Schumi + Senna = Verstappen

Alexander Maack
01. September 201612:04
Max Verstappen kassierte für seine Fahrweise in Belgien fast von allen Seiten Kritikimago
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SPOX-Redakteur Alexander Maack bewertet nach jedem Grand Prix die fahrerischen Leistungen der Formel-1-Piloten und stellt sein persönliches Driver-Ranking auf. Teil 13 der Saison 2016: Der Große Preis von Belgien in Spa-Francorchamps. Mit dabei: Max Verstappen am Limit des Reglements, Fernando Alonso und Lewis Hamilton als grundverschiedene Glückspilze und Jenson Button als Qualifying-Punkter.

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Platz 1, Fernando Alonso: Strafversetzung um 60 Plätze nach Motorenschäden vor und im Qualifying. Letzter Startplatz. McLaren-Honda machte seinem Pannenruf der Vorsaison in Spa-Francorchamps alle Ehre. Dass die britisch-japanische Allianz beträchtliche Fortschritte gemacht hat, durfte Fernando Alonso dafür am Sonntag beweisen.

Als das Rennen nach dem Crash von Kevin Magnussen mit der Roten Flagge unterbrochen werden musste, lag Alonso plötzlich auf Rang 4. Dafür hatte er wenig getan, außer sich an Lewis Hamilton vorbeizudrücken. Trotzdem beeindruckte der Spanier: Alonso fuhr mit dem Messer zwischen den Zähnen einen siebten Platz heraus.

Hamilton, Sergio Perez, Sebastian Vettel mögen einen Weg vorbei gefunden haben, doch Kimi Räikkönen und beide Williams blieben hinter Alonso. Dabei war der McLaren-Honda das deutlich langsamere Auto.

Platz 2, Nico Hülkenberg: Der Deutsche musste sich beim Start hinter seinem Teamkollegen aufstellen. Schuld hatte er daran keine. Ein Zylinder setzte im entscheidenden Qualifying-Segment teilweise aus. Das kostete über zwei Zehntel. Hülkenberg ließ sich davon einmal mehr nicht unterkriegen. Er schnupfte seinen Teamkollegen mit der besseren Linie beim Start, er setzte sich hinter Nico Rosberg fest, er fuhr auf Kurs Podium, bis die Rote Flagge ihn zurückwarf.

Es war eine nahezu perfekte Leistung, die Hülkenberg in Spa-Francorchamps auf den Asphalt brachte. Zusätzliche Sporen verdiente er sich durch das entschiedene Abwehrmanöver gegen Alonso. Der Spanier wollte ihn bei der Ausfahrt aus der Box überholen. Hülkenberg war auf der Fast Lane und hielt sie auch, er beschleunigte schneller und blieb vorn. Andernfalls hätte er hinter dem McLaren-Honda wertvolle Zeit verloren.

Platz 3, Nico Rosberg: Der WM-Zweite hatte sich mehr erhofft. Sein eigenes Wochenende verlief komplett nach Plan, er holte nach einem hektischen Umbau des Silberpfeil-Setups die Pole, er kontrollierte das Rennen nach dem Startcrash seiner Verfolger.

Und doch machte Rosberg weniger Punkte auf Hamilton gut, als eigentlich gedacht. Neun Punkte liegt er in der Fahrer-WM hinter dem Weltmeister, der nun den Vorteil hat, genug Power-Unit-Teile in der Hinterhand zu haben. Fehler leistete sich Rosberg in Spa nicht. Er wurde aber auch nicht großartig gefordert.

Platz 4, Daniel Ricciardo: Platz 2 ins Ziel gebracht. Der nächste Shoey, dieses Mal musste auch Mark Webber die Champagner-Suppe aus dem heißgeschwitzten Rennschuh seines Landsmanns probieren. Australische Bräuche sind gewöhnungsbedürftig, angebracht war die Zeremonie aber. Ricciardos Rennen war fehlerlos. Er nutzte die Gunst der Stunde, als Vettel gleichzeitig Räikkönen und Verstappen aus dem Kampf ums Podium kegelte.

Einen gehörigen Punktabzug muss Ricciardo trotz Platz 2 für seine Qualifying-Leistung bekommen. Drei Zehntel Rückstand auf Verstappen waren zu viel. Seinen ersten Run hatte der Australier komplett verpatzt.

Platz 5, Kimi Räikkönen: Die ärmste Sau des Wochenendes war eindeutig der Iceman. In der ersten Kurve nach gutem Start ohne Chance zwischen Vettel und Verstappen eingeklemmt, anschließend von Verstappen mit Vehemenz in die Schranken gewiesen. Und das ausgerechnet auf seiner Paradestrecke.

Räikkönen ließ Vettel im Qualifying nicht nur hinter sich, er hätte beinahe auch Rosberg die Pole weggeschnappt. Die Strecke hatte zwei Kurven zu viel. Dass er am Sonntag mehr Probleme mit dem Überholen hatte als Vettel, ist kein Grund für einen Abzug. Das könnte am Unfall in der ersten Kurve und dem Feuer beim Boxenstopp gelegen haben.

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Platz 6, Max Verstappen: Nach der Aufregung um die Fahrweise des niederländischen Jahrhunderttalents in Budapest folgte schon drei Rennen später der nächste Eklat. Wieder war es Kimi Räikkönen, der sich angegriffen fühlte. Und dieses Mal muss die Frage erlaubt sein: Warum eigentlich? Beim Start machte Verstappen alles richtig: Die Ferrari kamen besser weg, er wählte die Innenbahn, wo Räikkönen eine ganze Wagenbreite Platz ließ. Nur weil Sebastian Vettel von außen radikal reinzog und damit Kimi Räikkönen zur Mitte schob, krachte es.

Das Verteidigen gegen Räikkönen? Vollkommen im Rahmen des Reglements. Bei der Berührung in Les Combes fuhr Verstappen auf der Innenbahn und ließ sich nach außen treiben - ein Manöver, wie es Lewis Hamilton in den letzten Jahren mehrfach ohne Ermittlung der Stewards gegen den eigenen Teamkollegen vollführte. Das vermeintliche Zucken auf der Kemmel-Geraden? Verstappen fährt von links nach rechts um dort auf der Innenbahn den nächsten Angriff abzublocken. Nur zur Erinnerung: Laut Reglement ist ein Spurwechsel vor der Kurve erlaubt.

Verstappens Fahrweise ist radikal, kompromisslos und aggressiv. Er riskiert einen eigenen Ausfall, er lässt sich von den Etablierten nicht einschüchtern. "Das erinnert mich an Lewis, an Ayrton Senna", sagte Mercedes' Motorsportdirektor Toto Wolff. Jacques Villeneuve verglich Verstappens "dreckige und gefährliche" Fahrweise mit der Respektlosigkeit von Michael Schumacher. Übrigens: Jungspund Schumi wurde von Altmeister Senna seinerzeit immer wieder genau dafür zurechtgestutzt - und setzte seinen Weg unbeeindruckt fort.

Ja, Verstappen bewegt sich am absoluten Limit des Reglements. Ja, der Spurwechsel war gefährlich. Ja, irgendwann wird es knallen. Aber ich bin sicher: Schon jetzt denken einige Piloten dreimal nach, ob sie wirklich einen Angriff auf den Teenie starten sollen, wenn sie hinter ihm fahren. Verstappen hat sich in kürzester Zeit einen Ruf als knallharter Racer erarbeitet. Der Junge ist 18 Jahre alt. Er lernt noch. Das sollte jeder im Hinterkopf haben, der "Mad Max" am liebsten in die Psychiatrie schicken würde.

Platz 7, Sergio Perez: Entschieden setzte sich Perez gegen Massa in Les Combes durch, wobei der den Brasilianer beinahe neben die Strecke drückte. Doch was bei Verstappen, Hamilton und Co. okay ist, darf auch der Mexikaner machen. Dass er anfangs auf Platz 8 zurückfiel, war nicht sein Fehler. Er musste dem gedrehten Vettel ausweichen. An Hülkenbergs Leistung kam die von Perez insgesamt nicht ganz heran.

Platz 8, Lewis Hamilton: Der Mann des Rennens war Hamilton nicht aufgrund seiner Leistung, sondern weil er es durch Glück schaffte, aus einem verlorenen Wochenende einen Triumph zu machen. Drei Motorenwechsel, Start aus der letzten Reihe, trotzdem als Dritter im Ziel. Mercedes hatte errechnet, dass es der Weltmeister gerade so in die Top 10 schaffen würde. Mit seinem Sieg hätte Rosberg die WM-Führung übernommen.

Hamilton aber begrenzte den Schaden, verlor nur zehn Punkte Vorsprung. Eine Aufholjagd brauchte er dafür nicht, ihm genügten ganze vier Überholmanöver, weil er wie Alonso ohne Reifenwechsel in die Rennunterbrechung kam. Der gesparte Stopp spülte ihn auf Rang 5 vor. Anschließend musste er die Vorteile des Silberpfeils ausspielen und tat das solide.

Platz 9, Valtteri Bottas: Fehlzündungen im Qualifying verhinderten einen Angriff auf Force India. Bottas musste sich mit Startplatz 8 zufriedengeben. Williams verpasste am Sonntag den optimalen Zeitpunkt für den Stop unter Safety-Car-Bedingungen, trotzdem holte das Team Bottas noch rein, bevor die Rote Flagge geschwenkt wurde. Das vermieste Bottas' Geburtstagsrennen. Immerhin: Weil er besser auf seine Reifen aufpasste durfte er gegen Rennende noch an Teamkollege Felipe Massa vorbei.

Platz 10, Jenson Button: Das Rennen des McLaren-Honda-Piloten war schon in der ersten Runde beendet. Pascal Wehrlein krachte ihm unaufmerksam ins Heck. Trotzdem bekommt Button einen Punkt. Sein Qualifying war herausragend. Der neunte Startplatz war trotz der Fortschritte der japanischen Motorenbauer keinesfalls selbstverständlich.

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