Nach fünf Jahren ohne WM-Titel bei Ferrari wollte Fernando Alonso beim Australien-GP (alle Sessions im LIVE-TICKER) direkt neu angreifen. Bei McLaren soll mit Hilfe von Honda eine legendäre Ära der Formel 1 neu aufgelegt werden. Doch von Beginn an krankt das Projekt. Die Causa Alonso ramponiert den Ruf des Traditionsteams aus Woking.
33 Jahre ist Fernando Alonso mittlerweile alt. Zwei Weltmeistertitel hat er in der Formel 1 eingefahren. Doch als El Pais öffentlich machte, was der Spanier nach seinem mysteriösen Testunfall im Krankenhaus zu den Ärzten gesagt haben soll, zuckte jeder Fan zusammen. "Ich bin Fernando, 13 Jahre alt, fahre Go-Kart-Rennen und möchte Formel-1-Fahrer werden", sagte der Asturier angeblich und hätte somit seine Karriere im Monoposto komplett vergessen gehabt.
Ralf Bach berichtete bei f1-insider.com, Alonso habe nach dem Aufwachen Italienisch gesprochen, weil er sich noch bei Ferrari wähnte. Derweil berichtete sein früherer Arbeitgeber Sport Bild, mehrere Teams würden überlegen, den Australien-GP zu boykottieren. Der Grund sei, dass Alonso einen Moment vor dem Unfall durch einen Stromschlag bewusstlos geworden sei. Das hatte Sky Italia zuerst veröffentlicht.
McLaren widerspricht sich dauerhaft selbst
Die brodelnde Gerüchteküche wirft nicht nur ein fragwürdiges Licht auf einige Medien, sie kratzt auch am guten Ruf von McLaren. Das Team stritt zunächst ab, dass Alonso das Bewusstsein verloren habe. Später bestätigte Boss Ron Dennis dann die Medienberichte, allerdings sei der Spanier erst durch den Einschlag ausgeknockt worden.
Beim Thema Diagnose wird es nicht besser. Alonso habe eine Gehirnerschütterung, teilte McLaren 28 Stunden nach dem Unfall mit. Dennis bekundete, das sei nicht der Fall. Nur die Symptome seien die einer Gehirnerschütterung. Als der Rennstall dann bekannt gab, dass Kevin Magnussen den zweimaligen Weltmeister in Melbourne ersetzt, obwohl der "vollständig gesund" sei, war das Chaos endgültig perfekt: Alonso pausiere, weil das Risiko einer zweiten Hirnverletzung zu hoch sei.
Boullier: Gedächtnisverlust nicht dramatisch
Erst eine Woche vor Saisonstart gab Rennleiter Eric Boullier schließlich zu, dass Alonso sein Gedächtnis zeitweise verloren habe. Das sei aber nicht so dramatisch, mittlerweile sei alles in Ordnung. "Er ist so heiß wie nie, jetzt schnell wieder ins Auto zu kommen", so der Franzose: "Er ist sehr frustriert, dass er in Australien nicht fahren kann. Er wird aber bei allen Meetings per Video zugeschaltet sein."
Die Verwirrung ist mittlerweile riesig, selbst der Automobilweltverband FIA schaltete sich ein und untersuchte den durch Wind bedingten Unfall. Was auffällig ist: Das Team verstrickt sich in Widersprüche, hat dadurch aber immerhin einen Vorteil: Die eigenen, bis zum Horizont ausufernden Probleme verblassen. "Sie sind in schrecklichen Schwierigkeiten", sagte Ex-Pilot Martin Brundle dem britischen Express: "Es gibt sogar einige Leute, die sagen, dass Alonso einfach noch nicht ins Auto will."
Ernüchternde Testfahrten für McLaren
Es wäre verständlich, nach den unzähligen Testpannen während der drei Testfahrten in Jerez und Barcelona. Während Mercedes 6.121 Kilometer abspulte, kam Ex-Partner McLaren gerade mal auf ernüchternde 1.751. Der Honda-Antrieb schaffte also nicht mal 30 Prozent der Laufleistung des Silberpfeil-Werksteams. Red Bull schaffte 2014 nur unwesentlich weniger.
Dabei ist der Druck auf McLaren schon jetzt immens. Die Schatten der Vergangenheit reichen bis zum Horizont. Ayrton Senna, Alain Prost, MP4-4 - acht WM-Titel und 44 Grand-Prix-Siege gewann McLaren-Honda während der ersten gemeinsamen Ära Ende der 80er und Anfang der 90er. Die Erwartungen bei der Neuauflage? Kaum geringer.
"Wir sind bereit für eine neue Ära", betonte Alonso anlässlich der Vorstellung des neuen MP4-30. Auch wenn er über die Zusammenarbeit des englischen Traditionsteams mit der japanischen Automarke sprach, redete er doch gleichzeitig auch über sich selbst.
Im Alter von 33 Jahren kündigt sich langsam aber sicher der Herbst seiner Karriere an. McLaren dürfte seine letzte Chance auf den dritten Titel sein. Und es ist die letzte, seinen ramponierten Ruf wieder herzustellen.
Wie McLaren die Explosionsgefahr verringert
"Ich stimme zu, dass er der Beste der Besten ist", sagte etwa David Coulthard im SPOX-Interview: "Aber: Seine Zeit bei McLaren endete tränenreich und am Ende hat es auch bei Ferrari nicht funktioniert. Man kann es nicht verleugnen: So großartig Fernando auch ist, seine Integration ins Team birgt Explosionsgefahr."
Selbst die Experten streiten sich, ob der Spanier einen Anteil an der Erfolglosigkeit seines letzten Arbeitgebers hatte oder ob Ferrari fünf Jahre lang so führungs- und planlos agierte, dass Alonso keine Chance auf den WM-Titel hatte.
"Alonso haben die Italiener geliebt, aber die Liebe ist sehr schnell gestorben. Weil man sich eben nicht gegen das Team stellen darf", sagte Jacques Villeneuve Sport Bild: "Wenn man 30 Millionen Dollar im Jahr verdient, hat man als Fahrer nicht das Recht, seine Liebe für das Team aufzugeben. Man stellt sich einfach nicht gegen das eigene Team! Wo bleibt der Respekt?"
Hatte Alonso überhaupt eine Wahl?
Fest steht: Der Spanier brauchte einen Wechsel. Ferrari wollte den Schnitt, Alonso verlor die Motivation, McLaren bekam den Zuschlag. "Er hatte nicht die Wahl, woanders zu sein. Ich glaube aber, dass er im Auto 100 Prozent gibt. Wenn sie ihm eine Chance geben, dann wird er liefern", sagte Coulthard.
Sein früheres Team tut dafür alles. Statt Magnussen, der in seiner Rookie-Saison vielversprechende Ansätze zeigte, das Vertrauen zu schenken, darf Jenson Button noch eine Saison weiter fahren. Magnussen rückt nach seiner Vertretung als Ersatzfahrer ins zweite Glied, sobald Alonso fit ist.
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Die lange herausgezögerte Wahl Buttons als zweitem Fahrer ist eine Absicherung für das Team. Der 35-jährige Engländer liefert den Ingenieuren so viel Feedback wie kein anderer Pilot. Was sich für viele Zuschauer vor dem Fernseher wie wehleidiges Meckern über die Schwächen des Autos anhört, ist die präzise Analyse eines langjährigen Test- und Einsatzfahrers, der seine Karriere mit dem WM-Titel 2009 krönte.
Button muss nichts mehr beweisen. Er ist glücklich, weiter bei einem Top-Team zu fahren. Blockade in der Box? Behinderung auf der Strecke? Ein offen ausgetragener Kleinkrieg wie zwischen Alonso und dem damaligen Debütanten Lewis Hamilton beim ersten Aufenthalt des Spaniers im englischen Team scheint ausgeschlossen.
Button und Alonso ziehen mit ihrer gemeinsamen Erfahrung von stolzen 68 Lebensjahren, genau 500-Grand-Prix-Starts, 2.965 WM-Punkten und drei Fahrertiteln bedingungslos an einem Strang. "Ich bin zuversichtlich, dass unsere gemeinsame Erfahrung auf der Strecke sich auszahlen wird, um das Team wieder zurück in die erste Reihe der Startaufstellung zu bekommen", sagt Button.
Honda offenbart Probleme
Arbeit gibt es genug. Honda offenbarte während der Testfahrten immense Probleme beim Hybrid-Antrieb. In Jerez passte die Elektronik nicht, die Fehlkonstruktion einer Dichtung verhinderte in Barcelona zunächst längere Ausfahrten. Nach 23 Jahren müssen bei der Zusammenarbeit erst wieder alle Zahnrädchen ineinander greifen. Das System muss sich noch unter Volllast beweisen.
Es gibt aber positive Ansätze: McLaren hat seine Konstruktionsweise grundlegend umgestellt. Spätestens seit Adrian Newey 1997 von Williams abgeworben wurde, gab es ein durchgehendes Grundschema: Maximiere den Abtrieb, setze revolutionäre Neuentwicklungen ein und gewinne damit Weltmeisterschaften.
Drei Fahrertitel belohnten das Team für das Risiko, doch spätestens nach dem Verbot des F-Schachts, der einen Strömungsabriss am Heck bewirkte und damit die Endgeschwindigkeit erhöhte, floppten die Innovationen regelmäßig. Das letzte Beispiel sind die sogenannten Blocker an der Hinterachse: 2014 sollten die aerodynamisch optimierten Streben der Hinterradaufhängung das von den Regelhütern abgeschaffte untere Heckflügelelement ersetzen.
Umdenken bei den Designern
Signifikante Vorteile? Fehlanzeige. Beim MP4-30 fehlen die Teile. Der Grund dafür ist das Umdenken im Team: Statt einer bockigen Diva will McLaren seinen Fahrern ein grundsolides, unkompliziertes Auto geben. Das Ziel ist nicht mehr der maximale Abtrieb, sondern ein verlässliches, berechenbares Verhalten in Kurvenfahrten. Dafür wurde auf Spielereien zunächst verzichtet, auch um die finale Integration des Honda-Antriebs zu vereinfachen.
"Rennfahren ist eine Vertrauenssache. Wenn man ein Gefühl dafür hat, wie weit man gehen, wie spät man bremsen und wann man einlenken kann, dann kann man das einordnen und sich den Gegebenheiten anpassen", erklärte Sebastian Vettel bei Auto Motor und Sport das Problem. Aus jeder Unsicherheit resultiert ein Zeitverlust.
Honda fordert schnelle Siege
McLaren kann sich den nicht leisten. Honda fordert schon in der ersten Saison Siege und treibt im Hintergrund die Entwicklung der Antriebseinheit voran, um spätestens 2016 Branchenprimus Mercedes anzugreifen. Der MP4-30 bietet genug Raum für Verbesserungen, sobald die Antriebseinheit zuverlässig läuft.
Das schlankeste Heck im Feld und die enganliegende Motorabdeckung sprechen für eine riskante Anordnung der Kühlung, die dafür aber eine effizientere Aerodynamik zulässt - nutzen kann das Team es nicht. "Bis der Antrieb nicht funktioniert, können wir auch das Auto nicht weiterentwickeln", gab Boullier gegenüber Autosport zu.
Das Problem: In den Freien Trainings kann sein Rennstall die fehlenden Kilometer nicht kompensieren. 2015 sind nur noch vier Antriebseinheiten pro Auto in der gesamten Saison erlaubt. "Sie sind ein Gewinner-Team, ihr Misserfolg der letzten Jahre entspricht überhaupt nicht ihrem Leistungsniveau", macht Coulthard Mut.
Für Alonso dürften solche Aussagen Balsam sein. "Es gibt noch eine unerledigte Aufgabe. Ich möchte eine WM gewinnen und die 1 zurück aufs Auto holen", sagte der Spanier schon bei seiner Vorstellung. Dass Red Bull vor der Saison 2014 noch weniger Kilometer abspulte als sein neues, altes Team und trotzdem drei Rennen gewann, dürfte ihm weitere Hoffnung machen. Doch ist sie berechtigt? Die Vorzeichen deuten auf einen Seuchenstart hin.
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Der Formel-1-Kalender 2015 im Überblick