Auch in der Formel-1-Saison 2012 bewertet SPOX-Redakteur Alexander Mey nach jedem Grand Prix die fahrerischen Leistungen der Piloten und stellt sein persönliches Driver-Ranking auf. Teil 1: Australien-GP.
Der Australien-GP war so bunt, dass auch mein erstes Ranking etwas durcheinander anmutet. Zwar sind die meisten üblichen Verdächtigen vorne dabei, aber ich habe mich bei der genauen Reihenfolge extrem schwer getan. So sind auch einige neue Namen in den Punkten.
Ich denke, das Ranking spiegelt ganz gut wieder, das die Grenzen zwischen den Top-Teams und dem Mittelfeld in Melbourne fließend waren.
Die Lehren aus dem Saisonauftakt in Melbourne
Meine Wertung für den Australien-GP:
Platz 1, Jenson Button: Hier musste ich am wenigsten überlegen. Button war schon im Qualifying bis auf eine Zehntel an McLaren-Kollege Hamilton dran. Im Rennen erwischte er einen Blitzstart und ist danach in beeindruckender Manier allen anderen davon gefahren. Auch Hamilton, womit ich nicht gerechnet hätte. Selbst nach der Safety-Car-Phase, nach der er Vettel direkt im Nacken hatte, ist Button ganz cool direkt wieder auf und davon gezogen. So stark habe ich ihn selten gesehen. Vettel hatte schon Recht, als er gesagt hat: "Jenson war unschlagbar".
Platz 2, Fernando Alonso: "Was?", werden einige sagen, "der hat doch im Qualifying das Auto ins Kiesbett geworfen!". Ja, hat er. Aber das wiegt meiner Meinung nach im Gesamtbild seiner Leistung überhaupt nicht schwer. Ohne diesen Ausritt hätte er vielleicht eine oder zwei Startreihen weiter vorne gestanden, mehr war im Ferrari ohnehin nicht drin. So war sein Rennen von Position zwölf aus umso beeindruckender. Der Ferrari lag wirklich nicht gut auf der Strecke und war auf keinen Fall schneller als der Williams, der Sauber oder der Toro Rosso. Das konnte man am wieder einmal bemitleidenswerten Massa sehen. Aber Alonso hat sich nach seinem Raketenstart nicht nur vor all denen behauptet, er hat sogar Druck auf Rosberg im Mercedes gemacht. Trotzdem hatte er nicht annähernd so große Reifenprobleme wie Massa. Alonso hat den Ferrari deutlich besser aussehen lassen als er war. Der holt sogar in einem Fiat Punto noch WM-Punkte.
Platz 3, Sebastian Vettel: Ein für seine Verhältnisse bescheidenes Qualiying hat Vettel Platz zwei in meinem Ranking gekostet. Position sechs und vor allem ein Startplatz hinter Teamkollege Webber entspricht nicht seinen Ansprüchen. Im Rennen war er aber bärenstark. Sein Überholmanöver außen an Rosberg vorbei war das beste des ganzen Rennens. Sein Duell mit Schumacher hat beim Zusehen Spaß gemacht und hätte gerne noch länger dauern können. Klar hatte Vettel etwas Glück mit der Safety-Car-Phase, aber sein Speed war so stark, dass er Hamilton sowieso hätte attackieren können.
Platz 4, Lewis Hamilton: Seine erste Quali-Runde in Q3 war schon beim Zusehen ein Schock - was für eine Fabelzeit! Es spricht für Button, dass er trotz Hamiltons nahezu perfekter Runde noch so nah rangekommen ist, aber letztlich hat Hamilton seine Extraklasse in Sachen Speed eindrucksvoll untermauert. Im Rennen war er nach dem verlorenen Start dann leider etwas blass. Er konnte nicht mit Button mithalten und verlebte einen relativ ereignislosen Grand Prix. Dass er mit dessen Ausgang nicht glücklich war, war an seiner Miene deutlich abzulesen.
Platz 5, Daniel Ricciardo: Seine tolle Leistung am ganzen Wochenende ist meiner Meinung nach zu sehr untergegangen. Im ersten Moment habe auch ich zum Beispiel Perez' Rennen stärker gesehen, aber man muss bedenken, dass Ricciardo nach dem unverschuldeten Startcrash und dem anschließenden Flügelwechsel meilenweit hinter dem Feld hergefahren ist. Und das nach dem starken zehnten Platz im Qualifying. Anstatt aber zu resignieren, fuhr er tolle Zeiten und kämpfte sich im Toro Rosso wieder ans Feld heran. Natürlich hat er anschließend von der Safety-Car-Phase profitiert, aber im Chaos der letzten Runde behielt er dann wieder die Nerven und fuhr noch in die Punkte. Eine unglaublich reife Leistung für einen Fast-Rookie.
Platz 6, Sergio Perez: Er ist der neue Reifenflüsterer. Nach dem Gertriebeschaden im Qualifying in einem Sauber vom letzten Startplatz noch bis auf den zwischenzeitlich sechsten Rang nach vorne zu kommen, war grandios. Er hat sich auf der Strecke mit allen großen Namen angelegt, ohne dabei aber seine Reifen, die ohnehin schon am Limit waren, völlig zu ruinieren. In der letzten Runde hätte er Rosberg vielleicht besser ziehen lassen sollen, dann wäre er Siebter statt Achter geworden. Aber was soll's? Er hat wirklich alles gegeben und ist mit Punkten belohnt worden.
Platz 7, Michael Schumacher: Gefühlt gehört er in diesem Ranking weiter nach vorne, aber im Gegensatz zu allen anderen vor ihm habe ich nur elf statt 58 Rennrunden gesehen. Zum ersten Mal seit seinem Comeback hatte er Teamkollege Rosberg das ganze Wochenende über sicher im Griff. Sein Qualifying war exzellent, sein Start gewohnt stark und auch sein Speed im Rennen ließ sich gut an. Er konnte von Rosberg wegfahren und hatte nur Vettel im Nacken. Platz vier oder fünf wäre drin gewesen, aber wir werden leider nie erfahren, wie es ausgegangen wäre. Auf jeden Fall macht Schumachers Form aus deutscher Sicht sehr viel Mut.
Platz 8, Mark Webber: So weit weg von Vettel war Webber gar nicht, aber es hat wie schon das ganze letzte Jahr über am Ende doch etwas gefehlt, um den Teamkollegen schlagen zu können. Diesmal war es wie so oft der Start, der Webber alles gekostet hat. Danach war er zwar zeitweise der schnellste Mann im Feld, aber er hat zu lange gebraucht, um wieder ganz nach vorne zu kommen. So blieb trotz solider Leistung im Qualifying und gutem Rennspeed wieder einmal nur Blech. Bei Webber fehlt mir der Killerinstinkt, den Leute wie Vettel, Button und Alonso haben.
Platz 9, Kamui Kobayashi: Sein Rennen war zwar etwas unauffälliger als das von Sauber-Kollege Perez, aber deshalb nicht viel weniger überzeugend. Im Qualifying stellte er den im Vergleich zum Rennen schwächeren Sauber immerhin auf einen passablen 13. Startplatz. Im Rennen arbeitete er sich dann entschlossen und konstant nach vorne. Im Chaos der letzten Runde behielt er am besten den Überblick und holte sich den vakanten sechsten Platz. Beide Sauber-Piloten scheinen in Top-Form zu sein.
Platz 10, Pastor Maldonado: Eigentlich gebe ich Fahrern, die durch einen offensichtlichen Fahrfehler Punkte wegwerfen, keine Zähler im Ranking. Bei Maldonado mache ich aber eine Ausnahme, weil mich sein Wochenende bis zur verhängnisvollen letzten Runde fasziniert hat. Erstmal war es schon ein kleines Wunder, dass er den Williams auf den achten Startplatz gestellt hat. Dann musste ich mir mehrfach die Augen reiben, als ich sah, dass er schnell genug war, um Alonso im Rennen das Leben schwer zu machen. Dazu kommt, dass er Teamkollege Senna ganz alt hat aussehen lassen. Eine solche Leistungsexplosion hätte ich von Maldonado nicht erwartet. Ich bin gespannt, ob er das wiederholen kann. spox
Härtefall, Lotus-Duo: Kimi Räikkönen habe ich nur mit Zähneknirschen aus den Punkten geworfen, weil seine Leistung beim Comeback im Rennen sehr gut war. Von Starplatz 17 auf Rang sieben muss man erst einmal fahren. Allerdings muss ich im direkten Vergleich mit den Sauber-Piloten, Riccardo und Maldonado berücksichtigen, dass der Lotus, in dem Räikkönen nach vorne kam, das um einen Tick schnellere Auto war. Zudem war Räikkönens Fehler im Qualifying, der ihn in Q1 herausgeworfen hat, schon eklatant. Grosjean war dagegen im Qualifying sensationell. Aber von ihm habe ich nach seinem schwachen Start und dem frühen Aus im Rennen leider gar nichts gesehen, was Punkte gerechtfertigt hätte.
Stand in der Fahrer- und Konstrukteurs-WM