen-Kritik
Pérez ist ein Teamplayer. Jemand, der Verstappen hilft, wo er kann. Das Handeln des Niederländers beim Brasilien-GP, sich der ausdrücklichen Anweisung seines Teams - den Mexikaner vor dem Passieren der Zielflagge vorbeiziehen zu lassen und Pérez wichtige Punkte im Kampf um WM-Platz zwei nicht wegzunehmen - zu widersetzen, ist deshalb nicht nur völlig unverständlich, es ist einem angehenden zweifachen Weltmeister schlicht nicht würdig.
Für Verstappen ging es in Brasilien schließlich um nichts mehr. Der Titel ist seit Wochen unter Dach und Fach. Ob er am Ende auf Rang fünf oder sechs ins Ziel kommt, spielt für ihn also absolut keine Rolle mehr. Selbst wenn der zweite WM-Platz in der Formel 1 einen eher prestigeträchtigen denn sportlichen Wert hat, lässt Verstappens Aktion ihn menschlich in einem schlechten Licht dastehen. Als undankbar, unkooperativ und eigennützig.
"Ich habe es euch schon beim letzten Mal gesagt. Fragt mich das nicht noch einmal, okay? Ist das klar? Ich habe meine Gründe genannt. Und ich stehe dazu", sah er auch nach Rennende keinen Grund, sein Verhalten in Frage zu stellen. Schlimmer noch: Auch wenn Red Bull bekräftigte, Verstappen werde "alles tun, um Checo (Sergio Pérez; Anm.d.Red.) in Abu Dhabi WM-Platz zwei abzusichern", blieb eine öffentliche Schelte für den Superstar im Team aus.
Vor allem Motorsportchef Helmut Marko - jemand, der in der Vergangenheit kaum zögerte, Pérez bei kleinsten Fehlern an den Pranger zu stellen und diesen in der Öffentlichkeit zu kritisieren - blieb auffällig stumm. Von einer "internen Diskussion" sprach er im Interview mit Sky. Gründe für Verstappens Fehlverhalten oder sogar eine Zurechtweisung für den Niederländer? Fehlanzeige!
Verstappen braucht Pérez in Zukunft
In Anbetracht dessen wird sich auch Pérez künftig die Frage stellen, wieso er jemanden unterstützen sollte, der ihm seine Unterstützung so energisch verweigert. Wenn sich im kommenden Jahr die Kräfteverhältnisse verschieben, Red Bull dann vielleicht nicht mehr das dominierende Auto im Feld hat und sich Mercedes im Titelkampf zurückmeldet, wird Verstappen das auf die Füße fallen. Dann braucht er nämlich einen fähigen Teamkollegen an seiner Seite, um gegen Kaliber der Größenordnung Hamilton bestehen zu können.
"Ich habe noch nicht alle Informationen, aber ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Ich bin einfach enttäuscht nach alldem, was ich in den letzten Jahren für ihn getan habe. Da müssen wir im Team noch einmal diskutieren", gab sich Pérez nach Rennende dennoch erstaunlich diplomatisch. Verstappen sollte hoffen, dass das auch in Zukunft so bleibt.
Formel 1: Der WM-Stand (nach 21 von 22* Rennen)
- Fahrerwertung:
Platz | Fahrer | Team | Punkte |
1 | Max Verstappen | Red Bull | 429 |
2 | Charles Leclerc | Ferrari | 290 |
3 | Sergio Pérez | Red Bull | 290 |
4 | George Russell | Mercedes | 264 |
5 | Lewis Hamilton | Mercedes | 240 |
6 | Carlos Sainz | Ferrari | 234 |
7 | Lando Norris | McLaren | 113 |
8 | Esteban Ocon | Alpine | 86 |
9 | Fernando Alonso | Alpine | 81 |
10 | Valtteri Bottas | Alfa Romeo | 49 |
- Konstrukteurswertung:
Platz | Team | Punkte |
1 | Red Bull | 719 |
2 | Ferrari | 524 |
3 | Mercedes | 504 |
4 | Alpine | 167 |
5 | McLaren | 148 |
6 | Alfa Romeo | 55 |
7 | Aston Martin | 50 |
8 | Haas | 37 |
9 | AlphaTauri | 35 |
10 | Williams | 8 |
*Der Russland-GP wurde aufgrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ersatzlos gestrichen. Ursprünglich hatte die Formel 1 für die Saison 2022 23 Rennen eingeplant.