"Ich hinterfrage mich immer"

Alexander Maack
29. Juli 201510:22
Sebastian Vettel hatte bei der Pressekonferenz in Silverstone auch im Simulator Spaßgetty
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Für Sebastian Vettel läuft es immer noch nicht rund, Siege aus eigener Kraft sind in der Formel 1 aktuell kaum möglich. In Silverstone sprach der Red-Bull-Weltmeister bei der Vorstellung eines neuen Rasierers seines Sponsors Braun in einem Hangout mit SPOX und anderen ausgewählten Medien über die Saison 2014, seine Motivation, das Duell mit Fernando Alonso beim Großbritannien-GP und erklärte, wie er wieder an die Spitze kommt. Außerdem verriet er Vorlieben und Wünsche.

Frage: Herr Vettel, die Saison 2014 läuft für Sie und Red Bull nicht unbedingt wie erhofft. Trotzdem wirken Sie entspannt. Fällt es Ihnen leichter, mit der Situation umzugehen, weil Sie schon vier WM-Titel und 39 GP-Siege haben?

Sebastian Vettel: Klar ist es schön, so viele Rennen gewonnen zu haben, aber du willst immer den nächsten Sieg. Dieses Jahr ist es etwas härter für uns. Deshalb arbeiten wir noch intensiver, um wieder an die Spitze zu kommen und auf dem Podium zu stehen.

Frage: Wie war das Wochenende in Silverstone? Am Samstag lief es mit Startplatz zwei ja sehr gut, der Sonntag war eine größere Herausforderung, Sie sind auf Platz fünf zurückgefallen. Wie beurteilen Sie den Grand Prix ein paar Tage später?

Vettel: Ich hatte heute Morgen eine erfrischende Rasur - das sollte ich doch jetzt sagen. (lacht) Nein, Scherz beiseite, es war durch die Witterungsbedingungen ein schwieriges Wochenende für uns. Wir hatten Probleme mit dem Regen am Samstag, waren aber ziemlich glücklich, es in die erste Startreihe geschafft zu haben. Wir haben uns dann für eine andere Strategie entschieden und es kam zum direkten Duell mit Fernando. Das hat richtig Spaß gemacht. Aber ich wollte natürlich aufs Podium. Wir wären liebend gerne besser gewesen, aber am Montag kommt man dann immer runter.

Frage: Hat Ihnen das Duell mit Fernando Alonso in Silverstone Spaß gemacht?

Vettel: Ja, das genieße ich, wenn ich so rennfahren kann. Ich wollte nach vorne kommen und so schnell wie möglich an Fernando vorbei. Das hat länger gedauert als geplant. Hätte ich die Wahl gehabt, wäre ich direkt vorbeigezogen. Es war wirklich eng. Mal hat er sich beschwert, ich hätte die Streckenbegrenzung überfahren. Dann habe ich einen Funkspruch bekommen, ich soll die Track Limits beachten und wusste, wo es herkam. Also habe ich beschlossen, dass ich dasselbe mache. Das wurde eine Art Liste, wer was an welcher Stelle macht. Aber wenn man auf der Strecke so kämpft, wird es hart, weil man nicht viel Platz hat. Es war aber immer fair. Deshalb habe ich das genossen. SPOX

Frage: Sie wurden nach ihrem zweiten Boxenstopp überholt und haben sich die Position dann zurückerkämpft. Macht es bei solch einem Fight im Mittelfeld eigentlich mehr Spaß zu überholen oder sich geschickt zu verteidigen?

Vettel: Ganz klar Überholen. Beim Verteidigen gibt es nicht viel, was ich machen kann, um die Jungs hinter mir zu halten. Das macht nicht wirklich Spaß, weil es bedeutet, dass man langsamer ist. Es macht wesentlich mehr Spaß, der Schnellere zu sein und sich durchs Feld zu arbeiten. Das hängt aber auch davon ab, auf welchem Platz man ins Ziel kommt: Die ersten drei Plätze sind gut - dann gibt's ein bisschen Champagner und einen Pokal -, wenn du als Vierter oder weiter hinten über die Linie kommst, gibt's einen Klapps auf die Schulter und ein 'Gut gemacht'.

Seite 1: Vettel über die Saison 2014, das Mittelfeld-Duell mit Alonso in Silverstone

Seite 2: Vettel über Motivationsprobleme und Wünsche für sein Privatleben

Frage: Seit Ihrem Debüt in der Formel 1 ging es eigentlich immer nur bergauf. Aktuell hakt es etwas. Wie kommen Sie damit zurecht? Machen Sie sich manchmal Gedanken, ob Sie alles richtig machen?

Vettel: Ich hinterfrage mich immer, aber ich mache mich nicht verrückt oder werde laut. Ich versuche mich immer zu verbessern. Das ist Teil des Spiels. Die letzten zwei Jahre waren unglaublich. Es gibt keinen Punkt, an dem die Motivation gesunken ist. Wir machen weiter. Wenn wir uns anschauen, wo wir zu Saisonbeginn standen, haben wir einen riesigen Schritt gemacht. Aber es liegt noch ein langer Weg vor uns. Es ist nicht ein einzelner Schritt, der uns wieder dort hinbringt, wo wir waren - an die Spitze. Das ist harte Arbeit. Wenn wir das dann erreicht haben, wird sich alles wieder viel besser anfühlen.

Frage: Ist es in der aktuellen Situation schwieriger, motiviert zu bleiben?

Vettel: Das Ziel ist, der Beste zu sein. Aber ich muss realistisch bleiben: Der Level des Wettbewerbs ist sehr hoch, auch die anderen machen einen richtig guten Job. Man kann nicht immer der Beste sein, aber unter den Besten. Dieses Jahr haben wir damit etwas mehr Probleme als in den letzten Jahren, aber das ist nichts Schlimmes. Einige haben es in dieser Saison besser hinbekommen als wir. Das heißt, wir müssen einfach noch härter arbeiten.

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Frage: Das nächste Rennen ist der Deutschland-GP in Hockenheim. Spüren Sie einen anderen Druck als in Silverstone, wo die Heimat von Red Bull Racing ist?

Vettel: Ja, aber das ist schön. Man kriegt schon hier viel Unterstützung von den Leuten aus der Fabrik und ihren Familien, die an die Strecke kommen, um uns zu unterstützen. Klar haben die britischen Fahrer hier am meisten Support bekommen, aber jetzt geht's nach Hockenheim, das Heimrennen der Deutschen. Letztes Jahr habe ich gewonnen, das war etwas sehr Besonderes: So viele Leute, so viele Flaggen rund um die Strecke, die Zuschauer jubeln nach dem Qualifying oder dem Rennen, wenn du dich gut geschlagen hast. Dieses Jahr wird ein Sieg natürlich schwieriger, weil Mercedes wieder sehr, sehr stark sein wird. Unser Ziel ist das Podium, das wäre beim Heimrennen vor den eigenen Fans schön.

Frage: Sie haben vor dem Österreich-GP den Ferrari 88C von Gerhard Berger gefahren. Gibt es ein historisches Formel-1-Auto, das Sie gerne mal fahren würden? Oder lieber ein anderes Auto?

Vettel: Die Frage ist nicht fair. Es gab so viele großartige Autos in den verschiedenen Epochen. Von der Balance der Autos her würde ich mich wohl für den Anfang der Neunziger entscheiden, als Williams sehr dominant war: 1992 oder 1993.

Frage: Und auf der Straße? Auch Motorräder wären erlaubt...

Vettel: Was für eine Frage! Okay: BMW 507, Ferrari 250 California, Ferrari F40, eine alte Vespa und - ich könnte noch 20 nennen. Okay, eine NSU Max, das Lieblingsmotorrad meines Großvaters aus den Fünfzigern.

Frage: Haben Sie eigentlich noch Wünsche, die Sie sich erfüllen wollen, bevor Sie alt werden?

Vettel: Noch mehr WM-Titel in der Formel 1 gewinnen, auf italienischen Straßen mit meiner Vespa fahren, wandern, reisen. Aber nicht so wie jetzt. Jetzt reise ich, sehe aber nichts. Ich möchte die Zeit haben, die Welt zu entdecken. Und irgendwann möchte ich einfach nichts mehr zu tun haben.

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