Nach jedem Grand Prix der Formel 1 bewertet SPOX die Leistungen der Fahrer am vergangenen Wochenende. Teil 1 der Saison 2017: der Große Preis von Australien in Melbourne. Sebastian Vettel muss sich nach seinem Sieg auf Ferrari mit Platz 3 zufrieden geben, Antonio Giovinazzi beeindruckt bei seiner Rookie-Fahrt und Kevin Magnussen beweist Unvermögen.
Platz 1, Sergio Perez: Im Force India den letzten Quali-Abschnitt verpasst, trotzdem ganz vorn dabei. Perez fuhr in Melbourne auf Platz 7. Er bewies, dass er weit mehr kann als Reifen zu schonen. Der Mexikaner war der Überholexperte beim Australien-GP, der mit fünf Manövern auf der Strecke nur mehr die Hälfte der Saison 2015 bot.
Den kleinen Pace-Vorteil der Toro Rosso drehte Perez dadurch um. In Turn 10 schnappte er sich Daniil Kvyat schon im ersten Umlauf, Carlos Sainz jr. folgte in Runde 18. Anschließend brachte der Mexikaner das Auto ins Ziel, was sich einfacher anhört, als es war. Dem Force India fehlt Abtrieb und er ist zu schwer. Perez' Leistung ging angesichts der Aufregung um den Kampf an der Spitze beinahe unter.
Platz 2, Felipe Massa: Der Brasilianer war die Enttäuschung der Saison 2016. Lediglich 27 Punkte holte er im gesamten Jahr. Das reichte nur zu Platz 18 in der Gesamtwertung. Sein damaliger Williams-Kollege Valtteri Bottas kam auf 111 Zähler, die gut genug für Rang 9 waren. Nun aber zeigt Massa endlich wieder, warum er bei Ferrari um die Weltmeisterschaft fuhr.
"Nicht schlecht für einen alten Mann", bewertete der 35-Jährige, der eigentlich schon in Rente sein sollte, seine Leistung in Australien nach dem Rennen. Er traf den Nagel auf den Kopf. Nachdem er im Qualifying trotz einer fehlerfreien Runde 0,369 Sekunden langsamer war als Romain Grosjean mit dem Haas, schnupfte Massa den Franzosen beim Start problemlos beim Anbremsen von Turn 1 auf der Außenbahn. Den Toro-Rosso-Angriff in der nächsten Kurve schloss er durch gute Positionierung in der Mitte der Fahrbahn aus.
Anschließend musste Massa allein fahren. Die Spitzen-Autos waren zu schnell für seinen Williams. Die Verfolger hielt er erfolgreich auf Distanz und vermied als einziger Pilot ohne Ferrari, Mercedes oder Red Bull unterm Hintern eine Überrundung. So kann es nicht nur weitergehen, so muss es weitergehen. Denn Massas neuer Teamkollege, Lance Stroll, zeigte in Melbourne erneut, dass er trotz intensivstem Testprogramm noch einige Zeit braucht, um Williams gute Resultate zu garantieren.
Platz 3, Sebastian Vettel: Die Euphorie? Riesig. Einige hatten Ferrari schon abgeschrieben, nachdem die Scuderia am Freitag in den freien Trainings nicht mithalten konnte. Schon am Samstag war der Rückstand geschmolzen. Runde drei Zehntel Rückstand hatte Vettel im Qualifying. Fast ein Wimpernschlag verglichen mit den letzten Jahren. Dazu hatte der Deutsche mehrere kleine Fehler eingestreut.
Am Sonntag bewies Vettel, dass das SPOX-Power-Ranking vor dem Saisonstart stimmte. Ferrari hatte in Melbourne das schnellste Auto - zumindest im Rennen. Vettel nutzte perfekt aus, dass sein Auto besser mit den Pneus umging als der Silberpfeil. Während Hamilton schon quer über die Strecke rutschte, schonte der vierfache Weltmeister noch die Pneus und hetzte Mercedes so in den entscheidenden Fehler. Als er nach dem Boxenstopp die Führung innehatte, konnte Vettel seine größte Stärke einmal mehr ausspielen.
Das machte die minimalen Abzüge für die kleinen Fehler im Qualifying und die durchdrehenden Räder beim Start fast wieder wett. Immerhin hatte Vettel es geschafft, Valtteri Bottas noch hinter sich zu lassen und so selbst dafür gesorgt, dass er Hamilton schnappen konnte. Trotzdem hatte er Platz 1 und 2 nicht so sehr verdient wie Massa und Perez.
Platz 4, Lewis Hamilton: Ferrari wollte Mercedes eigentlich mit einem Undercut überholen. Doch Hamilton bog zu früh in die Box ab. Vettel hatte freie Bahn, während Hamilton auf Verstappen auflief und trotz frischerer Reifen nicht vorbeikam. Der Weltmeister konnte das Potenzial seiner eigentlich schnelleren Slicks so nicht abrufen. Die falsche Entscheidung seiner Strategen konnte Hamilton nicht korrigieren.
Trotz des verpassten Siegs war Hamilton nicht schlechter als Vettel. Er machte unter Druck keinen Fehler, seine Vorstellung am Samstag stach heraus: Es war der dreifache Weltmeister, der die Pole Position herausfuhr - nicht das Auto.
Platz 5, Fernando Alonso: Nach dem Rennen stellte der Spanier seine Leistung heraus. Zu Recht. Alonso hatte einen eklatanten Topspeed-Nachteil auf den Geraden. Trotzdem fuhr er auf Punktekurs, indem er Nico Hülkenberg und Esteban Ocon hinter sich hielt. Was mein geschätzter Kollege, Alexander Mey, im Jahr 2012 formulierte, stimmt noch immer: Alonso holt sogar im Fiat Punto noch Punkte.
In Australien klappte es nicht, weil die Aufhängung seines McLaren streikte. Was dem Spanier Mut für die nächsten Läufe machen soll? Keine Ahnung. Freuen darf er sich auf weitere Gelegenheiten für deftige Seitenhiebe auf Motorenpartner Honda. In dieser Disziplin profilierte sich der zweifache Weltmeister nämlich von Donnerstag bis Sonntag, indem er unter anderem Einheitstriebwerke als größten Wunsch angab. Für gute Laune in Japan sorgt Alonso so definitiv nicht.
Platz 6, Antonio Giovinazzi: Der Italiener wurde mit kürzest möglichem Anlauf ins eiskalte Wasser geschmissen. Am Freitag fuhr noch Pascal Wehrlein seinen Sauber und verzichtete dann doch lieber auf das GP-Wochenende in Australien. Giovinazzi übernahm nicht nur das Steuer, er brachte Teamkollege Marcus Ericsson auch in Schwierigkeiten. 0,183 Sekunden trennten die Sauber-Fahrer in Q1. Ein guter, fehlerfreier Einstand für den Italiener in der Formel 1.
Platz 7, Romain Grosjean: Platz 6 war das beste Qualifying-Resultat in der kurzen Haas-F1-Geschichte. Noch immer belasten seine ersten Jahre in der Formel 1 den Ruf des Franzosen mehr, als es gerechtfertigt wäre. Grosjean hat gelernt, sein Auto nicht zu überfahren. Schnell war er schon immer, mittlerweile ist er verlässlich geworden. Eine Eigenschaft, die auf sein Auto am Sonntag nicht zutraf. Ein Kupplungsproblem behinderte ihn, bevor ein Wasserleck ihn zur Aufgabe zwang.
Platz 8, Max Verstappen: Dass er am Freitag kaum üben konnte, hatte sich der Niederländer selbst zuzuschreiben. Er demolierte den Unterboden bei einem Ausflug auf die Kerbs. Die fehlende Trainingszeit war kostbar: Der Red Bull reagiert nach dem Konzeptwechsel von purem Abtrieb hin zu wenig Luftwiderstand extrem bockig auf kleinste Setupänderungen. Immerhin: Verstappen bewies sich einmal mehr als Racer, indem er Räikkönen am Sonntag ohne Gnade jagte. Erst als seine Bremsen abbauten, musste er die Verfolgungsjagd aufgeben.
Platz 9, Valtteri Bottas: Der Finne hatte bei seinem ersten Rennen als Nachfolger von Weltmeister Nico Rosberg bei Mercedes gegen Lewis Hamilton das Nachsehen. Im Qualifying war das zu erwarten. Hamilton ist in Melbourne der Mann des Samstags. So nah wie Bottas (0,293 Sekunden) war Rosberg in Australien nie an seinen Teamkollegen herangekommen.
Auch sonst scheint ein Mercedes-internes Duell wieder möglich: Bottas verlor zwar zu Beginn des Rennens deutlich gegenüber Hamilton und Vettel, auf den soften Reifen machte er die Lücke zum Teamkollegen dann aber wett. Führt man sich Hamiltons Aussagen zu Beginn seiner Mercedes-Zeit vor Augen, er müsse sich erst einige Monate eingewöhnen, dann ist von Bottas noch viel zu erwarten.
Platz 10, Daniil Kvyat: Der Marathonmann hätte ein besseres Resultat verdient. Er hielt 31 Runden auf den Ultrasofts durch und kam so an Teamkollege Carlos Sainz jr. vorbei. Allerdings musste Toro Rosso ihn zu einem zweiten Stopp reinholen. Die Druckluft zur Steuerung der Ventile musste nachgefüllt werden.
Härtefall, Stoffel Vandoorne: Der McLaren-Jungspund hatte das Nachsehen gegenüber Fernando Alonso. Sein Fehler war es nicht. Der Benzindruck fehlte im Qualifying, beim Rennen ging der Motor beim Boxenstopp einfach aus. Allerdings verzichtete der Belgier darauf, Honda dafür explizit an den Pranger zu stellen.
Untauglich, Kevin Magnussen: Er galt wie Vandoorne als großes Talent. Beim Dänen verdichten sich aber die Anzeichen, dass die Lorbeeren zu früh kamen. 2014 debütierte er bei McLaren, nach einem Jahr musste er zu Renault, eine Saison später ging es zu Haas. Während Grosjean am Samstag in die Top 10 einzog, war für Magnussen schon nach Q1 Feierabend. Am Sonntag stellte er sein Auto ab, weil er von einem Aufhängungsschaden ausging. Dabei war nur der Reifen kaputt. Ach ja, den Start-Crash mit Ericsson hatte Magnussen auch noch ausgelöst.