In der Formel-1-Saison 2014 soll es dank verändertem Reglement wieder mehr auf den Fahrer ankommen. SPOX-Redakteur Alexander Maack bewertet nach jedem Grand Prix die fahrerischen Leistungen der Piloten und stellt sein persönliches Driver-Ranking auf. Auch die User haben die Chance zur Mitbestimmung. Teil 13: Der Italien-GP in Monza.
Platz 1, Lewis Hamilton: Angefressen? Wütend? Eigensinnig? Nach dem Eklat von Spa wurde vom Engländer eine Reaktion erwartet. Sie kam. Allerdings ganz anders als erwartet. Hamilton verwandelte den Druck in Wohlfühlatmosphäre, holte wie bei seinem Heimspiel die eigene Familie nach Monza und wie in Silverstone ließ er auf einen herben Rückschlag eine Galavorstellung folgen: Bestzeiten in allen Sessions, an denen er teilnehmen konnte, überlegene Pole Position.
Selbst als sich am Sonntag schon wieder die Technik gegen ihn verschwor und er nach einem guten Start auf Platz vier durchgereicht wurde, ließ sich der Engländer nicht entmutigen. Bis zum Boxenstopp war er wieder in Reichweite seines Teamkollegen und kürte sich dann selbst zum Gewinner, indem er die Ratschläge seines Renningenieurs nicht annahm.
Um es klar auszusprechen: Wäre der Plan schiefgegangen, würde Hamilton Abzüge bekommen. Weil er Rosberg aber in einen Fehler zwang, indem er dem Deutschen seine Zahnlücke in dessen Rückspiegeln präsentierte, ist der Engländer der eindeutige Gewinner dieses Wochenendes. Selbst der extreme Verbremser in den letzten Runden kann an die makellose Vorstellung nicht trüben. Das Attribut "Bestnote" ist untertrieben. Für eine derartige Vorstellung ist die normale Skala nicht vorbereitet.
Platz 2, Valtteri Bottas: Verwandte Seelen in der Formel 1? Auch wenn Hamilton und Bottas eigentlich nicht wie Zwillinge aussehen, ihr Rennverlauf gleicht sich exakt. Schlechter Start durch einen Kobold im Mapping, anschließend folgt eine verbissene Aufholjagd mit glücklichem Ende. Klar, Bottas profitierte dabei von seinem Auto. Aber wer will ihm dafür einen Vorwurf machen? Gerade mit dem Monza-Setup ist das Verzögern vor den Schikanen extrem anspruchsvoll. Das Auto hat eine heikle Balance, weil der Anpressdruck fehlt.
Für Bottas kein Problem: Im Qualifying zeigte er der Konkurrenz, wie die Pedale bedient werden müssen und ließ Williams-Kollege Felipe Massa klar hinter sich. Im Rennen bremste er sich dann erst an Kimi Räikkönen, Sergio Perez, Fernando Alonso und Jenson Button vorbei, um die Aufholjagd nach dem Reifenwechsel gegen Kevin Magnussen und Sebastian Vettel erfolgreich fortzusetzen. Eine Kollision wäre bei so viel Action nicht unwahrscheinlich gewesen. Bottas vermied sie mit Übersicht und Entschlossenheit.
Platz 3, Felipe Massa: Endlich das erste Podium nach dem Wechsel zu Williams und dann auch noch bei seinem zweiten Heimspiel in Italien. Perfekt! Oder doch nicht? Massa hinkte seinem Teamkollegen im Qualifying hinterher. Da wäre sicher etwas mehr drin gewesen. Allerdings rechne ich ihm an, dass er gewöhnlich Probleme mit den härteren Reifenmischungen hat.
Mit einem normalen Start übernahm Massa im Rennen Platz drei dank der Probleme von Hamilton und Bottas, Magnussen schnappte er sich nach vier Runden ohne zu zögern mit einem sauberen Manöver. Als Hamilton fünf Runden später an ihm vorbei war, musste er das Rennen nur noch nach Hause bringen. Doch gerade wer mutterseelenallein zehn Sekunden hinter dem Vordermann und fünfzehn vor dem Verfolger fährt, braucht mentale Stärke. Massa blieb fehlerfrei und steht deshalb auch bei mir auf dem Podium.
Platz 4, Sergio Perez: Vorsicht, jetzt beginnt das Diskussionspotenzial: Aus meiner Sicht war Perez in Monza nach vier punktlosen Wochenenden wieder stark. Herausragend seine Runde in Q2, die ihn in die Top 10 der Startaufstellung spülte. Ganze vier Zehntel war der Mexikaner schneller als Teamkollege Nico Hülkenberg. Zwar rutschte er in Q3 wieder zwei Plätze nach hinten und startete als Zehnter, für Force India ist der Einzug in die letzte Phase der Quali aber immer noch wie der Kampf um die Pole für die Top-Teams.
Dass Perez nach dem Boxenstopp von Ricciardo problemlos überholt wurde, mache ich ihm nicht zum Vorwurf. Die Stelle war für den Red Bull optimal: Mit einem riesigen Downforce-Vorteil konnte er in der schnellen Curva Biassono einen immensen Geschwindigkeitsüberschuss aufbauen. Selbst bei seiner Verteidigungsschlacht gegen die deutlich schnelleren die deutlich schnelleren Button und Räikkönen zeigte er bis zur Ziellinie keine Schwäche, obwohl er gleichzeitig auf seinen Benzinverbrauch aufpassen musste.
Platz 5, Pastor Maldonado: Gefühlt zum ersten Mal seit ich das Driver-Ranking übernommen habe, beeindruckt mich der Venezolaner. Von "Crashtor" war in Monza nichts zu sehen, stattdessen holte er aus dem nahezu unkontrollierbaren Lotus alles raus, was möglich war. Zur Erklärung: Der Heckflügel des E22 war ein Bügelbrett. Während die anderen Teams noch ein wenig Abtrieb generierten, stellte die Truppe aus Enstone das Blech komplett flach.
Was das auslöste, demonstrierte Teamkollege Romain Grosjean, der dauerhaft die Kurvenausgänge verpasste und Kies durch die Luft schmiss. Und Maldonado? Der qualifizierte sich vor den Caterham und Marussia und schaffte es dann irgendwie, Adrian Sutil im Rennen hinter sich zu lassen. Wie er das geschafft hat, ist mir immer noch unbegreiflich. Ich war fest noch am Samstag davon ausgegangen, dass er irgendwann Sandburgen in einem der Lesmo-Kiesbetten baut. Ich habe mich getäuscht.
Seite 1: Von Hamilton bis Maldonado
Seite 2: Von Vettel bis Rosberg
Platz 6, Sebastian Vettel: Zurück zur Ernsthaftigkeit. Der Vierfachweltmeister landet in meinem Driver-Ranking vor seinem Teamkollegen, obwohl Daniel Ricciardo ihn spielend leicht überholte und vor ihm ins Ziel kam. Dafür gibt es gleich mehrere Gründe. Zunächst entschied Vettel das Qualifying-Duell für sich und fand in der Startphase die perfekte Linie, um von Platz acht aus drei Plätze gut zu machen. Dann aber verpasste Red Bull dem Heppenheimer eine Undercut-Strategie.
Vettel wurde beim Boxenstopp an Bottas und Button vorbeigespült, Ricciardo blieb acht Runden und damit umgerechnet 15 Prozent der Renndistanz länger draußen. Kein Wunder, dass der Deutsche sich am Ende nicht mehr wehren konnte. "Wir haben einen groben Fehler mit der Strategie gemacht und müssen und werden uns dafür bei ihm entschuldigen", räumte Motorsportberater Helmut Marko ein. Der taktische Kniff mag sich nicht ausgezahlt haben, aufgrund der besseren Pace ist er für mich dennoch der Gewinner im Red-Bull-Duell.
Platz 7, Daniel Ricciardo: Direkt hinter seinem Teamkollegen liegt für mich der Australier. Warum Vettel besser war, habe ich bereits erklärt. Warum Ricciardo dennoch nur haarscharf dahinter landet, dürfte jedem Zuschauer klar sein. Er fuhr nach dem schlechten Start ein makelloses Rennen mit Überholmanövern auf der letzten Rille.
Räikkönen muss sich gewundert haben, Perez wurde mit einem schnellen Spurwechsel ausgetrickst und schließlich machte sich Ricciardo seinen Vorteil auch noch gegen Vettel zunutze. Button und Magnussen waren im abtriebsschwächeren McLaren ebenso Fallobst. Dass alles spielend leicht aussah, lag aber vor allem an Ricciardo, der seine harten Reifen wie kein anderer nutzte und bis zum Schluss konservierte.
Platz 8, Fernando Alonso: Auf Platz elf liegend schied der Ferrari-Pilot zu Beginn der 29. Runde aus. Mit einem technischen Defekt. Warum das außergewöhnlich ist? Seit der Spanier 2010 nach Maranello wechselte, ließ ihn sein Auto nicht mehr während eines Rennens im Stich. Aus dem Cavallino Rampante ist endgültig ein Cavallino Sdraiato geworden. Ferrari liegt am Boden.
Alonso trifft daran keine Schuld. Er wies Räikkönen im Qualifying klar in die Schranken, indem er mal wieder mehr aus dem Auto herausholte als möglich, und zeigte auch am Sonntag eine gute Leistung. Bis er den F14 T schließlich mit einem ERS-Problem vor der Rettifilio-Schikane abstellte. Vom fast schon traditionellen Monza-Hoch war bei der Scuderia nichts zu sehen.
Platz 9, Kamui Kobayashi: Auch der Japaner darf sich als Gewinner fühlen, selbst wenn der Italien-GP vielleicht sein letztes Rennen war: Roberto Merhi besetzte am Freitagmorgen sein Cockpit, um die nötigen Kilometer für seine Superlizenz zu sammeln. Als Kobayashi dann wieder ins Lenkrad griff, setzte er seinen Frust über die Ausbootung in Spa in Speed um.
Startplatz 18 vor beiden Marussia war nicht zu erwarten, zusätzlich holte er wieder mal fast eine ganze Sekunde Vorsprung auf Teamkollege Marcus Ericsson raus. Dabei ist Monza eigentlich für knappe Abstände bekannt, weil die wenigen Kurven bei gleichem Material nur geringen Spielraum für Zeitverlust lassen. Dass Kobayashi erst kurz vor knapp einflog, weil Andre Lotterer auf einen zweiten Start verzichtete, wertet die Leistung nochmal auf. Es ist einfach schade, dass der Japaner nicht die nötigen Großsponsoren hat.
Platz 10, Daniil Kvyat: Jean-Eric Vergne dürfte am Sonntag extrem schlecht eingeschlafen sein. Trotz der Strafversetzung um zehn Plätze nach dem Einbau des sechsten Motors kam Kvyat mit einem 30 Runden dauernden Duracell-Stint schnell nach vorn, während der Franzose sich unauffällig im Mittelfeld quälte.
Von 21 auf 11 lautet die Bilanz des Russen, sogar Punkte waren drin. Zwei Runden vor Schluss versagte allerdings die linke Bremse an der Vorderachse, Kvyat hätte fast Alonso abgeräumt. Dass er den Toro Rosso vor dem Einschlag in die Leitplanke bewahrte und dann auch noch die Ziellinie überquerte, war für mich das letzte Indiz, dass er einen Punkt verdient hat.
Härtefall, Nico Rosberg: Bei den vielen positiven Leistungen ist plötzlich kein Platz mehr für den Zweitplatzierten. Rosberg war am gesamten Wochenende langsamer als Hamilton, trotzdem hatte er alle Trümpfe in der Hand um seinen Vorsprung in der Fahrer-WM auf 36 Punkte auszubauen. Weil er sich gleich zweimal an derselben Stelle verbremste, sind es nun nur noch 22. Der Druck steigt.
Seite 1: Von Hamilton bis Maldonado
Seite 2: Von Vettel bis Rosberg
Stand in der Fahrer- und Kontrukteurs-WM